Chief Medical Officer Katharina Reich
APA/Florian Wieser
Mehrheitlicher Beschluss der Kommission

GECKO wird vorzeitig aufgelöst

Die im Dezember 2021 eingesetzte Kommission zur gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) wird mit 31. März „geordnet“ aufgelöst und Schritt für Schritt ihre Tätigkeit beenden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) komme damit einem mehrheitlichen Vorschlag der Kommission nach, hieß es Montagabend aus dem Kanzleramt. Im Vorfeld war kolportiert worden, dass mehrere Mitglieder der Kommission ihr Amt aus Protest zurücklegen wollten – was einige der Betroffenen am Dienstag bestätigten.

Eigentlich wäre das Mandat des im Bundeskanzleramt angesiedelten Beratungsgremiums noch bis Juni gelaufen. Nun empfahl die Kommission bei ihrer Sitzung am Montag selbst das vorzeitige Ende. Die Krisenkoordination soll nun in den Regelbetrieb der Ressorts überführt werden. GECKO-Vorsitzender Rudolf Striedinger informierte den Bundeskanzler über den mehrheitlichen Beschluss.

Die nunmehrige Empfehlung zur Auflösung kam just im Zuge der Sitzung, bei der laut einem Medienbericht mehrere Mitglieder ihren Rücktritt einreichen wollten. Der „Kurier“ hatte am Montag berichtet, dass zumindest drei Angehörige des Gremiums ihr Amt zurücklegen wollten. Bei den Experten handelte es sich laut der Zeitung um den Virologen Andreas Bergthaler, den Simulationsforscher Niki Popper und Generalmajor Thomas Starlinger.

Reaktionen auf geplante CoV-Politik der ÖVP

Die Kritik an der geplanten CoV-Politik der ÖVP im Bund und in Niederösterreich reißt nicht ab. Laut mehreren Medienberichten sollen aus Protest über den „Wissenschaftshörigkeit“-Sager von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mehrere Mitglieder des CoV-Beratungsstabs GECKO zurücktreten. Und auch das geplante Werbeverbot für die CoV-Impfung in Niederösterreich sorgt bei Expertinnen und Experten für Entsetzen.

In dem Zeitungsbericht war davon die Rede, dass der Sager von Bundeskanzler Nehammer, man sei während der Pandemie zu „expertenhörig gewesen“, für heftige Irritationen bei ihnen gesorgt habe. Den tatsächlichen Ausschlag hätten aber die Entwicklungen in Niederösterreich gegeben. Dort hatten ÖVP und FPÖ in ihrem Arbeitsübereinkommen beschlossen, alle Werbemaßnahmen für die Coronavirus-Impfung einzustellen und CoV-Strafen zurückzuzahlen.

Experten erklären Austrittsankündigung

Virologe Bergthaler bestätigte am Dienstag auf Twitter, dass er und andere Mitglieder in der Sitzung ihren Austritt aus der Kommission im April angekündigt hatten. „Meine Beweggründe waren politischen Entwicklungen geschuldet“, so Bergthaler weiter, „die für mich mit dem ursprünglichen Beratungsmandat nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Ein weiterer Grund war der unklare Arbeitsauftrag bis zum geplanten Ende des Gremiums im Juni.“ Das habe auch damit zu tun, dass es „gefühlt“ die „akute Krise in der Form nicht mehr gibt“, so Bergthaler weiter.

Simulationsforscher Popper schloss sich Bergthalers Argumenten nach eigenen Angaben an. Auch er habe seinen Abschied für April avisiert. Es seien mittlerweile Modelle für (aus formalen Gründen) in GECKO stellbare Fragen weniger sinnvoll, schrieb er auf Twitter. Andere Fragen „sind jetzt wichtiger, wie Interaktion von Covid-19 mit anderen Infektionen“ und die integrierte Versorgung zwischen Spitälern und Ärztinnen und Ärzten.

Andererseits schätze er die Entwicklung außerhalb des Gremiums „kritisch ein“, so Popper weiter. „Man hört die Lauten und Polternden (von allen Seiten:-) Wissenschaft soll aber dabei helfen, dass die Leisen gehört werden. Ich sehe die Gefahr, dass unsere Fortschritte in Gecko tlw. wieder verloren gehen“, twitterte er.

Gründung 2021

Das Expertengremium war im Dezember 2021 im Auftrag der Regierung gegründet worden. Ihm gehören rund 20 Expertinnen und Experten an. Aufgabe der Kommission unter der Leitung von Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, und Generalstabschef Rudolf Striedinger war es, die Regierung zu informieren und zu beraten. Noch Ende Jänner sprach sich das Gremium dafür aus, das Virusmonitoring auch nach einem für Mitte des Jahres angekündigten Aus der CoV-Maßnahmen fortzuführen.

