Innenhof eines Altbaus in Wien
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Einmalzahlung

Wohnkostenbeihilfe statt Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse, über die seit Monaten debattiert worden ist, kommt nicht. Stattdessen sollen 250 Millionen Euro als Wohnkostenbeihilfe ausbezahlt werden, bestätigte am Mittwoch die Bundesregierung. Zuletzt war eine ganze Reihe von Vorschlägen und möglichen Kompromissen auf dem Tisch gelegen, die Einigung in der Regierung kam überraschend.

Die in der Koalition von den Grünen forcierte Mietpreisbremse scheiterte am Widerstand der ÖVP. Stattdessen werden nun konkret nochmals als Wohnkostenhilfe 250 Millionen Euro lockergemacht, davon 25 Millionen als Aufstockung für den „Wohnschirm“ gegen Delogierungen.

Die Einigung nach wochenlangem Tauziehen kam gerade noch rechtzeitig vor dem Finanzausschuss am Donnerstag. Danach wäre für den Fristenlauf für eine gesetzliche Regelung die Zeit bereits zu knapp gewesen.

Die Zeit drängt: Mieterinnen und Mietern in Altbauten steht mit 1. April (Neuverträge) bzw. 1. Mai (Bestandsverträge) eine Erhöhung der Richtwertmieten um die Jahresinflationsrate 2022 von 8,6 Prozent ins Haus. Sie waren bereits im Vorjahr um knapp sechs Prozent angehoben worden. Die letzte Erhöhung hatte es zuvor 2019 gegeben, während der CoV-Pandemie war sie ausgesetzt.

Einmalzahlung nach Antrag

Für die Bundesregierung stellten am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubchef August Wöginger den Kompromiss vor und erklärten die Rahmenbedingungen.

Stiegenhaus in einem Altbau
ORF.at/Christian Öser
Die Wohnkostenbeihilfe soll sich auf etwa 200 Euro pro Haushalt belaufen

Bei der Wohnkostenbeihilfe handelt es sich um eine Einmalzahlung, die, so Rauch, aktiv beantragt werden müsse. Er riet: „Nützen Sie diese Möglichkeit!“ Die Beihilfe sei „kein Almosen“, es bestehe ein Rechtsanspruch darauf. Wöginger bezifferte die durchschnittliche Höhe mit rund 200 Euro, etwa eine Million Haushalte im unteren Einkommensviertel würden sie beantragen können. Die Einkommensgrenzen legten die Bundesländer, die Wohnkostenbeihilfe auch auszahlen, fest.

„Gießkanne“ oder „zielgerichteter“

Wichtig sei, betonte Rauch, dass die Länder mit dem Geld gezielt einkommensschwache Haushalte unterstützen würden, die – in den letzten Monaten viel zitierte – „Gießkanne“ sei nicht das Mittel der Wahl. Er verteidigte die Einigung auch gegen Kritiker. „Das ist Geld, das wirkt.“

ÖVP-Klubchef Wöginger nannte die nunmehrige Lösung „sozial gerechter und zielgerichteter“ als die ursprünglich (nicht nur) von den Grünen geforderte Mietpreisbremse. Er verwies auch darauf, dass der Bund für Unterstützungsmaßnahmen gegen die galoppierende Teuerung an die 30 Mrd. Euro in die Hand genommen habe, damit liege Österreich in Europa nach Luxemburg auf Platz zwei. Der Verteilungsschlüssel orientiere sich an der Bevölkerungszahl. Die Beihilfe, so Wöginger, werde „in Windeseile“ durch den Nationalrat gehen, insgesamt sei die Lösung als „sehr, sehr positiv“ zu bewerten.

Teils sehr scharfe Kritik

„Wir brauchen keine Kompromisse, sondern Lösungen, die nachhaltig entlasten“: Mit diesen Worten kritisierte die Leitende Sekretärin des ÖGB, Ingrid Reischl, das Aus für die Verhandlungen über eine Mietpreisbremse. „Egal, wie diese Wohnkostenzuschüsse ausgestaltet werden – gefragt ist nicht Almosenpolitik, sondern ein voller Mietenstopp“, hieß es in einer Aussendung.

Scharfe Kritik übte die Arbeiterkammer (AK), die von einer „Riesensauerei“ sprach. Die Regierung befeuere die Inflation weiter, anstatt sie zu bekämpfen. „Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber – das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden“, so AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung.

Die SPÖ schlug mit ihrer Kritik in dieselbe Kerbe wie die AK und die Gewerkschaft. „Ein Wohnkostenzuschuss kann für einige eine kurzfristige Hilfe sein, löst aber das Problem nicht, sondern ist wieder nur eine Einmalzahlung, die nicht gegen die Inflation wirkt“, sagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried.

Während immer mehr Menschen nicht mehr wüssten, wie sie über die Runden kommen sollen, „hat diese Regierung für sie nichts anderes als Almosen übrig, die sie sich noch dazu selbst bezahlen müssen“, so FPÖ-Chef Herbert Kickl.

„Mietpreisbremse wäre das intelligentere Instrument“

Auf Treffsicherheit bei der Wohnkostenhilfe pochte NEOS. Es müsse gezielt denen geholfen werden, die die Unterstützung auch brauchen. „Hilfen mit der Gießkanne und wie bisher lehnen wir ab, ebenso Einmalzahlungen, die in Zeiten hoher Inflation nicht nachhaltig helfen“, so NEOS-Wohnsprecher Johannes Margreiter.

