Eckfahne mit dem Logo von Manchester United im Stadion Old Trafford
IMAGO/Shutterstock/Paul Currie
Verkauf von Manchester United

„Schmutziges Derby“ und ein Gegenentwurf

Im Fußballgeschäft gilt Manchester United als eine der schillerndsten Marken. Auch wenn in den letzten Jahren sportlich die großen Erfolge ausgeblieben waren, der Strahlkraft tat das kaum einen Abbruch. Derzeit steht der Club zum Verkauf. Drei öffentlich bekannte Interessenten matchen sich nun: Ein bekannter britischer Investor und ein katarischer Scheich liefern sich seit Wochen – so meinen Kritiker – ein „schmutziges Derby“. Und neuerdings will auch ein finnischer Investor kaufen – und präsentiert sich als Gegenentwurf.

Für den derzeitigen Besitzer, die US-amerikanische Unternehmerfamilie Glazer, geht es um sehr viel Geld: Der Wert von Manchester United wird laut Forbes mit 4,6 Milliarden Dollar (4,26 Mrd. Euro) angegeben, der Club zählt damit mit Real Madrid und dem FC Barcelona zu den drei wertvollsten Fußballclubs weltweit. Wie viel genau die Glazers letztlich verlangen werden, ist unklar – vielfach ist die Rede von sechs Mrd. Dollar. Das Bieterrennen wird sehr intensiv geführt, zuletzt wurden die Angebote einmal mehr erhöht.

Doch wer macht bei diesem Spiel mit? Einer der beiden derzeit öffentlich bekannten Interessenten ist der britische Sportinvestor Jim Ratcliffe. Der Gründer des britischen Chemiekonzerns INEOS ist im Sportsponsoring stark vertreten – er mischt im Radsport und in der Formel 1 mit, ist sogar Geldgeber für die „All Blacks“, das legendäre neuseeländische Rugby-Nationalteam. Im Fußball hält Ratcliffe die Mehrheit bei Erstligaclubs aus Frankreich und der Schweiz.

„Kein verrückter Preis“

Angesichts der Konkurrenz sagte Ratcliffe zuletzt dem „Wall Street Journal“, für United keinen „verrückten Preis“ zahlen zu wollen. Überhaupt bestehe sein Interesse am Club nur darin, sportlich „etwas zu gewinnen“, gelobte er – denn: United verfüge über einen „gesellschaftlichen Wert“. Ratcliffe kann diese Erzählung einigermaßen plausibel verkaufen, schließlich entstammt der mit dem Titel „Sir“ geadelte 70-jährige Unternehmer der Region Greater Manchester und ist eigenen Angaben zufolge seit Kindheitstagen United-Anhänger.

Ineos-Vorstand Jim Ratcliffe
Reuters/Phil Noble
Jim Ratcliffe ist im Sportsponsoring ein bekannter Name

Katarischer Scheich auch United-Fan

Doch weckt der Club freilich auch außerhalb Großbritanniens das Interesse von Investoren – mit Nachdruck äußerte das der katarische Geschäftsmann Scheich Jassim bin Hamad bin Chalifa Al Thani. Der Sohn des früheren Premierministers Hamad bin Jassim bin Jaber Al Thani ist Vorsitzender der Qatar Islamic Bank, des zweitgrößten Kreditinstituts sowie der größten Privatbank des Emirats Katar. Und wie es sich gehört, gibt freilich auch Scheich Jassim an, seit Kindheitstagen United-Fan zu sein.

Mitte März hatte eine Delegation den Club besucht, Scheich Jassim war allerdings nicht persönlich anwesend. Kolportiert wurde jedenfalls, dass die Gespräche positiv verlaufen seien – darüber hinaus habe die Unterredung weit länger gedauert als ursprünglich geplant, die Rede ist von zehn Stunden.

Thema soll auch die Ankündigung eines nachgebesserten Angebots gewesen sein, wie der britische „Independent“ nach dem Treffen berichtete. Ein solches wurde dann auch eingebracht und Ende der Woche sogar noch einmal erhöht – es soll derzeit laut Sky Sports bei umgerechnet 5,67 Milliarden Euro liegen. Auch Ratcliffe hatte zuletzt nachgebessert – das war nötig, weil die Glazers mit Angebotsfristen den Preis in die Höhe treiben.

