Ein ukrainischen Getreideschiff im Hafen von Odessa
AP/David Goldman
Ukraine-Krieg

Getreideabkommen für 60 Tage verlängert

Russland hat einer Verlängerung der Vereinbarung über die weiteren Exporte von ukrainischem Getreide über drei Schwarzmeer-Häfen nach eigenen Angaben zugestimmt – allerdings nur für weitere 60 Tage. Das geht aus einer Mitteilung des stellvertretenden Außenministers Sergej Werschinin hervor, die am Montagabend auf der Website der russischen Botschaft in Genf veröffentlicht wurde.

Dort hatten Vertreter Russlands mit den Vereinten Nationen (UNO) verhandelt. Mit dem Getreideabkommen von Juli 2022 war auch ein Versprechen der UNO verbunden, sich für eine Erleichterung russischer Exporte vor allem von Düngemitteln einzusetzen.

Ob und in welchem Umfang es hier Zugeständnisse gab, bleibt offen. Russland fordert in diesem Zusammenhang, dass Bankzahlungen, Transportlogistik und Versicherungen erleichtert werden sowie die russische Pipeline für Ammoniak, die durch die Ukraine führt, wieder geöffnet wird. Seit dem russischen Angriff auf das Nachbarland im Februar 2022 ist sie nicht mehr in Betrieb.

Getreidedeal wird verlängert

Die Ukraine darf ihr Getreide für weitere 60 Tage exportieren. Russland hat der Verlängerung des Abkommens zugestimmt.

Ukraine noch abwartend

Werschinin sagte nach Gesprächen mit der UNO, sein Land habe „keine Einwände gegen eine weitere Verlängerung der Schwarzmeer-Initiative nach deren zweitem Auslaufen am 18. März, aber nur für 60 Tage“. „In der Tat ist das Abkommen verlängert worden. Es ist vereinbart worden, dass es um 60 Tage verlängert wird“, zitierte die russische Nachrichtenagentur TASS am Dienstag zudem Russlands Vizeaußenminister Alexander Gruschko.

Der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow sagte, die 60-tägige Verlängerung widerspreche zwar „dem von der Türkei und der UNO unterzeichneten Dokument“. Kiew verwies auf die Vereinbarungen des zuvor unterzeichneten Abkommens über je eine 120-tägige Dauer. Die Ukraine werde die Verlängerung akzeptieren, man warte aber noch „auf die offizielle Position der UNO und der Türkei als Garanten der Initiative“.

Aus Russland gab es zunächst widersprüchliche Berichte über die Dauer der Verlängerung. So meldete TASS Dienstagfrüh unter Berufung auf Insider, das Abkommen werde nach Ablauf am 18. März automatisch verlängert, wenn es keine Einwände der beteiligten Parteien gebe. Die Länge der Vereinbarung spiele dabei keine Rolle, sagte laut TASS eine mit den Verhandlungen vertraute Person. „Wenn das Abkommen um 60 Tage verlängert wird, wird es nach dem 18. März in Kraft bleiben, und nach 60 Tagen könnte eine der Parteien die Frage der Beendigung der Vereinbarung aufwerfen.“

Verlängerung nach Guterres-Besuch in Kiew

Die unter Vermittlung der UNO und der Türkei zustande gekommene Schwarzmeer-Getreide-Initiative-Vereinbarung hatte zunächst für 120 Tage gegolten und war einmal um 120 Tage verlängert worden. Sie wäre am Wochenende ausgelaufen. Russland hatte Getreideausfuhren über die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen im Februar 2022 zunächst blockiert, später wurde das Abkommen erreicht.

Vor der nun erfolgten Zusage Russlands für einer Verlängerung hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in der vergangenen Woche bei einem Kiew-Besuch grünes Licht für eine Fortsetzung des Deals erhalten. Um die russischen Bedenken auszuräumen, hatte die UNO-Spitzendiplomatin Rebeca Grynspan am Montag in Genf Verhandlungen mit Kreml-Vertretern aufgenommen.

