Die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novak
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Debatte in Ungarn

Präsidentin für rasche NATO-Erweiterung

Nach einem halben Jahr Verzögerung hat am Mittwoch im ungarischen Parlament die Debatte über die Ratifizierung der NATO-Beitritte Schwedens und Finnlands begonnen. Bevor es zu einer Abstimmung kommt, will das Parlament noch eine Delegation in beide Länder entsenden. Während in der EU die Sorge wächst, dass Ungarns Regierungschef Viktor Orban seinen Einfluss in der NATO-Frage für eigene Zwecke nutzen könnte, sprach sich Ungarns Staatspräsidentin Katalin Novak am Mittwoch überraschend klar für eine Ratifizierung aus.

Die Ratifizierung solle schnell vonstattengehen, drängte Novak auf Facebook und Twitter. Ihrer Ansicht nach sei die Aufnahme beider Länder in das Verteidigungsbündnis in der gegenwärtigen Lage begründet. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatten Finnland und Schweden im Mai 2022 die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Novak sagte, sie vertraue auf eine möglichst baldige „weise Entscheidung“ der Parlamentsabgeordneten.

Der Staatssekretär im Außenministerium, Peter Sztaray, sprach sich im Namen der rechtskonservativen Regierung von Orban für die Ratifizierung der Beitrittsprotokolle aus. Die Abstimmung könnte in der zweiten März-Hälfte erfolgen, wie aus dem aktualisierten Sitzungsplan des Parlaments hervorgeht.

„Konsequente Lügen“ über Ungarn

Eine Delegation müsse zuvor wegen „notwendiger klärender Gespräche“ nach Schweden und Finnland entsandt werden, hatte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Montag gesagt. Als Grund für die Reise der Delegation hatte der Minister weiter die „Gespaltenheit“ innerhalb der Fraktion der Regierungspartei FIDESZ hinsichtlich dieser beiden NATO-Beitrittskandidaten genannt.

Szijjarto hatte jene Frage der Abgeordneten als berechtigt bezeichnet, „inwieweit ein Land von uns eine Gefälligkeit erwartet, wenn dessen Politiker in der Vergangenheit ständig und konsequent Lügen über Ungarn verbreitet haben“. Der Minister hatte weiter gesagt, dass die Regierung die Ratifizierung „eindeutig“ unterstützen würde. Weniger eindeutig sei wiederum der Standpunkt der FIDESZ-Abgeordneten, die immerhin die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament sichern, hatte Szijjarto zu bedenken gegeben.

„Ernsthafte Debatte“ entbrannt

Mate Kocsis, Fraktionsvorsitzender der FIDESZ im Parlament, hatte bereits letzte Woche gesagt, dass nun eine „ernsthafte Debatte“ über den Beitritt der beiden Länder entbrannt sei. Auch der ungarische rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich diesen Ansichten angeschlossen. Der Regierungschef hatte am Freitag in einem Interview gesagt, dass „wir den Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO zwar grundsätzlich unterstützen, aber zunächst ernsthafte Diskussionen führen müssen“.

Parlamentsgebäude in der ungarischen Hauptstadt Budapest
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Im ungarischen Parlament wird über die Ratifizierung von Finnlands und Schwedens NATO-Beitritt debattiert

„Politico“ sieht Befürchtungen Brüssels bestätigt

Äußerungen wie diese bestätigten laut „Politico“ Befürchtungen in Brüssel, dass Orban versuchen könnte, seinen Einfluss auf die NATO-Erweiterung zu nutzen, um Zugeständnisse in Fragen der Rechtsstaatlichkeit zu erreichen. Denn Ungarn befindet sich nach wie vor in einem Streit mit der EU über die Auszahlung von Geldern in Milliardenhöhe, weil Ungarn gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstößt – und Finnland und Schweden haben die Lage in Ungarn bereits mehrmals vehement kritisiert.

Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Vera Jourova, hatte Anfang Februar „Politico“ zufolge gesagt, dass Ungarn die Unabhängigkeit seiner Justiz „sehr bald“ in Ordnung bringen müsse, wenn es 5,8 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem CoV-Konjunkturfonds erhalten wolle.

Schaidreiter (ORF) über geplante NATO-Beitritte

In welcher Phase sich die NATO-Beitritte von Finnland und Ungarn befinden, weiß ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter (ORF).

Helsinki und Stockholm würden sich zur bevorstehenden Abstimmung in Budapest weitgehend bedeckt halten, da sie im Vorfeld keine Kontroversen schüren wollten, schreibt „Politico“. Gegenüber der Türkei, die die Ratifizierung neben Ungarn nach wie vor blockiert, habe sich Schweden auf einem schmalen Grat bewegt und versucht, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht zu verärgern.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban
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Orban hofft nach wie vor auf EU-Gelder in Milliardenhöhe

Stoltenberg hofft auf baldige Ratifizierung

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte während eines Besuchs in Finnland Ende Februar erklärt, es sei an der Zeit, „Finnland und Schweden als Mitglieder willkommen zu heißen“. Beide hätten ihre Versprechen gehalten, die sie bei einem Treffen mit der Türkei im Juni in Madrid gemacht hätten, so Stoltenberg.

„Ich hoffe, dass sie bald ratifizieren werden“, sagte er weiter mit Blick auf die Diskussionen im ungarischen Parlament. Auf die Frage, ob er in dieser Angelegenheit mit Ungarn in Kontakt stehe, antwortete er, dass das eine Entscheidung der souveränen nationalen Parlamente sei.

Das finnische Parlament ebnete am Mittwoch den Weg für den NATO-Beitritt des Landes. Für die Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Verteidigungsbündnis hatten bis Ende September des Vorjahres bereits 28 der 30 NATO-Staaten gestimmt. Nur Ungarn und die Türkei blockieren bisher die Ratifizierung, erinnerten ungarische Medien.