TikTok-Video auf einem Smartphone
IMAGO/ANP/Remko De Waal
TikTok

US-Ultimatum verschärft Konflikt China – USA

Die USA drohen vehement mit einem Verbot der beliebten chinesischen App TikTok, die sie für ein digitales trojanisches Pferd halten. Entweder der chinesische Eigentümer ByteDance stößt seine Anteile ab, oder es werde ein Verbot geben. Damit reiht sich TikTok ein in eine Folge von Streitpunkten im neun entflammten Kräftespiel der Großmächte.

Die Konflikte zwischen Peking und Washington scheinen momentan kein Ende zu nehmen. Seit Beginn der Pandemie heizt sich die Stimmung zwischen den Großmächten zusehends auf. Vor allem Chinas Haltung zu Russland im Angriffskrieg auf die Ukraine ist für das Weiße Haus ein schwerwiegender Streitpunkt.

Aber auch die zunehmend autoritären Tendenzen des chinesischen Politbüros – Präsident Xi Jinping sicherte sich kürzlich auf dem Volkskongress weitere umfangreiche Machtbefugnisse – und die Aufrüstung der Volksrepublik machen den USA Sorgen. Die Überflüge mutmaßlicher chinesischer Spionageballons über den USA, unter anderem über einem Atomwaffenlager, verschärften die Spannungen zusätzlich.

Hat sich zuletzt der Streit über den Ursprung des Coronavirus („Laborthese“) entbrannt, steht aktuell TikTok im Zentrum. Wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) am Donnerstag berichtete, stellte Washington dem chinesischen Mutterkonzern ByteDance ein Ultimatum: Entweder ByteDance verkauft seine Anteile an der App, oder TikTok werde in den USA komplett verboten. Das Ultimatum wurde von der US-Behörde CFIUS gestellt. Diese ist für die Risikobewertung ausländischer Investitionen für die nationale Sicherheit zuständig.

China verärgert

Peking reagierte am Donnerstag verärgert auf den Druck aus Washington. Die USA sollten mit der „ungerechtfertigten Unterdrückung“ der Video-App aufhören, so Chinas Außenministeriumssprecher Wang Wenbin. Washington habe keine Beweise vorgelegt, „dass TikTok die nationale Sicherheit der USA bedroht“. Das Thema Datensicherheit solle nicht benutzt werden, „Staatsmacht zu missbrauchen und ungerechtfertigt die Unternehmen anderer Länder zu unterdrücken“, so Wang.

TikTok bestätigte den Vorstoß der US-Behörden. Ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, ein Verbot oder ein Verkauf seien „unnötig, weil keine der beiden Optionen die größeren Branchenprobleme hinsichtlich Datennutzung und -transfer lösen“.

Zentrale des Unternehmens ByteDance in der chinesischen Hauptstadt Peking
APA/AFP/Greg Baker
Die Anteilsgröße und die Zentrale in Peking machen den USA Sorgen

Man sehe sich zudem gar nicht als Tochter eines chinesischen Unternehmens, da ByteDance zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren sei und den offiziellen Firmensitz auf den Cayman-Inseln habe. Kritiker verweisen jedoch auch darauf, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent höhere Stimmrechte hielten und ByteDance ein großes Hauptquartier in Peking habe.

TikTok bangt um US-amerikanische User

Für TikTok steht viel auf dem Spiel: In den USA nutzen rund 130 Millionen Menschen die App. TikTok stellte freilich schon selbst Überlegungen an, wie die US-Regierung besänftigt werden könnte. Der beste Weg sei ein von Dritten überprüfter, „transparenter, in den USA angesiedelter Schutz von US-Nutzerdaten“.

Das Unternehmen versucht seit Monaten, die US-Regierung mit einem Modell zu überzeugen, bei dem Daten auf Servern in den USA gespeichert und der Zugang dazu von amerikanischen Partnern überwacht werden sollen. Zu diesem „Project Texas“ würde gehören, dass die App bei jedem Update erst vom Softwareriesen Oracle geprüft wird, bevor die Nutzer sie herunterladen können. Im Juni gab TikTok bereits bekannt, dass „100 Prozent des Datenverkehrs der US-Nutzer an die Oracle Cloud Infrastructure weitergeleitet werden“.

Ein ähnliches Modell mit drei Rechenzentren in Irland und Norwegen schlug Tiktok unter der Bezeichnung „Project Clover“ auch für Europa vor. Wie zahlreiche andere Staaten und Institutionen verbannte die EU-Kommission TikTok aber jüngst auch von den Diensthandys ihrer Beschäftigten.

Letzter Ausweg Abspaltung

Das Unternehmen sagte auch eine Reihe von Maßnahmen zu, um die Sicherheit zu verbessern. Man habe bereits 1,5 Mrd. US-Dollar in rigorose Sicherheitsmaßnahmen investiert. Zudem erwägt man laut einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg die Möglichkeit einer Abspaltung von ByteDance. Eine solche Entflechtung sei nur allerdings nur als letzter Ausweg gedacht. Eine Abspaltung könnte über einen Verkauf oder Börsengang realisiert werden. Doch weder TikTok noch die Muttergesellschaft ByteDance kommentierten den Bericht.

Die Sorge, Chinas Geheimdienste könnte via TikTok massenhaft Userdaten abgreifen und Manipulation planen, treibt in den USA Republikaner wie Demokraten um. Schon unter US-Präsident Donald Trump wurde versucht, mit einer Verbotsdrohung einen Verkauf des internationalen Geschäfts von TikTok zu erzwingen. Das wurde aber von US-Gerichten gestoppt. Unter Trumps Nachfolger Joe Biden gehen die USA nun erneut auf Konfrontation.

Rechtliche Hürden voraus

Der US-Senat hatte vergangene Woche einen parteiübergreifenden Gesetzesentwurf vorgestellt, der es den USA erlauben würde, „bestimmte ausländische Staaten daran zu hindern, technologische Dienste (…) in einer Weise zu nutzen, die die vertraulichen Daten der Amerikaner und unsere nationale Sicherheit bedroht“. Der „Restrict Act“ sieht unter anderem neue Befugnisse für den Handelsminister vor, die ein Verbot der App erleichtern würden. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, lobte den überparteilichen Gesetzesentwurf und sagte, er würde die Fähigkeit stärken, Risiken zu bekämpfen, „an denen besorgniserregende Länder in sensiblen Technologiesektoren beteiligt sind“.

Unklar ist aber derzeit ohnehin, ob ein erzwungener Anteilsverkauf oder auch Verbot rechtlich halten würde. So wiesen Bürgerrechtsorganisationen etwa daraufhin, dass ein Verbot der App, auf der sich täglich Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger austauschen, gegen den ersten Zusatzartikel der Verfassung verstoßen.