Christian Hafenecker
ORF
ÖVP-U-Ausschuss

FPÖ-Bericht ortet „organisierte Korruption“

Als vierte der Parlamentsparteien hat am Freitag die FPÖ ihren Fraktionsbericht zum ÖVP-U-Ausschuss vorgelegt. Das 108-seitige Dokument, in dem die Freiheitlichen ihre Erkenntnisse darlegen, trägt den Titel „Kurz-Schluss. Die ÖVP und die organisierte Korruption“. Justiz, Finanz und Innenministerium, die „heiligen drei Säulen der ÖVP-Gewalt“, seien gekapert worden, so der FPÖ-Fraktionsvorsitzende im Ausschuss, Christian Hafenecker.

Hafenecker leitete am Freitag die Präsentation mit einem Spruch der ÖVP-Abgeordneten Maria Großbauer ein, die nach eigenen Angaben ihre Großmutter zitierte: „Aufs Gewissen wird g’schissn.“ Das sei offensichtlich das Mindset der ÖVP, so Hafenecker. Treffender könne man die Erkenntnisse des Ausschusses, der der „wohl wichtigste und signifikanteste“ in der Geschichte Österreichs sei, nicht umreißen. Heute seien etliche Vertreterinnen und Vertreter zurückgetreten (von Ministern bis zu Landeshauptleuten), hätten das Land verlassen (Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid) und seien „Fädenzieher“ entmachtet (wie der frühere Justizsektionschef Christian Pilnacek). Nun müsse die Republik „auf Werkseinstellungen zurückgesetzt“ werden.

Die FPÖ ortet in ihrer Ausschussbilanz „schwarze Netzwerke, türkise Seilschaften“ und „den tiefen Staat durch das Mittel der organisierten Korruption und Vetternwirtschaft“. Diese Vorgänge, so Hafenecker, fußten auf drei Säulen, den „heiligen drei Säulen der ÖVP-Gewalt“: Justiz, Finanz und Innerem. In den Bereichen habe eine „kleine verschworene Clique von politischen Hasardeuren mit vollem Risiko, ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl und bis in den letzten Winkel des Staates eine neue Form der Einflussnahme etabliert“, heißt es im Bericht, es seien nicht Mächtige korrupt geworden, sondern Korrupte mächtig.

In den drei Ministerien seien die Schlüsselpositionen mit Parteigängern der ÖVP besetzt worden, die Justiz sei auf Linie gebracht worden und „der nicht selten erfolgreiche Versuch unternommen, Medien zu kaufen, einzuschüchtern und zu beeinflussen“.

Christian Hafenecker
ORF.at/Roland Winkler
Hafenecker im „wohl wichtigsten und signifikantesten“ U-Ausschuss

Angriffe gegen die WKStA

In puncto Justiz behandelt der Bericht etwa eine „schwarze Kampagne gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“ (WKStA). Ihr Gruppenleiter Bernd Weratschnig habe im Ausschuss dargelegt, wie eine „beispiellose Medienkampagne gegen einzelne Mitarbeiter beziehungsweise gegen die WKStA als solche“ durchgeführt worden sei, „wie Mitarbeiter persönlich diffamiert“ worden seien und „dienstrechtlich versucht wurde, Druck zu erzeugen“. Die FPÖ beklagt auch das Fehlern einer „Cooling-off-Phase“ anhand des Beispiels der bei der WKStA eingesetzten Staatsanwältin Linda Poppenwimmer: Sie habe ohne Pause zur Rechtsanwaltskanzlei von Manfred Ainedter wechseln können, die hohe ÖVP-Funktionäre vertritt.

Der Bericht erinnert auch an das zerrüttete Verhältnis der WKStA zur Oberstaatsanwaltschaft Wien und Pilnacek sowie Johann Fuchs. Auch das Vorgehen der früheren Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher wird angeführt: Sie habe „bekanntermaßen öffentlich Stimmung gegen die WKStA gemacht, wie sich herausgestellt hat mit Formulierungen aus der Feder der ÖVP-nahen Kanzlei Ainedter“. Die FPÖ monierte schließlich die Postenbesetzungen in der Justiz: Besonders jene von Eva Marek: Sie sei 2014 von der zuständigen Personalkommission drittgereiht gewesen und dennoch befördert worden. Eine adäquate Erklärung habe der frühere ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter im Ausschuss nicht liefern können.

FPÖ präsentiert Bericht zum U-Ausschuss

„Kurz-Schluss. Die ÖVP und die organisierte Korruption“ lautet der Titel des FPÖ-Fraktionsberichts zum ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss. Christian Hafenecker präsentierte ihn am Freitag.

