der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud
AP/Mast Irham
Diplomatischer Coup

Teheran und Riad wollen Eiszeit beenden

Nach jahrelanger Eiszeit, die im Nahen Osten die Spannungen gefährlich erhöht hat, wollen der Iran und Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen. Der Deal kam offenbar unter Vermittlung Chinas zustande. Gelingt die Annäherung, wäre das für Peking ein wichtiger Erfolg als geopolitischer Player vis-a-vis den USA.

In einem ersten Schritt wollen sich die Außenminister der rivalisierenden Länder treffen, wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA und die saudische Staatsagentur SPA am Freitag berichteten.

Gelingt diese Annäherung, würde das die geopolitische Lage im Nahen Osten grundlegend verändern. Das gemeinsame Statement wurde zusammen mit China veröffentlicht, das den Deal eingefädelt hat. Für Peking könnte der Vermittlungserfolg eine wohl nachhaltige Stärkung seiner angestrebten Rolle als Supermacht bringen. Für die Region könnte es idealerweise bedeuten, dass zahlreiche Stellvertreterkonflikte beendet oder zumindest entschärft werden – insbesondere der Bürgerkrieg im Jemen.

Schwere Schlappe für USA

Für den Westen, insbesondere für die USA, ist das eine schwere diplomatische Schlappe, die wohl auch auf der Grundlage des spannungsgeladenen Verhältnisses zwischen US-Präsident Joe Biden und dem mächtigen saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman erwuchs.

Auch für Israel ist die Einigung zumindest auf den ersten Blick wenig erfreulich. Dessen Premier Benjamin Netanjahu hatte gehofft, über eine gemeinsame Allianz gegen die Beinahe-Atommacht Iran mit den USA und Saudi-Arabien einen Friedensschluss mit Riad aushandeln zu können.

Der chinesische Präsident Xi Jinping und der iranische Präsident Ebrahim Raisi
AP/Xinhua/Yan Yan
Der iranische Präsident Ibrahim Raisi reiste noch im Februar nach Peking. Da dürfte der Deal mit Riad wohl Thema gewesen sein.

Zusammenhang mit saudisch-israelischen Gesprächen?

Interessant ist freilich die zeitliche Koinzidenz von US-amerikanischen Medienberichten, wonach Gespräche zwischen Saudi-Arabien und Israel demnächst ebenfalls einen Durchbruch und eine „Normalisierung“ bringen könnten. Hier seien die USA als Vermittler stark involviert, berichteten „Wall Street Journal“ und „New York Times“ erst am Donnerstag. Offiziell bestätigt wurden diese Berichte von keiner Seite. Unklar ist zudem, ob die beiden diplomatischen Initiativen in einem Zusammenhang zueinander stehen.

US-Präsident Biden betonte am Freitag in Reaktion auf die saudisch-iranische Annäherung, je besser die Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Nachbarn, desto besser sei es für alle. Zuvor hatte ein Sprecher des Weißen Hauses betont, es sei unklar, ob der iranisch-saudische Deal eine Normalisierung der saudisch-israelischen Beziehungen mit sich bringen könnte.

Mehrjährige Gespräche

Die Einigung wurde laut Agenturberichten bei Gesprächen zwischen hochrangigen Vertretern der beiden um die Vormacht im Nahen Osten rivalisierenden Mächte in Peking erreicht. „Als Ergebnis der Gespräche vereinbarten der Iran und Saudi-Arabien, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen und die Botschaften innerhalb der nächsten zwei Monate wieder zu öffnen“, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA.

In der gemeinsamen Stellungnahme wurden als Grundlinien der gegenseitige Respekt der Souveränität und die Nichteinmischung in interne Angelegenheiten festgehalten. Letzteres ist auch ein von China gern vertretenes Grundprinzip, mit dem sich Peking etwa Kritik an der Menschenrechtslage im Land, etwa die Unterdrückung der Uiguren, verbittet. Im Iran läuft seit Monaten eine Protestwelle, die das Regime stark unter Druck bringt.

Sicherheitspolitische Kooperation

Laut saudischen Medienberichten wurde zudem vereinbart, ein bereits 2001 geschlossenes Abkommen über Sicherheitskooperation umzusetzen. Auch ein früheres Handels- und Investitionsabkommen wird laut den Berichten reaktiviert.

Chinas Chefdiplomat Wang Yi sagte, die Einigung zeige, dass es noch etwas anderes als den Ukraine-Krieg gebe. Es sei ein „gutes Zeichen“ für eine aktuell turbulente Welt. China habe als „verlässlicher“ Mediator und Gastgeber für die beiden Länder agiert. Und Wang Yi unterstrich Pekings Anspruch: China werde weiter eine „konstruktive Rolle“ in Konflikten übernehmen und „unsere Verantwortung als großes Land demonstrieren“.

Lob für Peking

Der iranische Vertreter Ali Schamchani, der das Abkommen gemeinsam mit dem saudischen Nationalen Sicherheitsberater Musaid bin Mohammed al-Iban unterfertigte, lobte Chinas Rolle als Vermittler. Riad und Teheran dankten dem Irak und Oman dafür, in den letzten beiden Jahren als Gastgeber für Verhandlungen fungiert zu haben.

Der saudische Verhandler Iban zeigte sich in der Wortwahl vorsichtiger – möglicherweise auch ein Hinweis, dass der Weg zur Annäherung holprig werden könnte. Er sagte, Riad begrüße die Initiative von Chinas Präsident Xi Jinping, die Beziehungen zwischen Teheran und Riad zu „entwickeln“. Man schätze, was erreicht worden sei, und „wir hoffen, einen konstruktiven Dialog fortzusetzen“.

Zurückhaltende USA

Das Weiße Haus betonte, man kenne die Berichte. Generell werde jede Form der Annäherung, die beispielsweise dabei hilft, den Bürgerkrieg im Jemen zu beenden, begrüßt, hieß es in einer ersten kurzen Reaktion. Laut Weißem Haus habe Riad Washington über die Gespräche mit Teheran auf dem aktuellen Stand gehalten, die USA seien aber nicht involviert gewesen. John Kirby, Sprecher des Weißen Hauses, betonte, die USA hätten den Prozess als Mittel, den Krieg im Jemen und die „iranische Aggression“ zu beenden, unterstützt. Riad ist ein jahrzehntelanger enger Partner der USA, während Teheran mit Russland und China alliiert ist.

Oman und der Irak – beide waren ebenfalls in die Vermittlungsbemühungen involviert – begrüßten die Einigung als „Wendepunkt“. Auch die wichtige Regionalmacht Ägypten begrüßte die Verständigung. Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen betonten, die Normalisierung der Beziehungen in der Region sei „nötig“. Auch die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon begrüßte den Schritt.

Zwei führende Regionalmächte

Der Iran ist das führende schiitische Land und die Ölmacht Saudi-Arabien mit den heiligen Stätten Mekka und Medina die führende sunnitische Macht. Seit Jahren waren sie tief verfeindet und führten in der gesamten Region Stellvertreterkriege – vom Jemen bis Syrien.

Riad brach die Beziehungen 2016 ab, nachdem die saudische Botschaft in Teheran gestürmt worden war. Davor waren die Spannungen wegen der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien eskaliert.