Vier anonyme Personen mit einer Regenbogenfahne in Kenia
IMAGO/ZUMA Press/Sally Hayden
Nicht nur Uganda

Homophobie in Afrika auf dem Vormarsch

In vielen afrikanischen Ländern fürchten Homosexuelle gewalttätige Angriffe und Haftstrafen. Eingeschränkte Meinungsfreiheit, Vorurteile und Diskriminierung zählen für sie zum Alltag. Kleine Fortschritte werden mit harschen Gegenreaktionen von Politik und Kirche gestoppt. In Uganda droht Homosexuellen nun sogar die Todesstrafe.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden bereits in Mauretanien, in Somalia und im Norden Nigerias mit dem Tod bestraft, so die ILGA, eine Interessenvertretung, die sich für Homo- und Bisexuelle sowie Trans- und Interpersonen einsetzt. In Uganda war dafür bisher lebenslange Haft möglich, in dieser Woche verabschiedete das Parlament aber ein verschärftes Anti-Homosexuellen-Gesetz.

Die Todesstrafe war in einer früheren Version des Gesetzes noch nicht vorgesehen, wurde aber in der Diskussion am Dienstag darin aufgenommen. Künftig soll es zudem schon Strafen geben, wenn man sich als LGBTQ identifiziert – bis zu zehn Jahre Haft – und wenn man Homosexualität „fördert“ oder dazu „anstiftet“. Damit können auch Menschen, die Wohnungen an Homosexuelle vermieten, ins Gefängnis kommen.

Abgeordneter Asuman Basalirwa verliest am 9. März 2023 im Parlament erstmals den Entwurf zum Anti-Homosexualitäts-Gesetz in Kampala, Uganda
Reuters/Abubaker Lubowa
Das ugandische Parlament diskutiert über ein verschärftes Gesetz gegen Homosexuelle

Die aufgeheizte Stimmung machte sich auch in der Parlamentsdebatte bemerkbar. Eine Parlamentarierin forderte: „Homosexuals should be castrated.“ Übersetzt kann das sowohl bedeuten, Homosexuelle zu sterilisieren als auch zu kastrieren. Die Stimmung gegen Homosexuelle ist im Alltag verbreitet. LGBTQ-Vertreter berichteten in der Vergangenheit auch von Fällen in Krankenhäusern, bei denen Homosexuellen Aids-Medikamente verweigert wurden, da das Personal befürchtete, der Unterstützung Homosexueller beschuldigt zu werden.

Gesetz eines der „schlimmsten seiner Art“

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk bezeichnete das Gesetz als eines der „schlimmsten seiner Art in der Welt“. Die US-Regierung zeigte sich ebenfalls besorgt, da das Gesetz die universellen Menschenrechte einschränke, den Fortschritt im Kampf gegen HIV aufs Spiel setze und den internationalen Ruf Ugandas beschädige. Sollte das Gesetz in Kraft treten, überlegen die USA wirtschaftliche Sanktionen gegen Uganda, so der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.

Auch die Europäische Union zeigte sich tief besorgt. „Die EU lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen ab“, sagte ein Sprecher des Außenbeauftragten Josep Borrell. Das österreichische Außenministerium forderte Ugandas Langzeitpräsidenten Yoweri Museveni auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen.

Das Gesetz tritt in Kraft, wenn es von Museveni unterzeichnet wird. Das gilt als wahrscheinlich. „Homosexuelle sind eine Abweichung von der Norm“, verlieh er kürzlich seiner Anti-Homosexuellen-Haltung Ausdruck.

Wurzeln in der Kolonialzeit

Uganda steht mit seinem harten Vorgehen gegen Homosexuelle nicht alleine da. In Tansania und Sambia kann Homosexualität mit lebenslanger Haftstrafe geahndet werden, in Gambia, Kenia und Malawi mit bis zu 14 Jahren Gefängnis. Viele der homophoben Gesetze in afrikanischen Staaten haben ihre Wurzeln in der Kolonialzeit und haben zu einer Verfestigung der antihomosexuellen Stimmung beigetragen.

Auch wenn die Ablehnung von Homosexualität in der Gesellschaft leicht zurückgeht, stoßen Politiker wie der kenianische Präsident William Ruto vielfach auf Zustimmung, wenn sie darauf pochen, die gleichgeschlechtliche Ehe zu verhindern, da sie der Kultur und den religiösen Überzeugungen des Landes widerspreche.

Amtierende Regierungen in vielen Staaten sind offen für weitere Verschärfungen gegen LGBTQ-Personen und kritisieren den Westen dafür, Homosexualität zu fördern und einen „kulturfremden Lebensstil“ zu exportieren. Politiker „versuchen sich auf Kosten der queeren Bevölkerung als moralische Menschen zu inszenieren“, sagte Annette Atieno, eine Sprecherin der kenianischen National Gay and Lesbian Human Rights Commission, gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“).

Rückschritte in Ghana

Auch in Ghana steht ein Gesetz zur Diskussion, das die Rechte von LGBTQ-Personen drastisch einschränken würde. Gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten sind bereits illegal, nun soll schon ähnlich wie in Uganda allein die öffentliche Identifizierung als LGBTQ mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Strafrechtliche Sanktionen sind demzufolge auch vorgesehen, wenn man sich für LGBTQ-Rechte einsetzt und dazu online Äußerungen tätigt, berichtet die NGO Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich für Grundrechte einsetzt. Laut EFF drohen Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter Sanktionen, wenn sie LGBTQ-Inhalte nicht einschränken.