Gangart verschärft

Vor dem Ausbruch des hitzigen Wettbietens hatte es geheißen, die katarischen Bieter hätten vor, nicht zu viel für den Club zu bezahlen – eine Darstellung, die ja auch der britische Interessent Ratcliffe schon bemühte, als er den Club jüngst persönlich besuchte. Doch die Katarer scheinen die Gangart verschärft zu haben – denn deren Version, „nicht zu viel zahlen zu wollen“, hätte sich im Zuge ihres Besuchs in Old Trafford vernehmbar abgeschwächt, war in britischen Medien zu lesen.

Gianni Infantino und Scheich Jassim bin Hamad bin Khalifa Al Thani
picturedesk.com/EXPA/Pressesports
Scheich Jassim (r.) mit FIFA-Boss Gianni Infantino

Neuer Fall von katarischem „Sportswashing“?

Der Fokus des Besuchs sei darauf gelegen, welche Optionen sich für Scheich Jassim hinsichtlich der Investitionen in Bezug auf Infrastruktur, Frauen- und Nachwuchs-Teams bieten könnten, berichtete Sky News unter Berufung auf Angaben der Delegation. Scheinbar idealistische Vorhaben, die Kritiker und Kritikerinnen eines Deals wohl kaum beruhigen. Ganz im Gegenteil: Einmal mehr wird der Vorwurf erhoben, Katar wolle mit dem Deal „Sportswashing“ betreiben.

Das Muster ist bekannt: Es geht darum, die Reputation einer Firma bzw. – wie in diesem Fall – eines Landes zu steigern, indem man sie bzw. es mit einer beliebten und geschätzten Marke verknüpft. Das kann auch im Zuge von Events geschehen, jüngstes Beispiel ist die Ausrichtung der Fußball-WM in Katar. Zwar war das Event in der westlichen Welt von schwerer Kritik etwa am Umgang mit Menschenrechten begleitet, doch blieb am Ende ein Popularitätsschub für das Emirat übrig.

Nur „Greenwashing“ eines Chemiekonzerns?

Doch auch die Tätigkeitsfelder von Ratcliffes Unternehmen INEOS sind nicht frei von Kritik. Der Chemiekonzern betreibe mit dem breit aufgestellten Sponsoring im Sport „Greenwashing“, so der Vorwurf von Umweltschützerinnen und Umweltschützern. Greenpeace UK verwies auf die Produktion von „Plastik, Chemikalien und fossilen Brennstoffen“. Und der Bieterkonkurrent, die Qatar Islamic Bank, wickle Transaktionen für das Öl- und Gasgeschäft ab und lukriere entsprechend Einnahmen aus dem Sektor.

Außenansicht des Stadions Old Trafford, Heimat von Manchester United
IMAGO/PA Images/Martin Rickett
„Bring on United“ – der Wunsch vieler Fans nach sportlich durchwachsenen Jahren

„Es ist besorgniserregend, dass sich das Bieterverfahren für Manchester United in ein schmutziges Derby zwischen Unternehmen verwandelt hat, die mit fossilen Brennstoffen in Verbindung stehen“, wird ein Sprecher von Greenpeace UK von CNN Sports zitiert. Solche Firmen würden zunehmend „in der Sportwelt nach populären Marken suchen, hinter denen sie ihre klimaschädlichen Geschäfte verstecken können“, hieß es.

Werben mit Mitbestimmung

Doch die Duellanten blieben nicht unter sich: Ende der Woche kam ein weiterer kaufwilliger Investor aus der Deckung. Laut britischen Medienberichten legte auch der finnische Geschäftsmann Tomas Zilliacus ein Kaufangebot für United vor. Der Ex-Nokia-Manager ist seit der Gründung der Investmentgesellschaft Mobile FutureWorks Group in den 1990er Jahren im Onlinegeschäft tätig. Zudem führt er die Investmentfirma XXI Century Capital.

Im Wettbieten um United inszeniert sich der Geschäftsmann als Gegenentwurf zu den beiden anderen Bietern. Sein Angebot soll offensichtlich den Fans schmeicheln, denn 50 Prozent des Clubs sollten an ihn gehen, die übrigen 50 Prozent sollen von Anhängern und Anhängerinnen in Form von Kleinstbeträgen erworben und in eine Genossenschaft eingebracht werden.

