Container in Ganzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangxi
AP/Imaginechina
Länder hoch verschuldet

Chinas „Seidenstraße“ droht Finanzdebakel

China kommt das ambitionierte Handelsprojekt „Neue Seidenstraße“ einer Studie zufolge teuer zu stehen und wird finanziell so zum Bumerang. Mehr und mehr Schwellen- und Entwicklungsländer, die von der Volksrepublik für den Bau von Infrastruktur Kredite aufgenommen haben, können diese nicht mehr planmäßig bedienen, wie eine Studie mehrerer renommierter internationaler Wirtschaftsinstitute, die am Dienstag veröffentlicht wurde, zeigt.

In der Folge habe die Führung in Peking die Vergabe von Rettungskrediten in den vergangenen Jahren drastisch ausgeweitet. Ein Finanzdebakel für das auch politische Projekt droht. Laut der Studie sind mit Stand Ende 2022 60 Prozent aller chinesischen Auslandskredite von einem Zahlungsausfall bedroht.

2010 sei dieser Anteil bei lediglich fünf Prozent gelegen, ergab die Analyse von Forscherinnen und Forschern des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) in Deutschland mit AidData, der Harvard Kennedy School und der Weltbank.

Kräne und Container in Nantong City in der ostchinesischen Provinz Jiangsu
AP/Imaginechina/Xu Hui
Die „Seidenstraße“ sollte den chinesischen Warenverkehr ankurbeln – hier ein Containerterminal in Nantong

Zentralbank als wichtigste Kreditstelle

Um Ausfälle zu verhindern, vergibt China laut der Studie Notkredite in großem Stil. Bis Ende 2021 zählten die Autoren 128 Rettungsdarlehen an 22 Schuldnerländer im Gesamtwert von 240 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil davon – 170 Milliarden Dollar – sei über Zentralbankkredite vergeben worden. Diese seien für internationale Organisationen und Ratingagenturen besonders schwer nachzuvollziehen.

Dabei handelt es sich den Angaben nach zumeist um Refinanzierungskredite – also die Verlängerung von Laufzeiten oder Zahlungszielen sowie um die Vergabe neuer Kredite zur Finanzierung fälliger Schulden.

Der chinesische Präsident Xi Jinping
Reuters/Greg Baker
Chinas Präsident Xi Jinping stellte 2013 das Projekt vor – hier mit zwei Teehäferln auf dem Volkskongress 2023

Unterschiedliche Behandlung von Schuldnerländern

Die Führung in China will so offenbar ihre Banken retten. Das zeigt auch die unterschiedliche Behandlung der Schuldnerländer: Auf Staaten mit mittlerem Einkommen entfällt der Studie zufolge mit über 500 Mrd. Dollar der größte Anteil der Auslandskredite. „Chinas Führung hat daher große Anreize, einen Zahlungsausfall dieser Länder auf jeden Fall zu verhindern. Sie bietet ihnen im Fall von Zahlungsschwierigkeiten in der Regel neue Kredite an, um damit die alten Schulden zu tilgen.“

Auf Länder mit niedrigem Einkommen entfällt hingegen nur rund ein Fünftel der Kredite, wie die Forscher ausführen. Sie sind für die Stabilität des chinesischen Bankensektors daher weniger wichtig und erhalten selten neue Gelder. Kritiker werfen China seit Langem vor, einkommensschwache Länder mit unerschwinglichen Krediten in die Schuldenfalle zu locken.

Parallelen zu Griechenland und Euro-Krise

Nun habe sich China „auf das riskante Geschäft der internationalen Rettungskredite eingelassen“, sagte die ehemalige Chefvolkswirtin der Weltbank, Carmen Reinhart, die heute an der Harvard Kennedy School forscht.

Die Autorinnen und Autoren der Studie sehen darin Parallelen zu europäischen Rettungskrediten an Griechenland und andere südeuropäische Länder während der Euro-Krise. „Auch damals spielte die Rettung von einheimischen Banken eine wesentliche Rolle bei der Vergabe von Rettungskrediten.“

Experte: Undurchsichtig und unkoordiniert"

Bisher hat China der Studie zufolge Rettungskredite an 22 Länder vergeben, etwa an Ägypten, Argentinien, Laos, Pakistan, Sri Lanka, die Türkei und Belarus. Brad Parks von AidData kritisierte, dass China „auf undurchsichtige und unkoordinierte Weise“ ein neues globales System für grenzüberschreitende Rettungsdarlehen geschaffen habe.

