Raiffeisen-Logo auf russischem Gebäude
Reuters/Tatyana Makeyeva
Russland-Tochter

Cashcow und Klotz am Bein der RBI

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine steht die Raiffeisen Bank International wegen ihres andauernden Engagements in Russland in der Kritik. Trotz jüngstem Rekordergebnis ist die RBI-Aktie im Dauersinkflug. Und US-Behörden nehmen mittleweile die Bank ins Visier. Die „Financial Times“ (FT) betonte am Wochenende, die Russland-Tochter der RBI habe mittlerweile eine zentrale Funktion für Geldflüsse ins Ausland. Die RBI legte am Montag die eigene Sicht dar.

Die russische Raiffeisen-Tochter wickelt laut einer RBI-Sprecherin dem Volumen nach derzeit etwa 25 Prozent von Überweisungen in Euro nach Russland sowie 30 Prozent des Zahlungsverkehrs im SWIFT-System in US-Dollar und Euro aus Russland ab. Die „Financial Times“ hatte am Sonntag mit Verweis auf einen anonymen Raiffeisen-Manager von einem 40- bis 50-prozentigen Anteil am gesamten Zahlungsverkehr mit Russland geschrieben.

Vor dem 24. Februar 2022 habe der Anteil von Raiffeisen an Überweisungen nach Russland etwa acht Prozent ausgemacht, berichtete die Sprecherin auf APA-Nachfrage. Die wichtigere Rolle von Raiffeisen im internationalen Zahlungsverkehr erkläre sich dadurch, dass zahlreiche russische Banken aus dem SWIFT-System ausgeschlossen worden seien und daher der Marktanteil westlicher Banken deutlich gestiegen sei.

RBI: Gesamtanteil „um Vielfaches niedriger“

„Der Anteil der RBI an den gesamten russischen Auslandszahlungstransaktionen ist um ein Vielfaches niedriger als 30 Prozent, da Russland einen wesentlichen Teil seines Auslandszahlungsverkehrs nicht mehr in US-Dollar oder Euro abwickelt“, betonte die Sprecherin.

Seit vielen Jahren ist vor allem die Russland-Tochter jener Teil der Bank, der am meisten Gewinn erlöst. Auch bei der vor wenigen Wochen präsentierten Jahresbilanz zeigte sich erneut, dass Raiffeisen Russland und Belarus die zentralen Cashcows sind: Mit 3,63 Milliarden Euro (im Jahr davor: 1,37 Mrd.) hat sich der RBI-Gewinn im letzten Geschäftsjahr mehr als verdoppelt. Und der Gewinn aus dem Russland-Geschäft erhöhte sich im Jahresvergleich noch.

Ohne Russland und Belarus wäre der Gewinn mit 982 Mio. Euro deutlich niedriger – 35 Prozent plus statt einer Verdoppelung des Gewinns. Freilich betonte RBI-Chef Johann Strobl, das zeige, dass die Bankengruppe auch ohne dem Russland- und Belarus-Geschäft gut dastehe. Er räumte mit Blick auf Russland aber auch ein, dass man einerseits sehr gute Ergebnisse habe, andererseits aber „enorme Probleme“.

Der ehemalige Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny wies gegenüber Ö1 darauf hin, man müsse sich überlegen, ob die Gewinne aus dem Russland-Geschäft tatsächlich verfügbar sind. Ansonsten müsse eine Abschreibung vorgenommen werden.

Ausstieg nur mit enormen Verlusten

Eine Entscheidung über die Zukunft des Russland-Geschäfts lässt die Bank weiterhin offen. Und das dürfte wohl auf absehbare Zeit so bleiben. Denn selbst wenn die RBI bereit wäre, auf die Erträge aus Russland zu verzichten, wäre ein Ausstieg jedenfalls mit großen Verlusten verbunden. Denn der Kreml reagierte im vergangenen Jahr rasch auf die westlichen Wirtschaftssanktionen und untersagte die Überweisung von Gewinnen ins Ausland. Unternehmen aus westlichen Ländern müssen zudem jeden Verkauf ihrer Russland-Töchter direkt vom Kreml genehmigen lassen. Solch eine Genehmigung ist ungewiss und jedenfalls mit enormen Abschlägen von mindestens 50 Prozent des Werts verbunden.

