Laut dem „Wall Street Journal“ („WSJ“) starben im Jahr 2021 in den USA 1.205 Frauen während oder kurz nach einer Schwangerschaft. Das ist ein Anstieg von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit befinden sich die USA wieder auf dem Niveau von 1965, damals starben 1.189 Frauen.
Die Sterblichkeitsrate bei Müttern ist in den USA höher als in allen anderen Ländern mit hohem Einkommen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lag sie im Jahr 2020 bei 24 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten. Im Vergleich dazu sind es in Frankreich (acht), Großbritannien (zehn) und Kanada (elf) deutlich weniger. Während zwischen 2000 und 2020 in vielen Ländern die Todesfälle bei Müttern zurückgegangen sind, sind sie in den USA um 78 Prozent gestiegen.
„Es ist herzzerreißend“, sagte Nawal Nour, Vorsitzender der Abteilung für Geburtenhilfe und Gynäkologie am Brigham and Women’s Hospital in Boston, gegenüber dem „WSJ“. „Wir haben so hart daran gearbeitet, den Trend in die richtige Richtung zu lenken, und es sieht einfach nicht so aus, als ob wir in diese Richtung gehen würden.“
Pandemie hat Situation verschärft
Vor allem die Pandemie hatte laut Ärzten und Gesundheitsbeamten einen großen Einfluss auf die hohe Sterblichkeitsrate der letzten Jahre. Durch sie wurden langjährige Probleme wie der Zugang zur Gesundheitsversorgung und Herzkrankheiten noch mehr verschärft.
Schwangere Frauen haben auch ein höheres Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken bzw. zu sterben – vor allem, wenn sie nicht geimpft sind, wie eine Studie der US-Seuchenbehörde (CDC) herausfand. Forschungen zeigten außerdem, dass aufgrund von Lockdowns und Ansteckungsängsten viele Menschen während der Pandemie notwendige Behandlungen aufgeschoben haben.
Schlechte Gesundheit oft als Ursache
Eine Ursache für die hohe Sterblichkeit bei Müttern sind laut der CDC vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Lungenembolien. Aber auch unkontrollierte Blutungen und Probleme, die auf Bluthochdruck zurückzuführen sind, werden als Hauptursachen genannt.
So manche Komplikation in der Schwangerschaft und nach der Geburt ist laut Ärztinnen und Ärzten auch auf die zunehmende Fettleibigkeit und die schlechter werdende Herzgesundheit zurückzuführen. Rund 42 Prozent aller Erwachsenen in den USA gelten als fettleibig, fast die Hälfte leidet an Bluthochdruck, heißt es von der CDC. Ungefähr elf Prozent haben Diabetes, 38 Prozent erhöhte Blutzuckerwerte.
Mehr als 80 Prozent aller schwangerschaftsbedingten Todesfälle in den USA könnten allerdings verhindert werden, heißt es von Gesundheitsbeamten und Ärzten. Vor allem an der Verbesserung und Stärkung der Herzgesundheit sollte schon lange vor einer Schwangerschaft gearbeitet werden. „Die Herzgesundheit in der Schwangerschaft hat sich in den letzten zehn Jahren verschlechtert“, sagte Sadiya Khan, Assistenzprofessorin an der Northwestern University Feinberg School of Medicine. „Die Zeit vor der Schwangerschaft ist der richtige Zeitpunkt, um sich gesundheitlich darauf vorzubereiten“.
Vor allem Schwarze betroffen
Am stärksten betroffen sind schwarze Frauen. Bei ihnen ist die Anzahl der Todesfälle 2,6-mal so hoch wie bei weißen Frauen. Schwarze machen rund 14 Prozent der US-amerikanischen Gesamtbevölkerung aus, wie Daten des US Census Bureau zeigen. Die Sterblichkeitsrate bei hispanischen Müttern hat jene der weißen 2021 überholt.
Schwarze werden zudem auch öfter ins Krankenhaus eingeliefert und sterben häufiger als Weiße, wie Daten zeigen. „Es ist traurig, aber nicht überraschend“, sagte Veronica Gillispie-Bell, Gynäkologin und außerordentliche Professorin bei Ochsner Health, einer Gesundheitseinrichtung in New Orleans.
Die höheren Sterberaten bei schwarzen Frauen würden auch Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung widerspiegeln. Gesundheitseinrichtungen würden außerdem eher dazu neigen, die Sorgen schwarzer Patienten zu übersehen, wie Studien zeigen. Laut CDC spielen wirtschaftliche Stabilität und Bildungschancen eine große Rolle, wenn es zu schwangerschaftsbedingter Sterblichkeit kommt.