„Sein strikt bilateraler Ansatz hat die Koordinierung der Aktivitäten aller wichtigen Kreditgeber erschwert, was bedenklich ist, da die Lösung von Staatsschuldenkrisen in der Regel ein gewisses Maß an Koordination zwischen den Gläubigern erfordert.“

Zukunftsfrage stellt sich

„Der Erlass von Schulden findet nur äußerst selten statt“, so die Studie. Die reguläre Kreditvergabe für neue Infrastruktur- und Energieprojekte hätten chinesische Banken als Folge der umfangreichen Rettungskredite drastisch reduziert, was der Analyse zufolge Fragen zur Zukunft der „Seidenstraße“ aufwirft.

Die Seidenstraße war die wichtigste Handelsverbindung zwischen China und Europa in Antike und frühem Mittelalter. China kündigte 2013 an, sie neu beleben zu wollen. Chinas Präsiden Xi Jinping stellte damals offiziell seine Vision einer „neuen Seidenstraße“ vor und erklärte sie zu seinem Prestigeprojekt.

Renminbi sollte Dollar-Konkurrenz werden

Rasch wurde denn auch das Projekt ausgeweitet und eben in „Belt and Road Initiative“ (BRI) umgetauft. Es bestand aus der Idee, Staaten, die auf dem Landweg (belt) oder auf dem Seeweg (road) ungefähr auf der Route der historischen Seidenstraße liegen, mit Verkehrs- und Energieinfrastruktur auszustatten – und so den Handel anzukurbeln.

Ein Zug mit Containern in Pinggu, einem Distrikt der chinesischen Hauptstadt Peking
IMAGO/Xinhua/Ren Chao
Züge mit Containern – auch Bahnstrecken wurden ausgebaut

Mit der Initiative – nun „BRI“ – unterstützt China Infrastrukturprojekte weltweit. Eine Liste aller Projekte gibt es offiziell offenbar nicht, es sind aber vor allem Häfen, Bahn- und Straßenverbindungen sowie Pipelines, die von China Geld bekommen – und dann auch von chinesischen Firmen gebaut werden.

Zudem sollte die Internationalisierung der chinesischen Währung Renminbi vorangetrieben und die Geschäfte so vom Dollar abgekoppelt werden. Der Renminbi sollte in Konkurrenz zum Dollar als künftige Weltwährung etabliert werden. Auch das spielt in die Finanzprobleme des Projekts hinein.

Politische Abhängigkeit durch Schuldenfalle

Kritiker und Kritikerinnen befürchteten bereits bei Bekanntwerden des Projekts, dass die Volksrepublik mit „BRI“ ihren globalen Einfluss sukzessive ausweiten will. China wolle damit Absatzmärkte an sich binden. Die Experten und Expertinnen warnten seit Langem davor, dass finanziell verwundbare Länder in eine Schuldenfalle und wachsende Abhängigkeit geraten könnten. Zudem profitierten vor allem chinesische Unternehmen.

Die „neue Seidenstraße“ umfasse praktisch ganz Asien, einige Länder Afrikas sowie europäische Staaten, insbesondere osteuropäische, hieß es 2019. Rund 65 Länder, die zusammen 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung erbrächten, 62 Prozent der Weltbevölkerung beherbergten und 75 Prozent der weltweiten Energiereserven kontrollierten, lägen auf der Strecke.

Abkommen mit fast allen arabischen Ländern

Als Beispiel können etwa die arabischen Länder genannt werden. China hat in den vergangenen Jahren Abkommen mit fast allen arabischen Staaten geschlossen. Bis Ende 2023 wollte China nach Angaben der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) bis zu 600 Milliarden US-Dollar (527 Mrd. Euro) in die Region investieren. Für viele arabische Länder ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner.