Noch ist in Salzburg, wenige Tage vor der Landtagswahl, Zwischensaison, nach einer guten Wintersaison bereiten sich viele Orte und Geschäfte mit Renovierungen oder einfach mal Urlaub auf die kommenden Monate vor. Wirklich Freude über die vergangenen Wintermonate gibt es in den Tourismusorten, abseits der Hotspots kämpfen Geschäfte und mit ihnen die jeweiligen Gemeinden durchaus um Kunden und Kundinnen.
Alexanter Zogopoulos, der griechische Produkte wie Olivenöl unter anderem an die Gastronomie vertreibt, hat genau diese Entwicklung nach Zell am See gebracht, erzählt er gegenüber ORF.at. Weil er am bisherigen Standort in einem nahe gelegenen Ort immer weniger Umsatz gemacht habe, sei er umgezogen: „Es war klar, wir siedeln um oder sperren das Lokal zu.“ Die Lokalsuche sei nicht einfach gewesen, er fühle sich aber gut aufgenommen, auch von der Gemeinde.
Einheimische Kundschaft als Konstante
Zogopoulos hat mehrere Standbeine, darunter mit selbst gepresstem Öl, und bietet eine klein gehaltene Bewirtung an. Derzeit profitiere er an seinem sehr zentralen Standort stark von Laufkundschaft, vor allem von einheimischen Kunden und Kundinnen: „Die brauchst du auch, mit denen macht es Spaß, und sie sind das ganze Jahr da.“ Natürlich sei der Tourismus wichtig, deswegen sei er ebenfalls hier, aber da fehle ihm noch die Erfahrung – derzeit sei Ramadan, die Menschen aus dem arabischen Raum, die gerne nach Zell kommen, fehlen derzeit.
Natürlich spüre er die gestiegenen Kosten deutlich, und viele Kunden würden genauer beim Preis schauen, da er aber im gehobeneren Segment sei, werde das bei ihm weniger thematisiert. Sein mitten in der Pandemie gegründetes Geschäft gehe gut, sagt Zogopoulos, der mittlerweile seinen Job gekündigt hat. „Heftig“ sei die Pandemiezeit gewesen, weil nie klar gewesen sei, wie es weitergeht.
Begegnungszone zur Stärkung des Ortskerns
Im rund 70 Kilometer östlich gelegenen Radstadt ist in der laufenden Zwischensaison ebenfalls weniger los, vielleicht nicht nur wegen der fehlenden Touristen. Radstadt ist eine der Modellgemeinden des Bundeslandes für gezielte Ortskernstärkung. Dazu wurde 2018 die unter Bürgerbeteiligung entwickelte Begegnungszone in der geschützten historischen Altstadt eröffnet. Diese umfasst nun einen mäandernden Fahrstreifen – beim Besuch an Ort und Stelle zeigt sich, dass dieser reichlich und mitunter flott genutzt wird.
Mit der Begegnungszone sei wieder Leben in die Stadt gekommen, im Sommer gebe es Tische und Bänken vor den Lokalen, erzählen Christian Koblinger von Radstadt Tourismus und Marion Sampl, Obfrau des Stadtmarketings Radstadt. Vor zehn Jahren habe Radstadts Innenstadt infolge neuer und großer Geschäfte an der Peripherie mit Leerstand zu kämpfen gehabt. Mittlerweile sei die Lage stabil, auch während der Pandemie – ein Erfolg, wie Koblinger betont. Es gebe auch laufend Geschäftsübergaben an die nächste Generation.
Einige Geschäfte würden sich in Radstadt weiterentwickeln und entsprechend größer, so Sampl, im Zentrum und auch an der Peripherie. Die Stadt setzt im Tourismus stark auf Events wie ein Kinderfestival bzw. aktuell eine Art interaktives Abenteuerspiel zur Stadterkundung. Damit wolle man die Frequenz der Besucher erhöhen und im besten Fall neue Geschäfte anlocken und bestehende stärken, hofft Koblinger. Man setze auf Qualität statt Quantität, auch für den Handel.
Viele Herausforderungen für Handel
Der heimische Handel hat viele Herausforderungen und muss immer wieder mit neuen Ideen punkten. Dazu zählen etwa mehr Regionalität und persönliche Zuwendung. Der große Konkurrent ist dabei immer der Onlinehandel.
