Seit Jahrhunderten, wahrscheinlich bereits seit der Antike, gibt es Textilrecycling in der Form der Wiederverwendung von Teilen von Stoffen, um daraus neues Gewand zu nähen bzw. umzuschneidern. Auch wurden die einzelnen Fäden der Kleidung aufgetrennt, um daraus etwa neue Textilen zu weben. Diese Verfahren sind vor allem manuell und daher auch sehr personal- und zeitintensiv.
Und sie gelten auch in Zeiten der Fast Fashion und anderer Billigtextilien als überholt. Man setzt auf mechanische und chemische Prozesse. Für einen Großteil der technischen Schwierigkeiten und Probleme beim Recycling ist die Zusammensetzung des Materials bzw. der Fasern ausschlaggebend. Die Mehrheit der Kleidungsstücke besteht aus Textilmischungen wie etwa Baumwolle mit Polyester.

Reißverschlüsse und Knöpfe als weitere Probleme
Doch auch bei der Angabe „100 Prozent reine Baumwolle“ können weitere Textilmaterialien nicht ausgeschlossen werden: Etwa die Fäden für die Nähte, aber auch Hosentaschen könnten aus Kunstfaser sein. Das macht auch hier Recyling-Prozesse schwieriger und komplizierter. Zusätzlich müssen etwa Reißverschlüsse und alle Arten von Knöpfen entfernt werden – dafür gibt es allerdings bereits auch automatisierte Verfahren.

Die Vorherrschaft von Polyester
Weltweit ist bei Textilien laut der global tätigen NGO Textile Exchange (dt.: Textilbörse) Polyester die am häufigsten verwendete Faser, schrieb die BBC. Insgesamt macht sie 54 Prozent der globalen Faserproduktion aus. An zweiter Stelle steht Baumwolle mit rund 22 Prozent.
Der Grund für die Vorherrschaft von Polyester sind die niedrigen Kosten von synthetischen Fasern auf fossiler Basis, die sie zu einer beliebten Wahl für Fast-Fashion-Marken machen, so die BBC weiter. Laut den Angaben kostet ein Kilo Polyester halb so viel wie ein Kilo Baumwolle.

Während die Kunststoffindustrie seit Jahrzehnten in der Lage ist, Polyethylenterephthalat, also reines Polyester (PET), etwa mit Enzymen abzubauen, macht es die Mischung bei Textilien äußerst schwierig, eine Faser zu recyceln, ohne die andere zu zersetzen.
Billige Kleidung als Bumerang
Laut Harald Cavalli-Björkman, zuständig für Strategie bei dem schwedischen Textilrecycling-Unternehmen Renewcell, hat Fast Fashion durch den Einsatz von kostengünstigen synthetischen Fasern auch die Einstellung der Konsumenten und Konsumentinnen zum Wert von Kleidung überhaupt beeinflusst. Die billige Kleidung wird zum Bumerang. „Bevor wir eine industrialisierte Textilproduktion hatten, kümmerten sich die Menschen um ihre Kleidung“, so Cavalli-Björkman.
„Sie haben sie repariert, weil Kleidung eine Investition war.“ Heute ist Kleidung so billig, dass man glaube, man könne immer etwas mehr Baumwolle anbauen, man könne immer etwas mehr Öl pumpen – das sei einfacher, als sich die Mühe zu machen, aus Textilien und Kleidung wieder ein Qualitätsprodukt zu machen, „etwas, das bereits existiert und im Umlauf bleiben könnte“, so Cavalli-Björkman zur BBC.

Renewcell ist ein börsennotiertes schwedisches Unternehmen, das Textilien in einem chemischen Verfahren zu Zellstoff als Rohstoff für Viskose und Lyocell recycelt.
Expertin: Recycling nicht der Ausgangspunkt
Man agiere oft, als wenn man sich aus den Müllhalden heraus recyceln könnte, so Natascha Radclyffe-Thomas, Professorin an der British School of Fashion und Expertin für Nachhaltigkeit. Recycling sei zwar ein ein wichtiger Teil der Lösung, aber „Recycling ist nicht der Ausgangspunkt“, so Radclyffe-Thomas laut BBC.
Sie verwies ebenfalls auf Überproduktion und Konsum als Hauptursachen für das Abfallproblem der Modebranche. Preisgünstige Kleidung von geringer Qualität bedeute, dass der Kauf für Verbraucher und Verbraucherinnen oft billiger sei als die Reparatur der Textilien.

