Tischler an einer Säge in einer Tischlerei
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Politpläne

Sägen am teuren Meister

Wer Meister bzw. Meisterin werden möchte, muss tief in die Geldbörse greifen. Denn für Vorbereitungskurse und Prüfungsgebühren können schon mal mehrere tausend Euro anfallen. In Zeiten, in denen händeringend nach Fachkräften gesucht wird, gelten die hohen Aus- und Weiterbildungskosten als kontraproduktiv. Die Politik plant eine Änderung, mit Details hält man sich allerdings noch zurück.

„Ich will, dass die Meisterprüfung genauso kostenlos ist in Österreich wie ein Studienabschluss“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zuletzt bei seiner „Rede zur Zukunft der Nation“. Während sich Grüne und ÖVP bei einigen Ansagen und Wünschen des Kanzlers uneins sind, teilen sie das gemeinsame Ansinnen, die hohen Prüfungsgebühren im Handwerk abzuschaffen. Die Grünen wollen eine Reform noch dieses Jahr, das ÖVP-geführte Arbeitsministerium will noch prüfen.

„Angesichts des hohen Fachkräftebedarfs der kommenden Jahre ist es wichtig, dass wir die duale Ausbildung noch attraktiver machen. Genauso wie bei einem Studium soll auch die Prüfung zur Meisterin oder zum Meister kostenlos sein“, ließ ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher über eine Aussendung mitteilen. Auf ORF.at-Nachfrage teilte das Ressort mit, dass es derzeit kein fertiges Konzept gebe. Das Ziel sei aber, dass das Vorhaben in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird.

Hohe Kurskosten meist selbst getragen

So vage wie der Zeitplan ist auch die Ausgestaltung des Pakets. Denn unklar ist derzeit, ob nur die Prüfungsgebühren oder alle Kosten, die bis zum Meister anfallen, abgeschafft bzw. gefördert werden sollen. Entscheidet sich die Politik für die breitere Variante, wären auch die Kosten für die Vorbereitungskurse umfasst. Diese werden zum Beispiel vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer (WIFI) und von den Fachinnungen angeboten.

Meisterprüfung

Ab dem 18. Lebensjahr können Personen die Meister- oder Befähigungsprüfung ablegen. Mit der Meisterprüfung sind Fachkräfte befähigt, einen Betrieb zu führen und Lehrlinge auszubilden. Für eine große Zahl von weiteren reglementierten Gewerben ist für die selbstständige Ausübung des Gewerbes eine Befähigungsprüfung vorgesehen.

Im Gegensatz zu den Prüfungsgebühren sind die Kosten für die Vorbereitungskurse gesetzlich nicht geregelt. Die Preise, die zum Teil mehrere tausend Euro betragen, legen die Anbieter selbst fest. Die Vorbereitungskurse sind zwar nicht verpflichtend, um zu einer Prüfung anzutreten. Dennoch werden sie von den Kandidatinnen und Kandidaten sehr gut besucht, wie Sabine Tritscher-Archan vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) sagt. Die Forscherin hat 2016 eine ausführliche Studie über die Meisterprüfungen verfasst.

„In erster Linie erhoffen sich die meisten, dass sie in den Kursen eine theoretische Fundierung erhalten. Außerdem gab die Mehrheit an, dass sie Selbstvertrauen aufbauen, wenn sie den Stoff durchgehen“, sagt Tritscher-Archan. Laut einer aktuellen Studie ihres Kollegen Helmut Dornmayr, die bald veröffentlicht wird, würden fast 80 Prozent die Kosten selbst tragen. In den restlichen Fällen seien die Kosten zum Teil oder zur Gänze durch den Arbeitgeber, in wenigen Fälle auch durch Förderungen gedeckt.

Frage nach dem Modell

Auf Nachfrage wollte sich das Arbeitsministerium nicht festlegen, ob die Abschaffungspläne auch die Kosten für die Vorbereitungskurse umfassen. Eine Sprecherin verwies auf laufende Gespräche mit dem Koalitionspartner und dem Finanzministerium. Klar sei aber, dass es aktuell für diese Kosten keine bundesweite Unterstützung gibt, sondern nur Länderförderungen, hieß es aus dem Ressort.

Im Regierungsprogramm hielten ÖVP und Grüne jedenfalls fest, dass man den „Erlass der Meisterprüfungsgebühren prüfen“ wolle. Jedoch können sich die Grünen ein größeres Paket vorstellen: „Aus grüner Sicht muss eine Abschaffung auch die Kosten für Vorbereitungskurse beinhalten“, so der Lehrlingssprecher der Grünen, Süleyman Zorba, im Gespräch mit ORF.at. Denn die Prüfungsgebühren würden nur einen geringen Teil der Gesamtkosten ausmachen.