Verkehr als limitierender Faktor für Handel
Koblinger bedauert, dass es weiterhin Autos in der Innenstadt von Radstadt gibt, natürlich könnte man in einer echten Fußgängerzone ruhiger einkaufen gehen. Ein ähnliches Problem mit dem Verkehr, allerdings potenziert, zeigt sich auch im wenige Kilometer entfernten Altenmarkt, wo die Landesstraße B163 mitten durch den Ort führt. Die Marktgemeinde gehöre zu den am schnellsten wachsenden Gemeinden Salzburgs, verweist Nobert Lechner, Obmann der Werbegemeinschaft Altenmarkt WGA, dabei auf eine gute Infrastruktur des Ortes, der Verkehr sei aber ein großes Problem.
Beim Besuch an Ort und Stelle ist eine Kommunikation vor den Geschäften auf der Hauptstraße gerade zur Stoßzeit nur bedingt möglich, das Überqueren der Straße mitunter sportlich – das Gesamtambiente ist herausfordernd. Sein Plan sehe vor, so Lechner, den Lkw-Verkehr aus dem Ort rauszubringen und etwa nur mehr Ziel- und Quellverkehr zuzulassen. Dann brauche es mehr Gehsteige und Radwege, Einbahnlösungen, zentrale Parkplätze für das Parken außerhalb – einfach eine Neugestaltung des Orts, etwa durch einen Ortsplaner.
Der aktuelle Ortsplan sei 20 Jahre alt, Ort und Umgebung hätten sich seitdem stark entwickelt. Die Stimmung unter den Geschäftstreibenden sei gut, der Mix der Geschäfte hochwertig – doch man müsse an die Zukunft denken. Es gebe genügend Menschen, die meinten, man müsse nichts verändern, weil es ohnedies gut laufe, aber gerade jetzt müsse man investieren, damit das so bleibe, ist Lechner überzeugt und verweist ebenfalls auf diverse Events in der Gemeinde – der Wettbewerb in der Region scheint stark zu sein.
Verkehr bzw. Parkplätze aus der Innenstadt ganz zu verbannen oder so zu dezimieren wie auf der Mariahilfer Straße in Wien, für die Gesprächspartner immer wieder ein positives Beispiel, ist in Altenmarkt wie auch in Radstadt definitiv kein Thema – die lokalen Betriebe hätten Angst, dass dann die Laufkundschaft wegbleibe, und seien gegen ein Verbot, sagt etwa Koblinger für Radstadt. Sampl verweist auf die lokalen Gegebenheiten: Durch das ländliche Einzugsgebiet und die schwierige „Öffi“-Versorgung seien die Leute gewohnt, überall mit dem Auto hinzufahren. Niemand wolle einen schweren Einkauf weit tragen – vielleicht gebe es auch deswegen keinen Nahversorger im Zentrum.
„Peak Onlinehandel überschritten“
Dass immer öfter Nahversorger in den Gemeindezentren fehlen, sei ein „Drama“, meint Johann Höflmaier, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Salzburg, das führe natürlich zu Problemen für die einheimische Bevölkerung. Es gebe bereits Gemeinden, die selber einen Nahversorger führen. Ohne entsprechende Freqenzbringer würden umliegende Geschäfte ebenfalls leiden.
Grundsätzlich sei der stationäre Handel aber nach der Pandemie wieder zurück, der „Peak Onlinehandel überschritten“, zeigt sich Höflmaier vielleicht etwas gar optimistisch. Die Menschen würden wieder das Haptische suchen, freut er sich auch über den florierenden Tourismus. Es gebe allerdings Hemmnisse wie zu hohe Mietpreise, wobei laut Marktforschern in der Pandemie Preise auch gesunken sind. Durch hohe Preise würden Geschäfte abwandern bzw. kleiner werden – Ketten gehen dann an die Peripherie und können so Innenstädte schwächen.
Wandel und Wechsel als Anstoß für Neues
Zuletzt sorgten Abwanderung und Leerstände in der Salzburger Innenstadt für einige Aufregung, wobei die Dosis, also der Umfang, das „Gift“ macht, so Marktbeobachter. Ursula Maier vom Altstadtverband Salzburg betont, dass das Leerstandsthema kein Salzburger Phänomen sei. Bei Umbauten könne ein Geschäft auch schon mal länger leer stehen, weil etwa Genehmigungen fehlen, von strukturellem Leerstand spricht man ab sechs Monaten. Auch sei eine Stadt wie Salzburg ständig im Wandel, das sei nicht unbedingt negativ.
Angebot und Standort für Handel wichtig
Salzburgs Handel lebt stark vom Tourismus, doch gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, dass auch die einheimische Kundschaft wichtig für ein konstantes Geschäft ist. Zudem will auch diese gut versorgt sein.