Die fragile Struktur des Abkommens zeigt sich darin, dass innerhalb der UNO zwei Stellen für die Abwicklung der Exporte zuständig sind. Während die russischen Düngemittelexporte in die Zuständigkeit Grynspans als Generalsekretärin der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fallen, koordiniert der Chef des UNO-Nothilfebüros (OCHA), Martin Griffiths, die ukrainischen Getreideexporte.

Rund 24 Millionen Tonnen Agrargüter exportiert

Im Rahmen des UNO-Getreideabkommens wurden seit August rund 24,1 Millionen Tonnen Agrargüter exportiert, um die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachte weltweite Nahrungsmittelknappheit zu lindern. Die größten Abnehmer sind China, Spanien, die Türkei, Italien und die Niederlande.

Mit 5,2 Millionen Tonnen ist aktuell China der größte Profiteur des Abkommens. So nahmen die drei Schiffe, die am Freitag im Rahmen der UNO-Initiative ausliefen, allesamt Kurs auf chinesische Häfen. Sie hatten 134.000 Tonnen Mais und Gerste geladen. Etwa 100 Güterzüge wären nötig, um dieselbe Menge Getreide per Bahn zu transportieren.

4,1 Millionen Tonnen Agrargüter gingen bisher nach Spanien, gefolgt von der Türkei (2,7 Millionen), Italien (1,8 Millionen) und den Niederlanden (1,5 Millionen). Erst an sechster Stelle folgt mit Ägypten (850.000 Tonnen) eines der besonders von ukrainischem Getreide abhängigen Länder. Die Länderliste sagt aber nur bedingt etwas über die Endverbraucher aus. So liegen etwa die Niederlande deshalb so weit vorne, weil sie mit Rotterdam einen der weltweit größten Häfen beherbergen.

Koordinationszentrum in Istanbul

Das Abkommen ermöglicht Exporte aus den ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschny. Dreh- und Angelpunkt der Vereinbarung ist ein von den vier Vertragsparteien betriebenes Gemeinsames Koordinationszentrum (JCC) in Istanbul, das die Schiffsbewegungen überwacht.

Schiffe werden nämlich nur durchgelassen, wenn ihre Ladung von Inspektoren der Vereinten Nationen, der Türkei, der Ukraine und Russlands überprüft wurde. Wie es im Jänner von den Vereinten Nationen hieß, dauert es durchschnittlich drei Wochen vom Exportantrag bis zur Inspektion.

Das Koordinationszentrum nahm am 27. Juli seine Arbeit auf. Am 1. August verließ das erste Schiff mit 26.000 Tonnen Getreide an Bord den Hafen Odessa in Richtung Ägypten. Monatlich werden rund 100 Schiffstransporte abgewickelt. Das 807. Schiff lief am Montag in Odessa aus, um 66.000 Tonnen Mais nach Spanien zu bringen. Von der bisherigen Tonnage entfielen 49 Prozent auf Mais, 27 Prozent auf Getreide und zehn Prozent auf Sonnenblumenderivate. Neben ukrainischen Agrargütern werden auch russische Düngemittel im Rahmen der Vereinbarung exportiert.

„Hoffnungsschimmer“

Das Abkommen ist einer der wenigen Lichtblicke im Krieg und geht auf eine Initiative von Guterres zurück. Dieser hatte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Kreml-Chef Wladimir Putin Ende April 2022 eine entsprechende Vereinbarung vorgeschlagen.

Später schaltete sich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als Vermittler ein. In den zähen Verhandlungen ging es vor allem um Sicherheitsbedenken Russlands, das eine Stärkung der Ukraine verhindern wollte. Am 22. Juli wurde das Abkommen in Istanbul im Beisein Guterres’, Erdogans, des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu und des ukrainischen Infrastrukturministers Olexandr Kubrakow unterzeichnet. Guterres hatte das Abkommen bei der Unterzeichnung am 27. Juli in Istanbul als dringend benötigten „Hoffnungsschimmer“ gewürdigt.