Nehammer bedankt sich

In der Aussendung des Kanzleramts bedankte sich Nehammer „ausdrücklich für den ehrenamtlichen Einsatz der Expertinnen und Experten, die die Bundesregierung in dieser schweren Zeit begleitet, mit ihrer Expertise unterstützt und beraten haben“. Das sei eine „für uns alle sehr fordernde und außergewöhnliche Zeit, die allen Beteiligten viel abverlangt hat“.

„Umso erfreulicher ist es, dass wir diese Zeit des Pandemiemanagements nun überwunden haben und nun besser gerüstet sind für zukünftige Herausforderungen“, hieß es weiter. Nach Ostern solle nun der von Nehammer angekündigte Dialogprozess zum CoV-Management starten. Die Akademie der Wissenschaften arbeite derzeit – allen voran – gemeinsam mit den zuständigen Stellen an den Details zu dem Prozess, „in dem der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben wird, diese besondere Belastung der Pandemie aufzuarbeiten“, hieß es in der Medieninfo.

ORF-Reporterin Wachter nach GECKO-Sitzung

Alexandra Wachter meldet sich vom Bundeskanzleramt in Wien kurz nach Ende der GECKO-Sitzung.

Gesundheitsminister würdigt Arbeit

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) würdigte in einem Statement gegenüber der APA am Dienstag die Arbeit der Kommission: „Die Arbeit der GECKO war eine unverzichtbare Unterstützung bei der Bekämpfung der Pandemie. Die Mitglieder haben viel Zeit, Engagement und fachliche Expertise eingebracht und unzählige Stunden ehrenamtlich gearbeitet. Dafür bedanke ich mich persönlich, aber auch im Namen der Bundesregierung sowie aller Mitbürgerinnen und Mitbürger, die davon profitiert haben“, so der Minister.

Dabei sprach Rauch auch Anfeindungen von außen an: „Insbesondere Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus unterschiedlichen Disziplinen sahen sich immer wieder Angriffen und Diffamierungen ausgesetzt, wenn sie ihre Erkenntnisse und Einschätzungen zur Pandemie eingebracht haben. Dies ging und geht bis zur Leugnung naturwissenschaftlicher Fakten und vielfach bestätigter Forschungsergebnisse. Das ist unerträglich. Dem trete ich mit aller Entschiedenheit entgegen!“

Rauch: Zeitpunkt „natürlich kein Zufall“

„Die Empfehlung der Mitglieder, das Gremium aufzulösen, ist selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen. Dass dies zu einem Zeitpunkt passiert, an dem wissenschaftliche Erkenntnisse von einer Landesregierung infrage gestellt werden, ist natürlich kein Zufall“, sagte er – wohl mit Blick auf Niederösterreich.

Im ÖVP-FPÖ-Arbeitsübereinkommen wurde u. a. vereinbart, dass das Land Niederösterreich keine weiteren Werbemaßnahmen für die CoV-Impfung durchführt. „Die Impfung hat Tausende Menschenleben in Österreich gerettet. Das werde ich auch in Zukunft deutlich sagen“, betonte Rauch.

„Bundeskanzler hat immer auf uns gehört“

Striedinger hatte nach der Sitzung am Montag gemeint, er fühlte sich von der Politik nicht missachtet: „Der Bundeskanzler hat immer auf uns gehört“, sagte er – aber jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, wo man zum Urteil gekommen sei, dass die Beratungsarbeit nicht mehr nötig ist. Der Infektiologe Herwig Kollaritsch sagte gegenüber der ZIB, er habe seit Dezember keine wesentliche Arbeit mehr für GECKO leisten können, die Niederschlag in einer politischen Entscheidung gefunden habe.

Falsch ist aus Sicht Kollaritschs allerdings, dass das Land Niederösterreich – nach dem ÖVP-FPÖ-Pakt – nicht mehr für die CoV-Impfung werben will. Damit riskiere man, dass viele Personen ihren optimalen Impftermin versäumen und dann schwer erkranken könnten. Die Virologin Dorothee von Laer befürchtet jedoch keine großen Auswirkungen, denn zuständig sei dafür das Gesundheitsministerium und nicht das Land.

Kickl sieht überfälligen Schritt

FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichnete den Schritt der vorzeitigen GECKO-Auflösung am Dienstag als „längst überfällig“. Dieser komme aber „wie so vieles dieser schwarz-grünen Bundesregierung beim Thema Covid viel zu spät und kann Geschehenes sicherlich nicht ungeschehen machen“.

„Deshalb fordern wir Freiheitliche eine echte Aufklärung der Corona-Geschehnisse und Verflechtungen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und laden nach wie vor alle Parteien dazu ein“, so Kickl.