Causa Wolf im Finanzministerium

Ausführlich beschäftigt sich der Bericht auch mit den „sonderbaren Vorgängen im Finanzministerium“: Hier steht die Causa rund um den Unternehmer Siegfried Wolf, der erstmalig auch im Ausschuss erschien, im Fokus. Im Ministerium hätten „Superreiche und ÖVP-Spender“ eine „Fast Lane“ gehabt, um sich Steuerprivilegien zu sichern oder Steuerprüfungen abzubiegen, sagte Hafenecker. Bei Wolf ging es um einen Steuernachlass in Höhe von rund 630.000 Euro – der Vorwurf lautet, Wolf soll sich im Gegenzug um einen Posten für die damals zuständige Finanzbeamtin bemüht haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auch der Immobilieninvestor Rene Benko wird einmal mehr beleuchtet: Im Ausschuss wurde ein Treffen behandelt zwischen Schmid und Benko im Ministerium. „Offiziell soll es bei diesem Termin um lange Verfahrensdauern gegangen sein“, so der FPÖ-Bericht. Die Hintergründe blieben aber wegen mangelnder Auskunft im Ausschuss „weiter im Unklaren“.

Der Weg der „Kloibmüller-Chats“

Die dritte Säule für die ÖVP sei schließlich das Innenministerium gewesen. Hier hätten die „Kloibmüller-Chats“, jene Nachrichten, die nach einem Bootsunfall über ein Leak publik wurden, Licht ins Dunkel gebracht. Die Chats waren über den Ex-Abgeordneten und heutigen Publizisten Peter Pilz im U-Ausschuss gelandet und gegen den Willen der ÖVP zugelassen worden. Sie würden zahlreiche Interventionen im Ministerium darlegen, so Hafenecker. Postenschacher sei an der Tagesordnung gewesen, Inserate das Mittel der Wahl für den Ausbau des Machtbereichs. Die ÖVP habe jedoch für eine Verschleppung der Aufarbeitung gesorgt, nun seien „fast alle Straftaten verjährt und können somit nicht mehr verfolgt werden“.

Kasknöpfle und Speckknödel

Die FPÖ beleuchtete im Bericht auch die Causen in den verschiedenen Bundesländern. Sie führt etwa die „Kasknöpfle-Affäre“ in Vorarlberg an, die zur „Blitzerkrankung“ von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) geführt habe. Wallner habe sich im Ausschuss unter anderem zur Wirtschaftsbund-Affäre und einer anonymen Anzeige samt eidesstaatlicher Erklärung eines Managers gegen seine Person rechtfertigen müssen. Ihm wurde darin vorgeworfen, Gegenleistungen für Inserate in der mittlerweile eingestellten Zeitung des Wirtschaftsbunds („Vorarlberger Wirtschaft“) angeboten zu haben – Wallner bestritt das heftig. In Tirol ortet die FPÖ eine „Speckknödel-Camorra“ um die Jungbauernschaft. Die ÖVP habe am „Tiroltag“ im Ausschuss einmal mehr versucht, Aufklärung zu verhindern, gab es doch damals 283 Geschäftsordnungsmeldungen an nur einem Tag.

Die Tiroler Jungbauern und der Oberösterreichische Seniorenbund hätten gezeigt, wie sich ÖVP-nahe Vereine bedienen würden. Insgesamt seien es fast drei Millionen Euro aus dem Fonds für Non-Profit-Organisationen (NPO), die an der ÖVP zuzurechnende Vereine gegangen seien und zurückbezahlt werden müssen, so Hafenecker.

Mikl-Leitner, die „Erfinderin“

Niederösterreich bezeichnet der Bericht als „die Wiege der Korruption“: „Alles, was an korruptivem Verhalten entwickelt wurde, hat seinen Ursprung in Niederösterreich und wurde dann auf die Bundespartei ausgerollt“, sagte Hafenecker. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gelte für die FPÖ als „Erfinderin“ von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Wegbereiterin des „Projektes Ballhausplatz“. Dementsprechend wurde sie im Ausschuss zu ihrer Rolle, möglichen Interventionen bei Postenbesetzungen und steuergeldfinanzierte Aktionen des Landes befragt.