Ökonom Stefan Pichler von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) hält einen Verkauf derzeit für sehr unwahrscheinlich. „Ich glaube, dass es nahezu unmöglich ist in der aktuellen Situation, die Bank zu verkaufen“, sagte Pichler gegenüber Ö1. Entweder finde die Bank einen Käufer, der aus Sicht des Westens zulässig sei – dann würde aber wohl die russische Aufsicht einen Verkauf blockieren. Alternativ könne sie an einen putinfreundlichen Oligarchen verkaufen, was allerdings ein Geldgeschenk an Putin wäre.

Raiffeisenbank in Moskau
IMAGO/Bilderbox
Logo und Schriftzug der Raiffeisenbank auf einem Gebäude in Moskau

Größe zieht Aufmerksamkeit auf sich

Auch viele andere westliche Banken und andere Firmen haben aus diesem Grund ihr Geschäft nicht abgestoßen. Einige sprechen mittlerweile auch offen aus, dass sie keinen Ausstieg mehr anstreben. Dass das Augenmerk – auch international und sogar des US-Finanzministeriums – besonders auf Raiffeisen fällt, hat einerseits damit zu tun, dass sie seit der rapiden Expansion in Russland eine der größten Banken in Russland ist. Zudem steche sie laut „FT“ jetzt wegen des Businessbankings und der zentralen Rolle, die die Raiffeisen-Tochter mittlerweile im gesamten Zahlungsverkehr spiele, „noch mehr hervor“.

Zuletzt war bekannt geworden, dass OFAC, eine Abteilung des US-Finanzministeriums, zuständig für die Einhaltung der Russland-Sanktionen, von der RBI Auskunft über deren Handhabung eingefordert hatte.

„Sehr in russisches Finanzsystem eingebettet“

Keine andere westliche Bank sei „so sehr in das russische Finanzsystem eingebettet“, betonte Marcus How vom Wiener Beratungsunternehmen VE Insight gegenüber der „FT“. Die Ukraine kritisiert Raiffeisen immer wieder direkt, belegte Teile davon mit Sanktionen und deren Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, sprach von „mit Blut befleckten“ Gewinnen.

Trotz wachsenden internationalen Drucks: In Österreich ist die RBI bisher keiner breiteren Kritik ausgesetzt. Heimische Politik und Wirtschaft waren selbst lange Zeit sehr russlandfreundlich – und sind es teils noch immer. Und auch von den eigenen Aktionärinnen und Aktionären muss die RBI wohl auch künftig keinen Aufstand befürchten. Deutlich weniger als die Hälfte der Aktien sind im Streubesitz, den Rest – mehr als 58 Prozent – halten die Raiffeisen-Landesbanken. Und für sie sind die RBI-Gewinnausschüttungen ein nicht unwesentlicher Teil ihrer eigenen Bilanz.

Höhere Hürden für Private

Zumindest für Privatkundinnen und -kunden der russischen Raiffeisen-Tochter aus dem Mittelstand werden Überweisungen in das Ausland dennoch immer schwieriger. Am Montag gab die Bank in Moskau bekannt, dass ab dem 6. März nur noch Summen von mehr als 10.000 Euro oder Dollar ins Ausland überwiesen werden können. Zuletzt war dieses Limit im Dezember 2022 von 3.000 auf 5.000 Euro angehoben worden.

„Diese Maßnahme ist notwendig, um zu vermeiden, dass die von den Korrespondenzbanken festgelegten Obergrenzen für die Anzahl solcher Zahlungen überschritten werden, da die Korrespondenzbanken immer höhere Anforderungen an die Prüfung und Abwicklung von Zahlungen stellen“, erläuterte die RBI-Sprecherin. In vielen Fällen fungiert freilich ausgerechnet die Mutterbank RBI in Wien als Korrespondenzbank für diese Überweisungen aus Russland.