Restriktive Gesetze erhöhen Müttersterblichkeit
Laut einer Studie der Tulane University ist die hohe Müttersterblichkeit in den USA auch mit deutlich restriktiveren Abtreibungsgesetzen zu erklären. Dabei geht es zum einen um die Zunahme von illegalen und womöglich von Laien durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen, zum anderen um die Tatsache, dass viele Frauen durch strengere Abtreibungsgesetze dazu gezwungen werden, schwanger zu bleiben.
Sozioökonomische Faktoren machen zudem Schwangerschaften für marginalisierte Gruppen deutlich riskanter als für andere. Gemeint sind hier wiederum vor allem schwarze Frauen.
Wyoming verbietet Abtreibungspillen
Im US-Bundesstaat Wyoming unterzeichnete kürzlich der Gouverneur Mark Gordon ein Gesetz, das die Verschreibung und den Verkauf von Abtreibungspillen illegal macht. Wyoming wurde damit zum ersten Bundesstaat, der ein Verbot von Abtreibungspillen gesetzlich verankert. Wer dagegen verstößt, muss mit Strafen bis zu 9.000 US-Dollar rechnen. In Kraft treten soll das Gesetz am 1. Juli.
Bereits Anfang des Monats wurde die Gesetzesvorlage dazu von der republikanisch dominierten Legislative in Wyoming verabschiedet. Genau heißt es darin, dass es illegal sei, „Medikamente zu verschreiben, abzugeben, zu vertreiben, zu verkaufen oder zu verwenden, um eine Abtreibung zu veranlassen oder durchzuführen“.
Nicht vom Gesetz betroffen sind die Pille danach oder notwendige Behandlungen zum Schutz einer Frau, deren Gesundheit oder Leben in Gefahr sind. Ausgenommen sind auch Behandlungen, die nötig sind, wenn es zu einer natürlichen Fehlgeburt kommen sollte.
Scharfe Kritik an Verbot von Abtreibungspillen
„Die Gesundheit einer Person und nicht die Politik sollte für wichtige medizinische Entscheidungen ausschlaggebend sein“, kritisierte der Direktor der American Civil Liberties Union (ACLU) in Wyoming, Antonio Serrano, das Gesetz. „Das betrifft auch die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch.“
Wyoming ist einer von mehreren US-Bundesstaaten, in dem die rechtlichen Debatten über Abtreibungsverbote in letzter Zeit immer lauter wurden. Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im letzten Jahr das Grundurteil Roe v. Wade über das Recht auf Abtreibungen aufgehoben hatte, haben mehr als ein Dutzend US-Bundesstaaten ein nahezu vollständiges Verbot von Abtreibungen erlassen. Mehrere davon wurden allerdings von den Gerichten auf Eis gelegt.
Auch in Texas Debatte über mögliches Verbot von Pillen
Auch im US-Bundesstaat Texas hatte sich zuletzt der Bundesrichter Matthew Kacsmaryk mit einem möglichen Verbot der vor mehr als 20 Jahren zugelassenen Abtreibungspille Mifepriston befasst.

Dem vorher ging eine Klage der rechtskonservativen Gruppe Alliance Defending Freedom. Diese warf der Arzneimittelbehörde FDA vor, ein „gefährliches“ Medikament ohne ausreichende Prüfung zugelassen zu haben. Kacsmaryk, der sich mit der Klage befasste, wurde noch vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump ernannt und gilt als erzkonservativ.
Mehr als jede zweite Abtreibung mit Mifepriston
Mifepriston wurde im Jahr 2000 durch die FDA zugelassen und wird verwendet, um Schwangerschaften bis zur zehnten Woche zu beenden. Nachdem das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft worden war, wurde die Abtreibungspille in den USA immer häufiger verschrieben.
Abtreibungsbefürworter und -befürworterinnen sehen dem Verfahren in Texas nun mit großer Sorge entgegen. Die Entscheidung könnte riesige Auswirkungen auf das Leben vieler Frauen in den USA haben. Die Abtreibungspille Mifepriston wird immerhin bei rund 53 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche eingesetzt.

Bereits im November des Vorjahres zogen Abtreibungsgegnerinnen und -gegner vor Gericht, um ein Verbot von Mifepriston in den gesamten USA zu erwirken. Die FDA hatte die Beschwerde jedoch abgewiesen. Ihr zufolge wurde die Abtreibungspille seit ihrer Zulassung im Jahr 2000 von mehr als 5,6 Millionen Frauen genutzt. Nur bei rund 1.500 Fällen hätte es Komplikationen gegeben, ohne dass ein Zusammenhang zu Mifepriston hergestellt werden konnte.