Eine Automechanikerin bei der Arbeit
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Zu Meisterprüfungen treten hauptsächlich Personen an, die zuvor schon eine Lehrabschlussprüfung hinter sich haben

Die Wirtschaftskammer, die die Prüfungen in ihren Prüfungsstellen durchführt, hielt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber ORF.at mit, dass man die Ankündigung des Kanzlers begrüße und den zuständigen Arbeitsminister bei der Umsetzung unterstütze werde. „Wünschenswert ist aus unserer Sicht die Förderung der gesamten Kosten der Meisterausbildung. Derzeit werden die Meister- und Befähigungsprüfungen größtenteils von den Anwärter:innen selbst bezahlt.“

Aufwertung des Handwerks

Die Abschaffung der Kosten für die Meisterprüfung bzw. der gesamten Kosten der Meisterausbildung wäre ein weiterer Schritt, den die Politik und die Sozialpartner in Sachen Aufwertung des Handwerks setzen. In den vergangenen Jahren wurde nämlich schon an vielen Schrauben gedreht, um etwa die Lehre und den Meister attraktiver zu machen. So wurde etwa vor Jahren die Lehre mit Matura eingeführt und die Durchlässigkeit zu weiteren Bildungsmöglichkeiten erhöht.

Vor wenigen Jahren wurde zudem der Meistertitel quasi akademisiert. Seit September 2018 ist er dem Qualifikationsniveau 6 (Bachelor) des Europäischen Qualifikationsrahmens zugeordnet. Seit 2020 ist es für Meister und Meisterinnen auch möglich, den Titel in öffentliche Urkunden eintragen zu lassen.

Wesentlich breiter war der Einschnitt im Jahr 2002. Mit der Novelle der Gewerbeordnung wurde der Zugang zur Meisterprüfung geöffnet. Davor konnte Meister bzw. Meisterin nur werden, wer einen facheinschlägigen Lehrabschluss und Praxiserfahrung nachweisen konnte. Heute reicht es, volljährig zu sein.

Verantwortliche orten positiven Trend

Trotz der Maßnahmen ist die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr seit 2007 deutlich gesunken. Zuletzt ortete die Politik allerdings wieder einen positiven Trend, da die Zahlen nach einem Coronavirus-Einbruch wieder auf das Vorkrisenniveau stiegen. Ähnlich sieht es auch bei den Meister- bzw. Befähigungsprüfungen aus. Im vergangenen Jahr schlossen knapp 5.000 Personen eine solche positiv ab. Vor der Pandemie waren es rund 4.300 jährlich. Der Weg zur Prüfung führte meist über die Lehre. Vor allem Meister und Meisterinnen hatten vor der Prüfung bereits einen Lehrabschluss hinter sich.

Laut Angaben der Wirtschaftskammer erhoffen sich die meisten durch die Prüfung eine höhere Fachkompetenz, eine bessere Stellung am Arbeitsmarkt, ein höheres Gehalt und die Möglichkeit, selbstständig zu sein. Kritisch werden hingegen die Kosten der für die Vorbereitung gesehen, so ibw-Forscherin Tritscher-Archan. Neben der Höhe des Preises spiele auch der Vergleich zur Hochschule eine Rolle: „Viele fragen sich, warum ein Bachelor an Hochschulen quasi kostenlos ist, sie für Vorbereitungskurse aber tausende Euro aufbringen müssen.“

Neue höhere Berufsbildung

Aus der „Systemperspektive“ gebe es nach Ansicht von Tritscher-Archan eine „gewisse Schieflage“ in Österreich. Denn während der akademische Bereich großteils staatlich finanziert wird, sei die höhere berufsbildende Schiene für den Einzelnen kostenpflichtig. „Natürlich könnte man sagen, dass die Kurse ja ohnehin nicht verpflichtend sind. Aber sehr viele machen sie, weil sie sich ohne Kurs außerstande fühlen, die Prüfung zu bestehen“, betont die Forscherin.

Man dürfe außerdem nicht vergessen, dass die außerhochschulische höhere Berufsbildung wichtig für die Volkswirtschaft ist. „Viele Meister und Meisterinnen bilden Lehrlinge aus, dass aus ihnen später Fachkräfte werden“, so Tritscher-Archan. Aber derzeit sei die außerhochschulische höhere Berufsbildung in der Öffentlichkeit nicht so sichtbar wie die Hochschulbildung. Aus historischen Gründen würden hier die nötigen strukturellen Bedingungen fehlen, um die höhere Berufsbildung anerkannter und bekannter zu machen.

Das könnte sich womöglich in dieser Legislaturperiode noch ändern. Denn laut Regierungsprogramm will die Koalition die gesetzliche Grundlage für eine höhere Berufsbildung schaffen. Damit sollen Lehrlinge – ergänzend zum Meister und Befähigungsabschluss – die Möglichkeit erhalten, sich weiterzubilden. Geplant sind weitere Bildungspfade nach dem Lehrabschluss. Details sind aber noch ausständig, angekündigt war ein Entwurf für Ende 2022.