Christian Wieber, Obmann des Altstadtverbands Salzburg, und selbst Schlosser in der Salzburger Altstadt, sieht Wechsel und Wandel grundsätzlich positiv – auch wenn sie durch Krisen ausgelöst werden. Gerade dann müsse man investieren, das sei wichtig für die Weiterentwicklung. Auch Handwerk müsse sich mitunter funktionierende Nischen suchen, man könne nicht immer alles anbieten.
Er hat sich etwa auf Arbeiten in der Altstadt spezialisiert und liefert seine Schlosserarbeiten wie Geschäftsschilder und auch Grabkreuze aus seinem kleinen Hinterhof in der Getreidegasse schon mal mit der Scheibtruhe aus. Er kenne die Gegebenheiten in den teils jahrhundertealten Häusern, die nicht immer nach gerade Arbeiten verlangen – da zähle Know-how.
Innenstädte durch Platz und Denkmalschutz limitiert
Österreichweit kämpfen Innenstädte mit Abwanderung von Handel und Handwerk und unterschiedlichen Geschäftskonglomeraten an der Peripherie – in Salzburg ist der Europark als Einkaufszentrum am Rande der Stadt für viele Händler ein rotes Tuch. Höflmaier zeigt sich vermittelnd: Man könne den Europark nicht für Entwicklungen, die er nicht verursacht habe, verantwortlich machen. Innenstädte, gerade mit einem historischen Kern, würden oft kostspieligen Auflagen durch den Denkmalschutz unterliegen und seien flächenmäßig limitiert.
Sie hätten zudem im Gegensatz zu Einkaufszentren wenig Einfluss auf den Branchenmix, und die Vermieter seien nicht immer kooperativ – gerade diese müsste umdenken, so Höflmaier. Dafür hätten Innenstädte oftmals ein Flair, das ein Einkaufszentrum so nicht bieten könne – das sei auch für den Tourismus wichtig. Dass sich die Kaufkraft oftmals an die Peripherie verschiebt, sehe er durchaus kritisch, es brauche mehr Diversität, warnt er vor einer Erosion in einzelnen Regionen.
Salzburg bremst Bau von Einkaufszentren
Der Europark gilt als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Als Bollwerk gegen den Abfluss der Kaufkraft in das angrenzende Bayern gebaut, zieht er nun mit einer großen Geschäftsauswahl und kostenlosen Parkplätzen selber viel Kaufkraft aus dem Umland an sich und ist auch mit zahlreichen Arbeitsplätzen ein starker Wirtschaftsfaktor. Selbst deutlich weit entfernte Orte in Salzburg sehen darin eine Konkurrenz, auch wenn die Pandemie Einkaufszentren wie den Europark nicht verschont hat.
Das Land bremst mittlerweile Bau und Ausbau von Einkaufszentren in Salzburg, seit Jahren rittert der Europark erfolglos um eine Erweiterung. Europark-Geschäftsführer Christoph Andexlinger, Chef der Shoppingcenter-Sparte SES des Spar-Konzerns, will das politisch hoch umstrittene Thema gegenüber ORF.at entsprechend nicht weiter kommentieren: Es sei alles geprüft und alles gesagt. Jetzt sei die Politik am Zug.
Online konkurriert mit Städten und Einkaufszentren
Er sehe den Europark allerdings nicht als Konkurrenz für die Innenstädte und Gemeinden außerhalb eines Umkreises von fünf Kilometern, der Wettbewerb spiele sich vielmehr zwischen dem stationärem Handel in Städten und Einkaufszentren einerseits und dem Onlinehandel andererseits ab – diese Meinung teilt Andexlinger mit eigentlich allen Gesprächspartnern. Der stationäre Handel gehöre überall gestärkt, man sei sich in vielen Dingen eigentlich einig, so Andexlinger.
Auch ein Einkaufszentrum könne nicht alles abdecken, die Frage sei immer: „Wo bin ich Spezialist?“, und was könne man besser machen. Wenn man etwas gut mache, würden die Kunden schon kommen, man müsse zudem immer dort sein, wo Menschen leben und wissen, was sie sich leisten können. Daher habe er sich erfolgreich für einen Nahversorger in der Salzburger Innenstadt eingesetzt, er habe schließlich nichts davon, wenn es der Innenstadt schlecht gehe.
Ein Mittel zur Stärkung sieht Andexlinger in der Beratung, dem Einkaufserlebnis und der passenden Kuratierung, also der Auswahl der Waren – das sieht auch Höflmaier so. Der stationäre Handel müsse auf Regionalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Beratung setzen, so Höflmaier – sprich: Der stationäre Handel soll mehr über die Kunden und ihre Bedürfnisse wissen. Die Pandemie habe hier ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen mit vielen guten Beispielen.
