Eine Geschäftsfrau in Sevilla
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Quoten und Gesetze

Frauenpolitik dominiert Spaniens Wahljahr

Spaniens linker Regierungschef Pedro Sanchez hat am Samstag ein Gesetz zur Gleichstellung von Frauen bei der Besetzung einflussreicher Posten in Politik und Verwaltung sowie bei Verbänden und in größeren Unternehmen angekündigt. Im Wahljahr ist das nicht die einzige frauenpolitische Maßnahme: Auch ein neues Abtreibungsgesetz und die Möglichkeit für „Menstruationsurlaub“ wurden fixiert – nicht ohne Kontroversen.

Spaniens Regierung, Parlamente, Verwaltung und auch Unternehmen sollen künftig eine Frauenquote bekommen, wie Sanchez am Samstag während eines Treffens seiner Partei in Madrid sagte. „Wenn die Frauen die Hälfte der Gesellschaft stellen, dann steht ihnen auch die Hälfte der politischen und wirtschaftlichen Macht zu.“

In der aktuellen Regierung stellen Frauen bereits einen Anteil von 60 Prozent, in den beiden Parlamentskammern in Madrid aber weit weniger als 50 Prozent. Für viele andere Bereiche wichtiger Posten in der Gesellschaft ist vorgesehen, dass jedes der beiden Geschlechter mindestens 40 Prozent der Posten innehat. Schon kommenden Dienstag soll der Gesetzesentwurf im Kabinett verabschiedet werden. Die Pläne sehen zum Teil mehrjährige Übergangsfristen und Gesetzesänderungen vor.

Etliche Neuerungen für Frauen

Vor rund zwei Wochen bereits hat Spaniens Parlament weitere Gesetze verabschiedet, die spezifisch Frauen betreffen. Ein neues Abtreibungsgesetz garantiert Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Gesundheitszentren und senkte das Alter für eine Abtreibung ohne elterliche Zustimmung auf 16 Jahre. Zudem wurde eine vorgeschriebene dreitägige Bedenkzeit abgeschafft. Auch die kostenlose Verteilung der „Pille danach“ wurde zugesichert.

Europaweit ein Novum stellt zudem der „Menstruationsurlaub“ dar: Demzufolge dürfen Frauen künftig bei heftigen Regelbeschwerden der Arbeit fernbleiben. Bei der Abtreibungsreform stimmten 185 Abgeordnete mit Ja, 154 dagegen, der „Menstruationsurlaub“ wurde mit 185 Ja-Stimmen, 154 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen angenommen.

Debatten über Geschlechterwahl

Ein weiteres Gesetz ermöglicht eine Änderung des Geschlechts durch eine einfache administrative Erklärung bereits ab 16 Jahren. Nun steht die freie Geschlechterwahl auch 14- bis 16-Jährigen offen, wenn ihre Eltern oder gesetzlichen Vormunde zustimmen, 12- bis 14-Jährige benötigen zudem eine richterliche Erlaubnis. Dafür stimmten 191 Abgeordnete, 60 stimmten dagegen und ungewöhnlich viele (91) enthielten sich.

Das Gesetz wurde von der konservativen Opposition und von der katholischen Kirche kritisiert. Auch innerhalb der linken Regierungskoalition sorgte es für Debatten. Gleichstellungsministerin Irene Montero (Podemos) jubelte hingegen über die neuen Gesetze auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Heute ist ein historischer Tag für die Förderung der feministischen Rechte.“

Pedro Sanchez macht ein Selfie mit einer Frau
AP/Europa Press/Ricardo Rubio
Pedro Sanchez ist seit 2018 Premier. Heuer muss er sich der Wahl stellen.

Gefloppte Reform des Sexualstrafrechts

Doch nicht nur beim Gesetz über die Geschlechterwahl gab es hitzige Diskussionen: Derzeit steckt die Koalitionsregierung von Sanchez’ sozialistischer PSOE und der linksalternativen Podemos wegen eines Streits über das Sexualstrafrecht in Turbulenzen. Das im vergangenen Jahr beschlossene „Nur Ja heißt Ja“-Gesetz, das eigentlich die Verurteilung von Sexualstraftätern erleichtern und Frauen besser schützen sollte, führte in den vergangenen Monaten entgegen der Absicht des Gesetzgebers in mehr als 721 Fällen zu Strafmilderungen und 74 vorzeitigen Freilassungen von Sexualverbrechern. Das löste im ganzen Land Angst und einen Sturm der Entrüstung aus.

Nach Inkrafttreten des Regelwerks, das in einigen Fällen niedrigere Mindeststrafen festlegte, reduzierten Richter seit Anfang Oktober die Haftstrafen von mehr als 400 einsitzenden Straftätern. Dutzende Sexualverbrecher kamen früher als erwartet frei – darunter ein 39-Jähriger im katalanischen Lleida, der 17 Frauen vergewaltigt hatte und dessen Strafe von 15 auf neun Jahre gesenkt wurde.

Geringere Inflation in Spanien

Spanien gehört zu jenen Ländern in Europa, die die Inflation als Folge der Energiekrise am besten in den Griff bekommen haben. Staatliche Eingriffe und milliardenschwere Hilfen führten dazu, dass die Inflationsrate im Februar bei 6,1 Prozent liegt. Auch das Wirtschaftswachstum liegt noch im positiven Bereich.

Turbulenzen zwischen PSOE und Podemos

Kurz nach der Implementierung muss man das Gesetz nun überarbeiten. Der Fehler führte zudem zu einer Krise in der Regierung, weil die PSOE den Reformvorschlag einbrachte, ohne vorher eine Einigung mit Podemos erzielt zu haben – und das im Wahljahr: Heuer stehen Kommunal- und Regionalwahlen sowie zum Jahresende eine Parlamentswahl auf dem Programm.

PSOE und Podemos konnten sich bisher nicht einigen, wie das Gesetz korrigiert werden soll. Deshalb wurde nicht ausgeschlossen, dass die PSOE das Gesetz mit den Stimmen der konservativen Opposition gegen den eigenen Koalitionspartner durch das Parlament bringen könnte. Das könnte am 9. März geschehen, einen Tag nach dem Internationalen Frauentag. „Wir wollen keine Rückkehr zu einem patriarchalischen System, in dem man als Opfer gefragt wurde, ob man die Beine richtig geschlossen hatte“, wetterte Montero. PSOE-Fraktionssprecher Patxi Lopez wies solche Befürchtungen jedoch zurück und beteuerte, man werde vom Prinzip der Zustimmung aller Beteiligten bei sexuellen Handlungen nicht abrücken.

Das Gesetz hatte auch „einschüchternde“ Komplimente sowie die Verbreitung von Sexvideos unter Strafe gestellt. Mit ihrem Vorstoß reagierte die Regierung im vorigen Jahr auf mehrere Fälle von Gruppenvergewaltigungen, bei denen die Täter mit relativ milden Strafen davongekommen waren.