Die Parteichefin der niederländischen Bauer-Bürger-Bewegung BBB, Caroline van der Plas, jubelt mit anderen Parteianhängern
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Niederlande-Wahlen

Bauernpartei könnte Regierung lähmen

Bei den niederländischen Provinzwahlen am Mittwoch hat die neue populistische Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) der Mitte-rechts-Koalition von Premier Mark Rutte eine herbe Niederlage beschert. Sie verliert laut am Donnerstag veröffentlichtem Endergebnis auch die Mehrheit in der Ersten Kammer des nationalen Parlaments. Dringend anstehende Reformen, vor allem im Bereich Umweltschutz und Landwirtschaft, werden damit kaum noch umsetzbar sein.

Das Wahlergebnis gefährdet nach Ansicht von Beobachtern die Stabilität der Koalition, in niederländischen Zeitungen ist von einem „historischen Denkzettel“ und einer „Abrechnung mit der Regierung Rutte“ die Rede. Der seit mehr als zwölf Jahren regierende Premier Rutte von der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) zeigte sich enttäuscht: „Das ist nicht der Sieg, auf den wir gehofft hatten“, so Rutte. Zugleich gab er sich zuversichtlich, dass er Mehrheiten finden werde.

Großer Jubel herrschte dagegen bei der Protestpartei BBB, die in acht von zwölf Provinzen die meisten Stimmen erlangte und künftig 15 der 75 Sitze im Senat einnehmen wird. Sie vertritt nach den Worten ihrer Vorsitzenden Caroline van der Plas „die Bürger, die nicht gehört werden“. Der große Wahlsieg sei ein Signal an Den Haag: „Sie können uns nicht länger ignorieren. Wir werden mitregieren.“ Der Block rechts von Ruttes rechtsliberaler VVD umfasst mittlerweile fünf Parteien, die gemeinsam etwa ein Drittel der Wähler repräsentieren. „Jetzt muss sich endlich etwas ändern“, sagte BBB-Chefin van der Plas.

Niederlande: Bauernpartei siegt bei Provinzwahlen

Die niederländischen Wählerinnen und Wähler haben der Regierung von Premier Mark Rutte bei den Provinzwahlen am Mittwoch einen dramatischen Denkzettel verpasst. Einen erdrutschartigen Sieg verbuchte dagegen nach vorläufigen Ergebnissen die neue populistische Bauern-Bürger-Bewegung (BBB). Sie profitierte von der Unzufriedenheit der Wähler und Wählerinnen und wurde auf Anhieb stärkste politische Kraft. Das geht aus den vorläufigen Ergebnissen hervor, die der TV-Sender NOS in der Nacht auf Donnerstag veröffentlichte.

Große Reformen Ruttes kaum noch umsetzbar

Es wurden nicht nur die Parlamente der zwölf Provinzen gewählt, sondern auch indirekt die Erste Kammer des nationalen Parlaments. Die vier Koalitionsparteien kommen in der Ersten Kammer nur noch auf knapp ein Drittel (rund 30 Prozent) der insgesamt 75 Sitze. Es ist zweifelhaft, ob Ruttes Regierung noch wichtige Gesetze zur Reform der Landwirtschaft, zu Klimaschutz und Asylpolitik durchsetzen kann, weil sie damit weit entfernt von der für Gesetzesbeschlüsse notwendigen Mehrheit landete.

Die Sozialdemokraten und die Grünen traten erstmals gemeinsam zur Wahl an und konnten leichte Gewinne verbuchen. Starke Verluste musste das rechtsextreme Forum für Demokratie hinnehmen, vor vier Jahren noch überraschender Wahlsieger. Auch der Rechtspopulist Geert Wilders verlor mit seiner Partei leicht.

Drastische Umweltauflagen als Mobilisierungsfaktor

Hauptthema bei diesen Wahlen waren die angekündigten drastischen Umweltauflagen für die Landwirtschaft. Die Protestbewegung BBB wurde aber nicht nur in ländlichen Gebieten stark, sondern auch in Städten. Sie trat erstmals bei der Parlamentswahl 2021 an und erzielte ein Prozent der Stimmen. Nun kam sie auf etwa 19 Prozent.

Seit die niederländische Regierung im Vorjahr das Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Stickstoffbelastung in den Böden vorgelegt hat, kocht der Zorn der Landwirtschaft hoch – immer wieder kam es zu großen Protesten, oft auch zu gewaltsamen Ausschreitungen.

Geplant ist, den Stickstoffeintrag bis 2030 drastisch zu reduzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Maßnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten, schätzt die Regierung.

Höfe sollen gekauft oder sogar enteignet werden

Die Eigentümer von rund 3.000 Höfen, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten am meisten Stickstoff ausstoßen, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. „Wir haben keine Wahl“, sagte die zuständige Ministerin für Natur und Stickstoff, Christianne van der Wal. „Die Natur kann nicht warten.“

Seit Jahren wird bei den europäisch geschützten Natura-2000-Gebieten in den Niederlanden viel zu viel reaktiver Stickstoff in die Luft ausgestoßen. Hauptverursacher ist die intensive Viehzucht, in der viel Ammoniak entsteht. Das hat dramatische Folgen für die Biodiversität. Der Boden wird sauer, Pflanzen und Bäume sterben ab, sie werden von Brombeeren oder Brennnesseln überwuchert. Insekten, Vögel und andere Tiere verschwinden.

Niederländische Medien berichteten, es werde nun eine Machtprobe zwischen der Bauernpartei und dem Bündnis der Grünenpartei Groenlinks und der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PvdA) geben, das ebenfalls auf 15 Senatssitze kommt. Dabei könnte sich die BBB mit rechten Parteien zusammentun, die ebenfalls gegen die Stickstoffpläne der Regierung sind. Beide Blöcke würden nach Einschätzung der Zeitung „De Volkskrant“ für eine Zusammenarbeit mit Rutte große Zugeständnisse verlangen.

Agrarsektor als wichtiger Wirtschaftsfaktor

Der Agrarsektor des Landes ist riesig und einer der größten Exporteure der Welt. Im vergangenen Jahr exportierten die rund 52.000 landwirtschaftlichen Betriebe Waren für 122 Milliarden Euro ins Ausland, fast ein Viertel davon ging nach Deutschland.

Jahrelang wurden die Umweltbelastungen geduldet oder mit Ausnahmeregeln legalisiert, obwohl Grenzwerte überschritten wurden. Immer wieder wurden Schlupflöcher gefunden, um nur nicht die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Dass das ein Fehler war, räumt inzwischen auch die Regierung ein. Die Bauern aber fordern eine Zukunftsperspektive, und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Außerdem zweifeln sie die Notwendigkeit der Maßnahmen an.