Die Wiener Grünen nannten den aktuellen Kompromiss die zweitbeste Lösung. Es sei positiv, dass die Mieter bei der „Bewältigung der hohen Inflation unterstützt werden. Eine Mietpreisbremse wäre allerdings das intelligentere Instrument.“

Unterschiedliche Kompromissvorschläge

Ursprünglich hatte die Koalition über eine Mietpreisbremse verhandelt, mit der die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden sollte. Die ÖVP wollte auch für die Vermieter, die bei einer Deckelung der Mieterhöhung einen spürbaren Einnahmenverlust gehabt hätten, Verbesserungen durchsetzen, nämlich attraktivere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten bei klimafreundlichen thermischen Sanierungen.

Mit Baustellenbändern gekennzeichnete Fläche für zukünftigen Hausbau in einem Feld
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ÖVP hatte Lockerungen bei Grunderwerbsteuer vorgeschlagen

Weiters wollte die ÖVP die steuerliche Belastung bei Grundstückskauf bzw. Bau einer Immobilie senken, beim Kauf sollten die ersten 500.000 Euro von der Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent des Kaufpreises befreit werden. Den Grünen war der Steuervorstoß der ÖVP zu weit gegangen, da damit auch Luxusimmobilienkäufer entlastet worden wären. Sie schlugen im Gegenzug vor, den Grunderwerbsteuersatz ab einem Kaufpreis von einer Mio. Euro von 3,5 auf 5,0 Prozent zu erhöhen. Das sollte den Gemeinden, die diese Steuer einheben, zur Gegenfinanzierung dienen.

„Rasche Lösungen und keine Polemik“

Dass Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zuletzt die Erhöhung der Richtwertmieten als primär Wiener Problem bezeichnete, sorgte auch noch für Verstimmung in der Bundeshauptstadt – Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ortete beim Finanzminister „Ignoranz gegenüber der Wiener Bevölkerung“.

Regierung entscheidet gegen Mietpreisbremse

Ab 1. April steigen die Richwertmieten in Altbauten: Lange wurde über die Möglichkeit einer Mietpreisbremse debattiert. Die Regierung hat sich nun doch dagegen entschieden und als Alternative eine Wohnkostenbeihilfe beschlossen.

Auch die Mietervereinigung Österreichs (MVÖ) meldete sich kritisch zu Wort. Brunners Aussagen seien „mehr als zynisch“, so die MVÖ. Es brauche „rasche Lösungen und keine Polemik“. Fakt sei, „dass 376.000 Haushalte in Österreich von der drohenden Erhöhung der Richtwertmieten von 8,6 Prozent mit April betroffen sind, davon etwa 273.000 in Wien“, hieß es in einer Aussendung am Dienstag.

Peter Unger (ORF) zum Wohnkostenzuschuss

Peter Unger (ORF) spricht über den Wohnkostenzuschuss. Nach langen Debatten über die Möglichkeit einer Mietpreisbremse hat sich die Regierung nun doch alternativ für eine Wohnkostenbeihilfe entschieden.

Dazu zählten aber nicht nur „Luxuswohnungen“ in der Wiener Innenstadt, sondern genauso Altbauten im gesamten Stadtgebiet. Von „massiven Preissteigerungen“ sei außerdem auch der ungeregelte Mietsektor (rund 400.000 Haushalte) betroffen, für die der Richtwert nicht gilt.

Richtwert und Kategorie

Richtwert- und Kategoriemieten gelten für Wohnungen im Altbau, die vor 1945 errichtet wurden. Geltungsbereich und Höhe sind im Mietrechts- und Richtwertgesetz (MRG bzw. RichtWG) festgelegt, der Richtwert ist laut Letzterem „die Grundlage für die Berechnung des angemessenen Hauptmietzinses“. Der Richtwert wird alle zwei Jahre an die Inflationsrate angepasst. Unterschiedliche Zu- und Abschläge betreffend Lage, Ausstattung und Mietdauer (Befristung) können die Gesamtmiete erhöhen oder senken. Neubaumieten etwa unterliegen keinen solchen Begrenzungen.

Zuletzt lag der Richtwert (2022) zwischen 5,61 Euro im Burgenland und 9,22 Euro in Vorarlberg, in Wien bei durchschnittlich 6,15 Euro pro Quadratmeter, jeweils netto ohne Betriebskosten. Bei tatsächlichen Preisen gehen Theorie und Praxis aber mitunter deutlich auseinander. Zwei Beispiele: Der Mietenrechner der MVÖ liefert für eine Altbaumiete der Kategorie A in Wien, 2. Stock, unbefristet mit durchschnittlicher Ausstattung ein Ergebnis von 710 Euro Hauptmietzins inklusive Betriebskosten.

Theorie und Praxis

Die Statistik Austria bezifferte den durchschnittlichen Quadratmeterpreis bei Mietwohnungen mit österreichweit 8,90 Euro (inklusive Betriebskosten) im Schnitt. Im vierten Quartal stiegen die Mieten um 7,0 Prozent, auch die Betriebskosten stiegen im Schnitt um 6,2 Prozent. Die monatliche Durchschnittsmiete inklusive Betriebskosten lag im vierten Quartal rechnerisch bei 597,4 Euro pro Hauptmietwohnung. Allerdings hängt die tatsächliche Höhe der Mieten stark vom Mietsegment, der Mietdauer, der Wohnungsgröße und der Region ab, betonte die Statistik Austria.