Verbrennungsmotoren in einer Fabrik
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Berlin bremst

EU-Votum über Verbrenner-Aus verschoben

Die EU-Staaten werden am Dienstag nicht wie geplant eine endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 treffen. Das teilte ein Sprecher des zuständigen schwedischen EU-Ratsvorsitzes am Freitag in Brüssel mit. Die für Freitag geplante vorbereitende Abstimmung der EU-Botschafter werde „zu gegebener Zeit“ nachgeholt. Deutschland stieg bei dem Thema zuletzt auf die Bremse.

Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) blieb bis zuletzt bei dem Standpunkt, dass Deutschland dem geplanten Verbot zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen könne. Wissing bekräftigte in Berlin die Forderung, die EU-Kommission müsse einen Vorschlag unterbreiten, wie klimaneutrale synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Die EU-Kommission müsse eine entsprechende Zusage erfüllen.

Ohne die Zustimmung Deutschlands hätte die für Dienstag geplante Abstimmung scheitern können. Notwendig für die Annahme des Gesetzes ist die Zustimmung von 15 von 27 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Neben Deutschland wollten zuletzt auch Länder wie Italien, Polen und Bulgarien den Plänen so nicht zustimmen. Die 65-Prozent-Hürde würde ohne Deutschland nicht erreicht.

Abstimmung galt als Formalie

Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die ausstehende Abstimmung der EU-Staaten ist der allerletzte Schritt im Gesetzgebungsverfahren und eigentlich eine Formalie.

Wissing hatte Anfang der Woche Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt und damit gedroht, dass Deutschland nicht werde zustimmen können. Er hatte das damit begründet, dass die EU-Kommission bisher noch keinen Vorschlag dazu vorgelegt habe, wie nach 2035 nur mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können. Das war Teil der Einigung im Rat der EU-Staaten im Juni 2022, mit der die FDP zu einer Zustimmung innerhalb der deutschen Bundesregierung bewegt werden konnte. Eine so späte Intervention ist in Brüssel aber ungewöhnlich.

Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing (FDP)
Reuters/Christian Mang
Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing kündigte Widerstand gegen das Vorhaben an

Zerstrittene „Ampel“

Der grüne Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold pflichtete der FDP bei: „Wir haben immer gesagt als Deutschland: Wir unterstützen das Aus für alte, konventionelle Verbrennungsmotoren, wir wollen aber außerhalb der Flottengrenzwerte, also außerhalb dieses Gesetzes, eine Lösung für solche Verbrennungsmotoren, die nur mit nachhaltigen E-Fuels betrieben werden“, so Giegold am Donnerstag. Die EU-Kommission müsse jetzt alle Koalitionspartner davon überzeugen, dass derlei Maßnahmen betrieben würden, forderte er.

Der dritte Koalitionspartner SPD zeigte sich in den Zeitungen der Funke-Gruppe über die Diskussion verärgert. „Die Phantomdebatte über den Einsatz von E-Fuels für Verbrennermotoren geht an den Fakten vorbei“, sagte Fraktionsvize Detlef Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch die Autoindustrie setze auf Elektromobilität, E-Fuels seien nur begrenzt verfügbar, teuer und ineffizient.

Grafik zu E-Fuels
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA/Umweltbundesamt

Brüssel ringt um gesichtswahrende Lösung

In Brüssel wird der Aufschub als Chance gewertet, hinter den Kulissen noch eine gesichtswahrende Lösung zu finden. So könnte die EU-Kommission unter ihrer deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen der FDP etwa Zusicherungen zum Einsatz von E-Fuels geben.

Thomas Waitz, Europaabgeordneter der österreichischen Grünen, reagierte auf die Blockade verärgert. Das für 2035 geplante Verbrenner-Aus für Neuzulassungen sei ein „zentrales Puzzlestück für den Grünen Deal der EU und im Kampf gegen die Klimakrise“. „Der Boykott der Mitgliedsstaaten nach erfolgreichen und auch harten Verhandlungen ist nicht nur komplett unverständlich, sondern auch ein demokratischer Affront“, hieß es in der Aussendung weiter.

ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler sieht in der Verschiebung hingegen ein „erstes Aufatmen für echte Technologieoffenheit am Industriestandort EU“. „Wir haben jetzt die Chance, eine historische Fehlentscheidung doch noch abzuwenden“, so die Politikerin. Auch die FPÖ begrüßte die Verschiebung der Abstimmung. Der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider sieht in dem Verbot von Verbrennungsmotoren einen „Schuss ins eigene Knie“.

Audi-Chef fürchtet um Planungssicherheit

„In der politischen Diskussion sehen wir das Risiko, dass der klare Beschluss der EU zum Verbrennerausstieg 2035 wieder infrage gestellt wird“, sagte Audi-Chef Markus Duesmann dem „Spiegel“. „Das birgt die Gefahr einer Hängepartie, und die wäre für die Autoindustrie fatal.“ Der Audi-Chef betonte die Notwendigkeit der Planungssicherheit für die Autobranche und ihre milliardenschweren Investitionen.

Deutsche Ökonomin gegen E-Fuels-Pläne der FDP

Die FDP ist mit der Kritik am geplanten europaweiten Aus für Verbrennungsmotoren auch nach Einschätzung der DIW-Expertin Claudia Kemfert auf dem falschen Weg. Das Verbrenner-Aus sei absolut richtig. „Es ist auch überfällig“, sagte die Ökonomin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Klimafreundliche Kraftstoffe – E-Fuels – ergäben keinen Sinn. Sie müssten mit viel Ökostrom hergestellt werden, den man lieber direkt für Elektroautos nutzen sollte. Fast alle Autohersteller stellten konsequent auf E-Mobilität um. Der Markt habe sich längst in eine andere Richtung entwickelt. „Also, da reitet man ein totes Pferd.“