Kunden in einem US-Supermarkt
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„Gesundes“ Essen in USA

Industrie läuft gegen geplantes Label Sturm

Die US-Behörde FDA will ihre Kennzeichnung von „gesundem“ verpacktem Essen aktualisieren und die Regeln verschärfen. Das betrifft etwa den Gehalt von Fett, Salz und Zucker. Die Hersteller gehen geschlossen auf die Barrikaden: Sie meinen, dass kaum noch verpackte Lebensmittel unter die neuen Regeln fallen würden.

Erbitterter Widerstand war schon im vergangenen September absehbar, als die Food and Drug Administration (FDA) ihre Pläne für das „Healthy“-Label auf verpackten Lebensmitteln ankündigte. Die Kennzeichnung sollen nur noch Produkte führen dürfen, wenn sie eine bestimmte Menge an Obst, Gemüse oder Milchprodukten umfassen sowie Grenzwerte für gesättigte Fettsäuren, Salz und Zucker einhalten.

Die FDA gab die Kennzeichnung erstmals 1994 aus, seither hätten sich die Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft drastisch geändert. Zum Beispiel erfüllten bestimmte Cerealien mit hohen Mengen an zugesetztem Zucker immer noch die Definition von „gesund“, aber auf Lachs, der reich an nützlichen mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist, treffe das nicht zu, so die FDA.

Viele Menschen wüssten nicht, was gesunde Lebensmittel ausmache, sagte auch Gesundheitsminister Xavier Becerra. „Der Schritt der FDA wird dazu beitragen, mehr Amerikaner aufzuklären, um die Gesundheitsergebnisse zu verbessern, gesundheitliche Ungleichheiten anzugehen und Leben zu retten.“

Ungesünderes Essen als Gegenreaktion

Doch so sehen das die Hersteller nicht – viele kommen vor allem durch die neuen Kriterien für den Zuckergehalt in Bedrängnis. So etwa Conagra Brands, der Mutterkonzern der beliebten Marke Healthy Choice. Sie stellt „Convenience-Food“ her, Essenspakete, die Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner mittags in der Mikrowelle der Büroküche aufwärmen. Im Jahr verkauft Healthy Choice mehr als 200 Millionen solcher Mahlzeiten, die meisten durften bisher das Label „Healthy“ tragen.

„Wenn der Vorschlag der FDA in seiner jetzigen Form angenommen wird, so sind wir überzeugt, dass Unternehmen wie Conagra jeden Anreiz haben, ihre Innovationsbemühungen weg von als ‚gesund‘ gekennzeichneten Produkten hin zu weniger gesunden Optionen zu verlagern“, zitierte die „Washington Post“ einen Kommentar des Konzerns an die FDA.

Dieser Ansicht schlossen sich Dutzende weitere Lebensmittelhersteller und Konzerne an. Die neuen Standards seien drakonisch und würden dazu führen, dass die meisten der aktuellen Produkte nicht den Kriterien entsprechen und zu schlechteren Alternativen führen würden.

Zucker und Krankheit: „Kein wissenschaftlicher Konsens“

Scharfe Geschütze fuhr auch die Consumer Brands Association, ein Dachverband über 1.700 großer Lebensmittelunternehmen, auf. Sie schrieb eine 54 Seiten starke Stellungnahme an die FDA, die der Behörde gar die Autorität absprach: Man schätze die Bemühungen, zugesetzten Zucker in Mahlzeiten in Maßen zu halten, aber sei „besonders besorgt über die übermäßig strengen vorgeschlagenen Schwellenwerte“.

Der restriktive Ansatz sei ungerechtfertigt, „da kein wissenschaftlicher Konsens über die Beziehung zwischen Zuckeraufnahme und ernährungsbedingten Krankheiten besteht“, erklärte der Verband. Die vorgeschlagenen neuen Regeln würden, so sie umgesetzt würden, die verfassungsrechtlich zugesicherten Rechte der Lebensmittelunternehmen verletzen und sowohl Verbrauchern als auch Herstellern schaden.

Starke Phalanx

Praktisch alle Bereiche der US-Lebensmittelindustrie sind empört über die geplanten Kriterien: Auf der entsprechenden Homepage gingen bisher mehr als 400 Stellungnahmen ein. Suppenhersteller lehnten die Salzgrenzwerte ab, die Milchwirtschaft meinte, dass nicht einmal mehr Hüttenkäse als „gesund“ gekennzeichnet werden könnte.

Unternehmen für Babynahrung beklagen, dass das neue Regelwerk wahrscheinlich zu einem unbeabsichtigten Ausschluss einiger nährstoffreicher Produkte führen könnte. Und allgemein ist der Tenor, dass der Begriff „gesund“ ohnehin ungeeignet sei, abseits des gesamten Lebensstils und ohne Kontext für einzelne Produkte verwendet zu werden.

„Was wir essen, wie und wann, sogar mit wem wir essen, und unser Lebensstil beeinflussen, was für eine Gruppe oder eine Einzelperson gesund ist. ‚Gesund‘ ist ein Lebensstil, der Bewegung, geistiges Wohlbefinden und andere Aspekte über das Essen hinaus umfasst“, so etwa die American Cheese Society.

Wirkung begrenzt

Ob die neue Kennzeichnung wie geplant kommt, ist unklar. Offenbar glaubt die FDA laut „Washington Post“ selbst ohnehin nicht an eine allzu weitreichende Wirkung ihres Labels. „Einige Verbraucher verwenden Angaben zum Nährstoffgehalt wie ‚gesund‘, um sich über ihre Lebensmittelkäufe zu informieren. Wir schätzen, dass eine kleine Anzahl (0 bis 0,4 Prozent der Menschen, die versuchen, die aktuellen Ernährungsrichtlinien zu befolgen) dieser Verbraucher die implizite Aussage ‚gesund‘ zum Nährstoffgehalt verwenden würde, um sinnvolle, langlebige Kaufentscheidungen für Lebensmittel zu treffen.“

Deutlicher wurde die Forscherin Eva Greenthal vom Center for Science in the Public Interest gegenüber CNN: „Die potenziellen Auswirkungen sind ziemlich begrenzt.“ Die Anzahl der Produkte, die das Label bisher trugen, sei ohnehin klein, und eine weitere Verschärfung könne dazu führen, dass sie weiter schrumpft. Laut Green liege der Knackpunkt darin zu wissen, wann ein Lebensmittel nicht nahrhaft ist. Der Begriff "gesund“ helfe hier nicht weiter. Stattdessen solle man sich eher an Ländern wie Großbritannien orientieren, wo Etiketten die Verbraucher warnen, wenn Lebensmittel einen hohen Gehalt an Salz, Zucker oder gesättigten Fettsäuren aufweisen.

In Österreich sind Nährwertangaben auf verpackten Lebensmitteln Pflicht. Dazu zählen Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlehydrate, Zucker, Eiweiß und Salz. Bei gefrorenem Fleisch, Fleischerzeugnissen und unverarbeiteten Fischprodukten muss das Einfrierdatum angegeben werden. Zudem muss die Herkunft von Rindfleisch, verpacktem frischem Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch gekennzeichnet sein.