Wolodymyr Selenskyj
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Nach russischem Raketenangriff

Selenskyj: Vergeltung für Saporischschja

Nach dem russischen Raketenangriff auf die Stadt Saporischschja mit mindestens vier Toten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Vergeltung angekündigt. „Auf den heutigen brutalen russischen Raketenangriff auf Saporischschja werden wir militärisch und rechtlich reagieren“, sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner allabendlichen Videoansprache: „Der Besatzer wird unweigerlich unsere Stärke spüren, die Kraft der Gerechtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes.“

Bei dem russischen Luftangriff in der Nacht auf Donnerstag war ein mehrstöckiges Wohngebäude in der südukrainischen Stadt von einer Rakete getroffen worden. Zwei Bewohner wurden getötet, hieß es in der Nacht. Bis Freitagfrüh wurden zwei weitere Leichname geborgen, wie der ukrainische Zivilschutz in der Früh mitteilte. Damit stieg die Zahl der Toten nach dem Angriff vom Donnerstag auf mindestens vier. Acht Menschen in dem mehrstöckigen Gebäude wurden verletzt. Weiterhin wurden mehrere Bewohner vermisst.

Verteidigungsminister Olexij Resnikow schloss indes einen Fall der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut nicht aus. Damit erringe Russland aber nur „einen kleinen Sieg“, sagte er der deutschen Boulevardzeitung „Bild“ (Freitag-Ausgabe). Die Verteidiger Bachmuts wehrten am Donnerstag nach Angaben der Militärführung in Kiew mehrere russische Angriffe ab. Russische Artillerie habe eine Reihe von kleineren Ortschaften um Bachmut beschossen, teilte der Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht mit. Russische Truppen bedrängen die Stadt von drei Seiten und bemühen sich seit Wochen, sie einzukreisen.

Zerstörtes Gebäude in Zaporizhzhia
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Aufräumarbeiten nach dem Einschlag einer russischen Raketen in ein Haus in Saporischschja

Laut dem Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist die Stadt nun eingekesselt, wie er in einem am Freitag veröffentlichten Video mitteilte. Die ukrainischen Streitkräfte hätten nur eine Straße nach draußen. Prigoschin forderte Selenskyj auf, seine Truppen aus der Stadt abzuziehen.

Generalstab: 85 russische Angriffe abgewehrt

Im Gebiet Donezk wurden nach Angaben örtlicher Behörden von Freitagfrüh zwei Zivilisten durch russischen Beschuss getötet. Zur militärischen Lage teilte der ukrainische Generalstab mit, es gebe weiter schwere Gefechte besonders im Donbas im Osten des Landes. Im Lauf der vergangenen 24 Stunden seien 85 russische Angriffe abgewehrt worden. Diese Militärangaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Als Ort der Gefechte wurden weiterhin die Frontabschnitte Kupjansk, Liman, Bachmut, Awdijiwka und Wuhledar genannt.

Hoffen auf Kampfjets

Verteidigungsminister Resnikow zeigte sich zugleich zuversichtlich, was einen Sieg der Ukraine im heurigen Jahr betrifft. „Ich bin ein Optimist, ich sehe die Situation auf dem Schlachtfeld, ich sehe die Entwicklung der Unterstützung und ich sehe wirklich, dass es eine Chance gibt, diesen Krieg in diesem Jahr mit unserem Sieg zu beenden“, sagte er.

Es gehe dabei um „die Befreiung aller unserer zeitweilig besetzten Gebiete bis zu unseren international anerkannten Grenzen von 1991“. Forderungen nach Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wies er zurück. Resnikow zeigte sich in dem Interview auch zuversichtlich, dass sein Land schon bald westliche Kampfjets bekommen wird. „Ich bin mir sicher, dass wir zwei bis drei unterschiedliche Arten von Kampfjets bekommen werden“, sagte er.

Medwedew droht erneut

Der frühere Kreml-Chef und jetzige Vizesekretär des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, warnte die NATO davor, der Ukraine Kampfflugzeuge zur Verfügung zu stellen. Die Übergabe von NATO-Kampfflugzeugen und deren Wartung in Polen kämen einem direkten Kriegseintritt des westlichen Militärbündnisses gegen Russland gleich, schrieb Medwedew am Donnerstag auf Telegram.

Zerstörtes Gebäude in Zaporizhzhia
APA/AFP/Katerina Klochko
Die Feuerwehr bei den Aufräumarbeiten nach dem russischen Raketeneinschlag

„Und jeder, der über die Lieferung (Reparatur) solcher Ausrüstungen oder Zerstörungsmittel sowie über ausländische Söldner und Militärausbildner entscheidet, müsste als legitimes militärisches Ziel betrachtet werden“, so Medwedew.

Scholz bei Biden

Die militärische Unterstützung der Ukraine sollte auch Hauptthema einer Unterredung von US-Präsident Joe Biden und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz am Freitag im Weißen Haus sein. Details sickerten bereits im Vorfeld durch. Wie aus amerikanischen Regierungskreisen verlautete, will Washington ein 400 Millionen Dollar (rund 380 Mio. Euro) schweres Militärhilfspaket ankündigen.

Es werde erwartet, dass die Hilfe hauptsächlich gelenkte Mehrfachraketenwerfer (GMLRS) für HIMARS-Werfer, Munition für Bradley-Schützenpanzer sowie Brückenlegepanzer umfasse. Seit dem Kriegsbeginn vor einem Jahr haben die USA der Ukraine bisher Sicherheitshilfen in Höhe von rund 27,2 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

Lula will mit anderen Ländern sprechen

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva führte indes ein Videogespräch mit Selenskyj. Danach twitterte Lula, er wolle andere Länder ermutigen, sich an Friedensgesprächen zur Beendigung des Konflikts zu beteiligen. „Ich habe den Wunsch Brasiliens bekräftigt, mit anderen Ländern zu sprechen und sich an jeder Initiative zur Schaffung von Frieden und Dialog zu beteiligen. Krieg kann für niemanden von Interesse sein.“

Lula lehnte es ab, der Ukraine Munition aus deutscher Produktion zu liefern, über die Brasilien verfügt. Er bekräftigte außerdem, sein Land werde in dem Konflikt neutral bleiben. Russland habe aber mit dem Einmarsch in ein souveränes Land einen Fehler gemacht. „Wir haben betont, wie wichtig es ist, den Grundsatz der Souveränität und der territorialen Integrität von Staaten zu wahren“, schrieb Selenskyj nach dem Gespräch auf Twitter. „Wir haben auch über diplomatische Bemühungen gesprochen, um den Frieden in der Ukraine und in der Welt wiederherzustellen.“