Social Media wird zum Schaufenster
Ein solches Beispiel ist wohl Christina Roth, die sich 2019 im Herzen der Salzburger Innenstadt, in der Getreidegasse, mit einer Ledermanufaktur selbstständig gemacht hat. Geschäftslokal betreibt sie keines, ihre Werkstatt liegt im ersten Stock, echte Laufkundschaft verirrt sich hierher wohl kaum. Roth akquiriert über Mundpropaganda und soziale Netzwerke, wo sie etwa die Entstehung ihrer handgefertigten Taschen dokumentiert – Einzelstücke für einen entsprechenden Preis.
Social Media sei ihr „Schaufenster“ so Roth, sie festige dort die Bindung zwischen Produkt und potenziellen Kunden. Sie habe sich bewusst für die Altstadt Salzburgs entschieden, wegen des Flairs und der Stimmung an Ort und Stelle, für ihre Kunden und sich selbst: Der Standort sei für sie der Inbegriff von Regionalität und Vernetzung mit umliegenden Händlern. Dafür habe sie einige Opfer gebracht: „Die ersten drei Jahre hatte ich keine Heizung.“
Mittlerweile hat sie mit Petra Steiner, die kurz vor der Pandemie ihren Job verlor, einen Lehrling. Die Mutter von zwei Kindern, mittlerweile zwölf und 18, steht kurz vor der Gesellenprüfung und hat ihre Entscheidung „keine Minute“ bereut. Auch Roths Begeisterung ist ansteckend, man merkt die Liebe zum Handwerk: Mittlerweile arbeitet sie mit großen Marken zusammen und restauriert sehr hochpreisige Lederwaren für Kunden aus England und Deutschland.
Einkaufen im „Grätzel“ wird wichtiger
Ähnlich überzeugt von ihrer merklichen Berufung zeigt sich Evelyn Bergner, die im Speckgürtel der Stadt Salzburg, im Grödiger Gemeindeteil Fürstenbrunn, den „Dorfladen“ betreibt. Mit zwei Teilzeitmitarbeiterinnen bietet sie dort auf 85 Quadratmetern als Nahversorgerin mit Partner ADEG ein ausgesuchtes Sortiment an. Die Kundenfrequenz während des Besuchs ist beachtlich, wohl auch weil Post im Geschäft abgeholt werden kann, aber nicht nur.
Bergner begrüßt während des Besuchs von ORF.at jede der vor allem weiblichen Besucherinnen persönlich und hat immer wieder ein persönliches Wort oder Ohr über. Sie sei der soziale Treffpunkt im Ort, für Klein und Groß, Alt und Jung, erzählt, man müsse aber daran arbeiten, dass die Leute gerne kommen. Die langjährige Filialleiterin setzt genau auf die vom WKS-Spartengeschäftsführer des Salzburger Handels Höflmaier propagierte Regionalisierung und persönliche Zuwendung: Wenn Kunden ein bestimmtes Produkt suchen, könne sie das oftmals kurzfristig besorgen und sei dabei für die Menschen auch fußläufig erreichbar.
Das sei für ältere Personen sehr wichtig, aber auch die Jüngeren würden mehr und mehr schätzen, wenn sie nicht für alles ins Auto steigen müssen. Mit der Pandemie und den zuletzt gestiegenen Treibstoffkosten habe ein Umdenken eingesetzt, sagt Bergner. Sie könne zwar nicht mit Billiganbietern mithalten, wenn bei ihr die Preise stiegen, würden sie aber auch anderswo steigen. Die Leute würden sie als Nahversorger einfach schätzen.
Nahversorger gezielt gefördert
Grödig habe sich gezielt dem Erhalt eines Nahversorgers verschrieben, sagt Bürgermeister Herbert Schober und unterstützt den Dorfladen etwa mit dem Bau eines größeren Standorts neben Schule und Kindergarten – entsprechende Frequenz garantiert. Zudem gibt die Gemeinde eigene Gutscheine aus, die in den lokalen Geschäfte eingelöst werden können. Der subventionierte Gutschein sei wie eine Wirtschaftsförderung, so Schober, 150.000 Euro Umsatz habe man 2022 erzielt.
Als Gemeinde müsse man sich das auch leisten wollen und können, gibt Schober zu, im Gemeindegebiet würden viele Geschäfte davon profitieren – und über die Abgaben dann auch wieder die Gemeinde. „Wir müssen nix verdienen“, so Schober, es sei wichtig, dass der Ort attraktiv sei, dazu zähle etwa eine Reduktion des Verkehrs – auch ein Effekt des Dorfladens.