PET-Flaschen-Recycling „kein zirkuläres Modell“
Ein weiterer Punkt sei, was überhaupt recycelt wird. Viele Marken würden sich oft Behauptungen des Recyclings und der Wiederverwendung von Textilien auf die stolze Brust heften. Dabei würden sie auf ihre recycelten Polyesterkollektionen verweisen. Doch diese Kleidungsstücke seien nicht zirkulär in der Textilbranche, denn das verwendete Material sei aus recycelten Plastikflaschen hergestellt und nicht aus Textilien.
„Die überwiegende Mehrheit des recycelten Polyesters in der Mode kommt aus einer ganz anderen Lieferkette: der Plastikflaschenindustrie“, so die Expertin. „Als Marken begannen, Kleidungsstücke aus Plastikflaschen herzustellen, wurde das ursprünglich als sehr positiver Schritt angesehen. Wir sehen jetzt, dass das kein zirkuläres Modell ist“, so ihre Kritik gegenüber der BBC.
Das „Einwegticket zur Mülldeponie“
Laut den Aktivisten und Aktivistinnen der britischen NGO Changing Markets Foundation sollte „das Verwandeln von Plastikflaschen in Kleidung als Einwegticket zur Deponie, Verbrennung oder Deponierung in der Natur betrachtet werden“, so die Gruppierung. Sie moniert in einem ihrer Fachberichte auch, dass die aus PET-Flaschen hergestellte Kleidung Mikroplastik an die Umwelt abgebe und auch nicht mehrfach recycelt werde.

Nur rund ein Prozent der recycelten Kleidung landet global wieder im Kleiderkasten, so eine Schätzung von Expertinnen und Experten. Faserrecycling findet also in der Textilindustrie so gut wie nicht statt, so die Schlussfolgerung daraus.
Modeindustrie als Schmutzfink
Weltweit ist die Modeindustrie für rund zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, wobei allein in der Textilproduktion schätzungsweise 1,2 Milliarden Tonnen Treibhausgase pro Jahr in die Atmosphäre freisetzt werden, wie etwa Zahlen von 2020 zeigen.
Auch werden für die Herstellung der Stoffe große Mengen Wasser benötigt, neben dem Aufzug der Baumwolle etwa auch zum Färben und Waschen. Die Modeindustrie soll laut diesen Schätzungen für rund ein Fünftel des weltweiten Abwassers verantwortlich sein. In Sachen Baumwolle will etwa die NGO Better Cotton Druck auf Produzenten in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit machen
EU verlagert das Textilproblem ins Ausland
Die Zahl der aus der EU exportierten gebrauchten Textilien hat sich laut der EU-Umweltagentur (EEA) innerhalb von zwei Jahrzehnten verdreifacht, wie der jüngste EEA-Bericht von Ende Februar zeigt, und damit nur das Problem ins EU-Ausland verlagert.
Beim Umgang mit diesen Textilien stünden Europa große Herausforderungen bevor, so die EU-Behörde. Weil die Kapazitäten für Wiederverwendung und Recycling in Europa begrenzt seien, werde ein großer Teil der ausgemusterten und gespendeten Kleidung nach Afrika und Asien exportiert.

„Die öffentliche Wahrnehmung, dass Altkleiderspenden in diesen Regionen immer von Nutzen sind, spiegelt nicht die Realität wider“, schreiben die Umweltexperten und -expertinnen der EU. „Einmal exportiert, ist das Schicksal gebrauchter Textilien oft ungewiss.“
Afrika und Asien als Hauptmärkte
Im Jahr 2000 seien rund 550.000 Tonnen Textilien exportiert worden. 2019 seien es fast 1,7 Millionen Tonnen gewesen. Das entspreche im Durchschnitt 3,8 Kilogramm pro Person. 46 Prozent der gebrauchten Textilien landeten in Afrika. „Die Textilien werden vor allem lokal wiederverwendet, weil es eine Nachfrage nach billiger, gebrauchter Kleidung aus Europa gibt“, berichtet die Umweltagentur. Was nicht wiederverwendet werden könne, ende zum Beispiel auf offenen Mülldeponien.
Rund 41 Prozent der gebrauchten Textilien kamen den Angaben zufolge 2019 zunächst nach Asien, wo sie an zentralen Stellen sortiert und verarbeitet wurden. Der Großteil werde entweder als Stoff- oder Füllmaterial für die Industrie genutzt oder zum Recyceln in andere asiatische Länder oder zur Wiederverwendung nach Afrika geschickt. „Textilien, die nicht recycelt oder exportiert werden können, landen wahrscheinlich auf Mülldeponien“, heißt es in dem Bericht.