Zugsunglück: Gewaltsame Proteste in Athen

Bei einer Protestkundgebung nach dem schweren Zugsunglück in Griechenland mit 57 Toten haben heute vor dem Parlament in Athen Demonstrierende der Polizei gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Einige Demonstrierende setzten Mülltonnen in Brand und warfen Molotowcocktails, worauf die Polizei mit Tränengas und Blendgranaten reagierte, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten.

Nach Angaben der Polizei hatten sich rund 12.000 Menschen vor dem Parlament zu einer Protestkundgebung versammelt. Sie ließen Hunderte schwarze Ballons in den Himmel steigen, um der Toten des Unglücks nahe der Stadt Larisa zu gedenken.

Auf der Strecke zwischen Athen und der Hafenstadt Thessaloniki waren am Dienstagabend kurz vor Mitternacht ein Personenzug und ein auf demselben Gleis entgegenkommender Güterzug frontal zusammengestoßen. Es war das schwerste Zugsunglück in der Geschichte des Landes und führte zu breitem Protest, bei dem Tausende Menschen Versäumnisse bei der Modernisierung des griechischen Schienennetzes anprangerten.

Details werfen Fragen auf

Immer mehr Details zu dem Frontalzusammenstoß kommen nun ans Licht und offenbaren Versagen auf ganzer Linie. Allein schon der Werdegang des Bahnhofsvorstehers, der den entscheidenden Fehler machte und den Personenzug auf die falschen Gleise schickte, wirft unzählige Fragen auf.

Der Mann, der im Laufe des heutigen Tages erneut befragt werden soll, ist 59 Jahre alt und hatte erst im vergangenen Jahr seine Ausbildung als Bahnhofsvorsteher begonnen, obwohl die Altersgrenze für die Ausbildung bei 42 Jahren liegt, wie griechische Medien berichteten. Zuvor arbeitete er als Gepäckträger sowie als Bote im Kulturministerium.

Der Mann hätte also gar nicht erst ausgebildet werden dürfen und war Berichten zufolge völlig überfordert. Auch saß er tagelang ohne einen erfahreneren Kollegen auf dem wichtigen Posten auf dem Bahnhof der Stadt Larisa. Nachdem er den Zug auf die falschen Gleise geschickt hatte, soll er elektronische Hinweise und auch Nachfragen sowohl von einem der betroffenen Lokführer als auch von einem Bahnhofsvorsteher auf einem der nächsten Bahnhöfe ignoriert haben, berichtete die „Kathimerini“. Minutenlang seien die Züge deshalb ungehindert aufeinander zugerast, bevor es zu dem fatalen Frontalzusammenstoß kam.

Mitsotakis entschuldigte sich

Heute entschuldigte sich Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis dafür in sozialen Netzwerken umfangreich. „Als Ministerpräsident schulde ich allen, vor allem aber den Angehörigen der Opfer, eine große Entschuldigung – sowohl persönlich, als auch im Namen all derer, die das Land jahrelang regiert haben“, schrieb Mitsotakis und gestand ein: „Wir können, wollen und dürfen uns nicht hinter menschlichem Versagen verstecken.“ Der Unfall wäre praktisch unmöglich gewesen, hätte die Elektronik funktioniert.

Auch Papst Franziskus brachte heute seine Anteilnahme mit den Opfern und Angehörigen des Zugsunglücks zum Ausdruck. „Viele waren junge Studenten. Ich bete für die Verstorbenen, ich bin den Verletzten und Angehörigen nahe“, sagte das Kirchenoberhaupt beim sonntäglichen Angelus-Gebet im Vatikan. Und weiter: „Möge die Gottesmutter sie trösten.“