Schlupflöcher in der Verfahrensordnung

Die FPÖ listete auch zahlreiche Verbesserungsvorschläge auf, ist doch nach dem U-Ausschuss vor dem U-Ausschuss. So müssten Schlupflöcher in der Verfahrensordnung gestopft werden. Zu oft hätten sich Auskunftspersonen durch die Verlegung ihres Hauptwohnsitzes ins Ausland entziehen können. Auch sei es „auffällig häufig“ passiert, dass Auskunftspersonen an ihren Befragungstagen im Krankenstand oder auf Urlaub gewesen seien, selbst an den zugewiesenen Ersatzterminen. Als Beispiel führt der Bericht den Direktor des Bundeskriminalamts und ehemalige Leiter der „SoKo Tape“, Andreas Holzer, an, der trotz mehrmaliger Ladung nie vor dem Untersuchungsausschuss erschien.

Die FPÖ spricht sich zudem für die Möglichkeit von Videobefragungen aus sowie TV-Übertragungen der Ausschussbefragungen. Datenschutzbedenken und andere seien lösbar, „beispielsweise durch zeitversetztes Streaming, das eine nachträgliche Anonymisierung zulässt“, heißt es im Bericht. Die Freiheitlichen wünschen sich auch eine „Filibusterregelung“, die „ausschweifende und langatmige Antworten“ wie etwa von Ex-Kanzler Kurz im „Ibiza-U-Ausschuss“ verhindern solle. Kurz habe die „Redezeit dermaßen ausgedehnt, dass mehreren Fraktionen gar nicht mehr die Möglichkeit gegeben war, ihre Fragen zu stellen, weil die Vierstundengrenze bereits erreicht war“. Ähnliche Entwicklungen seien auch beim ÖVP-Untersuchungsausschuss sichtbar geworden.

Vorsitz unter neuen Vorzeichen

Die FPÖ kritisierte auch einmal mehr die Vorsitzführung des Ausschuss in Person von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). „Immer wieder wurde die Vorsitzführung des Ersten Nationalratspräsidenten dafür benutzt, die Befragungen zu blockieren, in die Länge zu ziehen oder zu unterbrechen, vor allem im Hinblick auf Geschäftsordnungsdebatten, die den Befragungsfluss erheblich hemmten“, so der Bericht. Auch die Involvierung Sobotkas in zahlreiche Untersuchungsgegenstände „lassen massive Zweifel an der Objektivität des Ausschussvorsitzenden aufkommen“.

Bei einer Änderung der Verfahrensordnung könnte die Vorsitzführung eventuell durch die parlamentarische Schiedsstelle im Vorfeld festgelegt werden, so der Vorschlag. Hafenecker schlug in diesem Punkt auch eine Rückkehr zur alten Geschäftsordnung vor, wonach ein Abgeordneter zum Vorsitzenden gewählt werde. Er werde sich an alle anderen Parteien wenden und einen Geschäftsordnungsgipfel initiieren, damit diese bis zur Ausrichtung eines neuen U-Ausschusses geändert werden könne, so Hafenecker, der erneut einen „Corona-Untersuchungsausschuss“. forderte.

Zu guter Letzt führt der Bericht Verbesserungsbedarf bei den Entschlagungsgründen auf. Deren inflationärer Gebrauch und eine „allseits grassierende ‚Amnesie‘ unter den Auskunftspersonen“ hätten ein wesentliches Problem dargestellt. Dem zu begegnen sei schwierig, es sei "jedoch aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich, dass Befragungen, die zur Aufklärung beitragen sollen, zu einstudierten und abgeglichen ‚Entschlagungsorgien‘ ausarteten. Zu hinterfragen sei jedenfalls die Rolle von PR- und Beratungsagenturen, die die Auskunftspersonen in eigenen Seminaren coachen würden.

Lob für SPÖ, Grüne und Krisper

Lob gab es abschließend von Hafenecker für die Konkurrenz: Die Grünen hätten „durchaus aktiv in die Vorgänge der ÖVP hineingeschaut“, auch mit dem Risiko, den Koalitionspartner zu verärgern. NEOS sei ein verlässlicher Partner gewesen, bis Fraktionsführerin Stephanie Krisper „von der Parteiführung ausgebremst wurde“, was ihm persönlich leidtue.

Die Weigerung von NEOS, den U-Ausschuss zu verlängern, habe der Aufklärung entgegengewirkt. „Sie dienen sich immer mehr der ÖVP an, vermutlich spekulieren die NEOS schon mit einer Regierungsbeteiligung“, so Hafenecker. Er strich auch die „enge Verzahnung“ mit der SPÖ hervor, die der Grund für vieles gewesen sei, das dieser U-Ausschuss zu Tage gebracht habe. Mit der derzeitigen ÖVP, die aus den Erkenntnissen des U-Ausschusses keine Lehren gezogen habe, sei „kein Staat zu machen“, so Hafenecker mit Blick auf die nächste Nationalratswahl.