Blick über Rom
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Rom

Hoffnung im Kampf gegen ewige Probleme

Seit sechzehn Monaten ist Roberto Gualtieri Bürgermeister von Rom, seine bisherige Bilanz ist durchwachsen. Die ewigen Probleme mit dem Müll und dem unzulänglichen öffentlichen Verkehr bestehen nach wie vor, wurden teils noch schlimmer. Doch die Zeit arbeitet für ihn: In den kommenden vier Jahren steht dem Sozialdemokraten ein Budget von 13 Milliarden Euro zur Verfügung, um die Stadt zu revitalisieren.

Neben Geldern aus Italiens Nationalem Aufbau- und Resilienzplan (Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza, PNRR) kann die Stadt Mittel aus dem Postpandemiefonds der EU sowie Einnahmen für die Ausrichtung des katholischen Jubiläumsjahres im Jahr 2025 abrufen. Weitere sechs Mrd. Euro könnten fließen, wenn es Rom gelingen würde, die saudi-arabische Hauptstadt Riad auszustechen und den Zuschlag für die Weltausstellung 2030 zu erhalten.

„Wir führen das größte Investitionsprogramm des letzten Jahrzehnts durch, um die Stadt zu modernisieren“, sagte Bürgermeister Gualtieri dieser Tage in einem Interview mit Bloomberg. Ziel sei es, „nicht nur die Dienstleistungen der Stadt effizienter zu machen, was in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde, sondern Rom auch an die Spitze punkto Digitalisierung, technologischer Innovation und Nachhaltigkeit zu bringen.“

Roberto Gualtieri
Reuters/Guglielmo Mangiapane
In medialen Analysen wird die bisherige Amtszeit Gualtieris als nicht sonderlich geglückt bezeichnet

Milliardenspritze für marode Metro

Mehrere Milliarden Euro sollen in die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs in Rom fließen. Bis 2033 sollen die Verlängerung der drei U-Bahn-Linien und die Überarbeitung eines alten, bis dato nicht realisierten Projekts – die Errichtung einer vierten Linie – abgeschlossen sein. Gualtieri ist dabei sehr um die Zusammenarbeit mit Italiens rechter Regierung bemüht, wie die Onlinezeitung Il Post unlängst schrieb. Sowohl im Dezember als auch Anfang Februar besuchte Verkehrsminister Matteo Salvini die Baustelle der Metro C in Begleitung von Gualtieri.

Für die Bürgerinnen und Bürger Roms ist das fraglos ein erfreulicher Ausblick, derzeit überwiegt aber noch der Unmut: Aufgrund langwieriger und strukturell unerlässlicher Renovierungsarbeiten wurde die U-Bahn-Linie A mehrere Monate lang um 21 Uhr geschlossen, die Linie B ist das voraussichtlich noch das ganze Jahr. Das übrige Verkehrsnetz der Stadt ist zu kärglich, um den Ausfall kompensieren zu können.

U-Bahn-Station in Rom
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Ärger über den öffentlichen Verkehr gehört in Rom zum Alltag

Kampf den Müllbergen

Weitere Finanzierungspläne Gualtieris sehen die Installation einer modernen 5-G-Infrastruktur für die ganze Stadt vor. Außerdem will er die Neugestaltung von Parks und historischen Gärten beauftragen und virtuelle Möglichkeiten für Touristen und Touristinnen schaffen, das reiche historische Erbe Roms zu erkunden. In den Niederungen der Politik schwelt aber sein größtes Reformprojekt, das gleichzeitig auch sein wichtigstes Wahlkampfversprechen war: die italienische Hauptstadt endlich von ihren Müllbergen zu erlösen.

Das Problem besteht seit vielen Jahren. Bis 2013 wurden die knapp 5.000 Tonnen Abfall, die damals täglich in Rom anfielen, auf die offene Deponie Malagrotta vor den Toren der Stadt gefahren. Dann musste Europas größte Mülldeponie schließen, sie widersprach allen EU-Normen und war restlos überfüllt. Ein neues Entsorgungskonzept lag aber nicht vor.

Der Großteil des Mülls wird seitdem in vier TMB (Trattamento meccanico-biologico; mechanisch-biologische Verarbeitung)-Anlagen nahe Rom gekarrt. Dort werden biologische Abfälle aussortiert, was übrigbleibt, wird zu Müllverbrennungsanlagen gebracht. Der Haken dabei: Rom verfügt über keine einzige einer solchen Anlage, der Müll muss in diverse Städte Italiens exportiert werden, bis vor fünf Jahren landete er teils auch in Österreich.

Wildschweine auf den Straßen

Als im Juni letzten Jahres eine der TMB-Anlagen auf dem Areal der ehemaligen Riesendeponie Malagrotta abbrannte, wallte der Müllnotstand wieder auf. Der Unrat kehrte auf die Straßen, zumindest außerhalb des Zentrums, zurück, und mit ihm die Wildschweine, die längst zur Plage geworden und mittlerweile zum Abschuss freigegeben sind.

Übergehende Mistkübel in Rom
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Die Müllberge konnten bisher nicht aus Roms Stadtbild vertrieben werden

Noch ehe das Müllproblem im Sommer 2022 wieder eskalierte, versprach Gualtieri den Bau einer Müllverbrennungsanlage für Rom, um das Problem ein für alle Mal zu lösen. „Es ist Zeit, die Geschichte zu beenden, die schon viel zu lange dauert“, sagte Gualtieri, der rund eineinhalb Jahre auch italienischer Finanzminister war.

Das Vorhaben war lange Zeit umstritten, die Vorgängerverwaltung der Fünf-Sterne-Politikerin Virginia Raggi verweigerte den Bau und bekam dabei Unterstützung von Umweltverbänden: Primäres Ziel müsse stattdessen sein, den Anteil von Trennmüll zu erhöhen. Das Gegenargument lautet, dass die Abfallsituation in Rom so dramatisch sei, dass eine eigene Müllverbrennungsanlage die einzig mögliche Lösung darstelle.

Lasche Verwaltung als Bremsklotz

An mangelnden Geldern sollten Gualtieris weitreichende Pläne nicht scheitern, vielmehr droht ein weiteres altbekanntes Übel Roms: die Unzulänglichkeit, die im Haushalt vorgesehenen Mittel auch angemessen auszugeben. Das Problem hat mehrere Ursachen, vor allem aber fehlt es an qualifizierten öffentlichen Bediensteten, sprich: Viele Ämter machen ihre Arbeit nicht, schlecht oder langsam.

In seinem 2020 erschienenem Buch „Roma come se“ bezeichnet der ehemalige stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Walter Tocci, die Stadtverwaltung als „nahe dem Kollaps". Das Ergebnis beschreibt Tocci anhand der Stadtfinanzen Roms aus dem Jahr 2018: „545 Millionen Euro, etwa elf Prozent der Einnahmen, wurden nicht für laufende Ausgaben verwendet. Diese Summe, die in der Haushaltsprognose in vollem Umfang zur Verfügung stand, hätte es ermöglicht, die Dienstleistungen der Stadt zu erweitern und zu verbessern.“

Sollte es Gualtieri gelingen, hieß es in Il Post, den Verwaltungsapparat zum Funktionieren zu bringen und die bereits bewilligten oder zugesagten Mittel sinnvoll einzusetzen, bestünde die Hoffnung, die chronische Unzufriedenheit der Römer und Römerinnen mit ihrer Stadtregierung zu schmälern. Der Bürgermeister selbst ist optimistisch: Die "Konstellation der Sterne“ spreche dafür, dass eine Erneuerung der als unregierbar geltenden Stadt glücken werde.