Für Ghana bedeutet diese Verschärfung einen Rückschritt, hatte sich doch in dem Land insbesondere in den Städten eine gewisse Toleranz gegenüber LGBTQ entwickelt. 2021 wurde sogar ein LGBTQ-Unterstützungszentrum unter Anwesenheit internationaler Diplomaten eröffnet. Der Widerstand von Politik und Kirche und in sozialen Netzwerken war allerdings enorm. Innerhalb weniger Wochen wurde das Zentrum wieder geschlossen, berichtete CNN. Kurz darauf wurden Pläne für ein verschärftes Anti-LGBTQ-Gesetz bekannt, das inzwischen Form angenommen hat und von Aktivisten heftig kritisiert wird.

Pro-LGBTQ-Urteil in Kenia

Eine starke homophobe Gegenreaktion, getragen von Empörung in den sozialen Netzwerken, gab es kürzlich auch in Kenia auf ein Gerichtsurteil zugunsten der Registrierung einer Nichtregierungsorganisation, die sich für LGBTQ-Rechte einsetzt. Das Urteil führte zu vermehrten Aufrufen von Politikern, religiösen Führern und extremistischen Personen, LGBTQ-Personen anzugreifen und zu töten, warnte Amnesty International in Kenia. Aus dem Widerstand gegen das Urteil entwickelte sich eine regelrechte Kampagne gegen LGBTQ-Personen.

Schlagzeilen auf zwei Zeitungen in Kenia über Präsident William Rutos Ankündigung zur Einschränkung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, 3. März 2023
IMAGO/ZUMA Wire/James Wakibia
Auch in Kenia gibt es in Politik und Gesellschaft eine stark homophobe Haltung

Politik und Kirche argumentieren mit Kenias Werten. „Homosexualität, Lesbianismus und gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind unnatürlich, falsch, böse und von Natur aus unmoralisch“, meinte etwa Martin Musonde, Vorsitzender der Kenianischen Katholischen Bischofskonferenz. Die Rufe nach gesetzlichen Verschärfungen werden lauter, berichtete die Thomson Reuters Foundation – nicht nur in Kenia. In Tansania forderte kürzlich etwa eine Vertreterin der Regierungspartei die Kastration Homosexueller.

Aufwind durch Evangelikale

Einen wesentlichen Anteil an der homophoben Stimmung in vielen afrikanischen Ländern und den daraus resultierenden strengeren Gesetzen haben evangelikale Gruppen vor allem aus den USA. Diese tragen bereits seit einigen Jahren ihren Kampf gegen Homosexualität nach Afrika und erreichen dabei nicht nur kirchliche Vertreter, sondern auch Politiker.

Im Rahmen von Veranstaltungen referierten amerikanische christliche Fundamentalisten über die Gefahr für traditionelle Werte in Afrika durch Homosexualität. Zudem transportieren viele Evangelikale die – wissenschaftlich widerlegte – Theorie, dass die Änderung der homosexuellen Ausrichtung von Menschen möglich sei und gefördert werden müsse.

„Export einer Bewegung und Ideologie“ aus den USA

Das sei der „Export einer Bewegung und Ideologie“ aus den USA, die afrikanische Länder polarisiere und LGBTQ-Menschen schade und gefährde, folgert „Foreign Policy“. Mehrfach würden in Massenmedien Erzählungen von Menschen verbreitet, die behaupten zur Homosexualität „gelockt“ und „rekrutiert“ worden zu sein. Der Boden dafür wurde seit Längerem aufbereitet.

Schon in den 2000er Jahren trat etwa der in US-Evangelikalen-Kreisen bekannte Scott Lively bei mehreren Anti-Homosexuellen-Veranstaltungen in Uganda auf, das letztlich in einen Gesetzesentwurf mündete, der die Todesstrafe auf Homosexualität gefordert hatte. Der Entwurf wurde – aufgrund eines Formfehlers – vom ugandischen Verfassungsgericht kassiert.

Südafrika garantiert Rechte

Vorreiter, was die Rechte Homosexueller in Afrika betrifft, ist Südafrika. Obwohl auch hier Gewalt gegen Homosexuelle noch verbreitet ist, sichert zumindest die Verfassung die Rechte sexueller Minderheiten zu. Schon seit 2006 ist die gleichgeschlechtliche Ehe in Südafrika legal. In Österreich ist das erst seit 2019 der Fall.

Teilnehmer der Pride Parade in Kapstadt, Südafrika am 4. März 2023
Reuters/Nic Bothma
Die Pride-Parade wird in Südafrika seit vielen Jahren abgehalten

Auch in Afrika ist dieser Zugang nicht selbstverständlich. In über 30 der 54 afrikanischen Länder ist Homosexualität illegal. Ein Umdenken setzt langsam ein. Im vergangenen Jahrzehnt legalisierten fünf weitere Staaten Homosexualität: Mosambik, Botswana, Lesotho, die Seychellen und zuletzt 2021 Angola.