„Kein gesunder Trend“

Das Versprechen: mehr Einfluss der Fans in die Geschicke des Clubs – und das über eine App, die Zilliacus aus eigenem Hause liefert. Wenn jeder Fan mitmache, dann koste das individuell weniger als umgerechnet drei Euro, rechnete er jüngst vor. „Die derzeitige Entwicklung, bei der milliardenschwere Scheichs und Oligarchen Clubs übernehmen und sie als ihre persönlichen Spielzeuge kontrollieren, ist kein gesunder Trend“, wurde der 59-Jährige in der BBC zitiert.

Im Falle eines Zuschlags wolle er garantieren, dass United nach den Prinzipien „Würde, Gleichstellung, Diversität und Antirassismus“ geführt werde, gab er zuletzt gegenüber dem „Evening Standard“ an. Interpretiert werden kann das als Ansage gegen die Konkurrenz aus Katar. Und die in Aussicht gestellte Mitbestimmung ist wohl als Signal an die diesbezüglich von der Glazer-Familie leidgeprüften Fans zu verstehen.

„Liebe United, hasse Glazer“

Gegen den derzeitigen Besitzer würde wohl keiner der potenziellen neuen Eigentümer einen Beliebtheitswettbewerb verlieren. Seit der Übernahme des Clubs 2005 protestieren die Fans gegen die Glazers, der Slogan „Love United, Hate Glazer“ („Liebe United, hasse Glazer“) wurde zum Dauerbrenner im und außerhalb des Stadions. Tausende Fans kehrten dem Club sogar den Rücken und gründeten mit dem FC United of Manchester ihren eigenen (unterklassigen) Verein.

Der Vorwurf an die Glazers: Die Familie wolle aus dem strahlkräftigen Club nur Profite ziehen und vernachlässige alle Bereiche, die dringend Investitionen benötigen würden. Aufgrund der Misswirtschaft der Glazers würde der Club auf Hunderten Millionen an Schulden sitzen. Die Glazers hatten den Club im Zuge eines fremdfinanzierten Aufkaufs mit einer Nettoverschuldung von weit über 600 Millionen Dollar belastet, was die Wut der Fans rasch befeuerte.

Fans von Manchester United protestieren im Stadion Old Trafford mit Transparenten gegen die US-amerikanische Unternehmerfamilie Glazer
Reuters/Phil Noble
Der Name Glazer ist bei vielen United-Fans ein rotes Tuch – seit Jahren wird gegen die Eigentümerfamilie aus den USA protestiert

Oder bleiben die Glazers?

Zuletzt verdichteten sich auch Hinweise, wonach die Glazers die Kontrolle über den Verein behalten könnten und lediglich eine Minderheitsbeteiligung zulassen. Wie die britische „Times“ berichtete, habe jenes US-Unternehmen, das den AC Milan besitzt, ein entsprechendes Angebot abgegeben.

Wer auch immer den Club bzw. Anteile daran letztlich kauft, dem neuen Besitzer blühen neben dem Kaufpreis womöglich gleich einige zusätzliche Großausgaben. Von einem weiteren, nicht unbedeutenden Problem wären im Falle eines Zuschlags fast alle Interessenten auf individuelle Weise betroffen: So untersagt der Europäische Fußballverband (UEFA) derzeit, dass ein Besitzer mehrere Clubs kontrolliert, die zugleich in den UEFA-Wettbewerben (also z. B. in der Champions League oder in der Europa League) spielen.

Kauf mit Kniff

Grob wirkt sich das potenziell vor allem bei einer katarischen Übernahme aus. Allerdings dürfte hier wohl vorgesorgt werden, denn Scheich Jassim will den Kauf über die eigens gegründete Stiftung Nine Two Foundation abwickeln. Weil ja Katars Staatsfonds den französischen Club Paris Saint-Germain besitzt, könnte die Abwicklung des United-Erwerbs über die Stiftung darauf abzielen, die Strukturen beider Clubs getrennt zu halten, um nicht in Konflikt mit dem Regelwerk zu kommen.

Ratcliffe hingegen kontrolliert mit dem OGC Nizza und dem FC Lausanne-Sport zwei Clubs. Doch könnte ihm zugutekommen, dass er sich bei Manchester United lediglich um eine Mehrheitsbeteiligung von 69 Prozent des Clubs bemüht, während der Interessent aus Katar 100 Prozent erwerben möchte. Doch könnte Ratcliffes potenzielles Problem am Ende ohnehin die UEFA lösen, die zuletzt laut darüber nachgedacht hat, Mehrfachbeteiligungen zu erlauben.