Datencenter
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Europas Energiesorgen

Datenzentren als große Stromfresser

Datenzentren von großen internationalen Tech-Unternehmen sollen in Zukunft vermehrt in Europa errichtet werden. Vor allem Social-Media-Plattformen wie TikTok wollen damit ihr Image aufbessern, indem sie die Daten von Europäerinnen und Europäern verstärkt lokal speichern. Gleichzeitig fressen diese Datenzentren besonders viel Strom und konkurrieren deshalb mit anderen Industriezweigen um Energie.

Der „Green Deal“ der EU soll Europa bis 2050 zum ersten CO2-neutralen Kontinent machen. Im Blick hat die EU-Kommission dabei auch den digitalen Sektor. Aufgrund des global stark steigenden Datenvolumens müsste man sich Gedanken über umweltfreundliche und energieeffiziente Datenzentren machen.

Vor allem Datenzentren von großen internationalen Technologie- und Social-Media-Unternehmen wie Facebook, TikTok & Co. müssten immer mehr Daten verarbeiten und würden somit zu einem immer größeren Energieproblem. Die britische Tageszeitung „Guardian“ berichtete unter Berufung auf Schätzungen der EU-Kommission, dass Datenzentren im Jahr 2030 3,2 Prozent des gesamten Strombedarfs in der EU ausmachen würden. Das entspreche einem Anstieg um 18,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018.

Tiktok ist auf einem Smartphone zu sehen
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Social-Media-Plattformen wie TikTok werden laut Prognosen immer mehr Energie verbrauchen

Neue Datenzentren in Nordeuropa

Der Umstieg auf saubere Energie veranlasst viele Unternehmen, umweltfreundlichere Datenzentren zu errichten. Vor allem Maßnahmen wie effizientere Kühlsysteme sowie der Einsatz von Abwärme und erneuerbaren Energien sind laut der EU-Kommission wichtige Schritte in die Zukunft. Bei der Suche nach dem passenden Standort für neue Datenzentren würden viele Unternehmen in den nordischen Ländern Europas fündig. Das kältere Klima könne die Kühlungskosten verringern.

Allerdings sei das nicht der einzige Grund, warum Datenzentren verstärkt in Europa errichtet würden. Internationale Tech- und Social-Media-Giganten würden schon seit längerer Zeit dafür kritisiert, dass sie die Daten von Europäerinnen und Europäern außerhalb Europas speichern.

Beispiel TikTok

Die Social-Media-Plattform TikTok des chinesischen Unternehmens ByteDance wurde zuletzt von den Diensthandys der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regierung des Vereinigten Königreichs und der EU-Kommission sowie des EU-Parlaments verbannt. Und auch in den USA wurde TikTok bereits auf mehreren Regierungsgeräten verboten.

Grund für die Verbote waren vor allem datenschutzrechtliche Bedenken, die Firma ByteDance könne sensible Daten sammeln und sie der chinesischen Regierung zur Verfügung stellen. Bereits letztes Jahr gab TikTok zu, dass Mitarbeiter des Unternehmens Zugriff auf die Nutzerdaten mehrerer ausländischer Journalisten hätten und diese ausspioniert würden.

Hauptquartier der Firma Byte Dance
Reuters/Carlos Garcia Rawlins
Gegen die TikTok-Mutter ByteDance gab es zuletzt immer wieder Bedenken wegen Datenschutzes

Der CEO von ByteDance hatte bei einer Anhörung vor dem US-Kongress zuletzt allerdings versichert, dass TikTok komplett unabhängig von der chinesischen Regierung sei und dass chinesische Behörden keinen Zugriff auf die Daten des Unternehmens hätten.

Nutzerdaten in Europa

Um die europäischen Gesetzgeber zu beruhigen, würde TikTok noch in diesem Jahr beginnen, europäische Nutzerdaten lokal zu speichern, wie der „Guardian“ berichtete. Die Migration würde allerdings bis 2024 andauern. Damit wolle man den Datentransfer außerhalb der Region reduzieren und den internen Zugriff der Mitarbeiter auf Nutzerdaten einschränken.

Geplant sind laut TikTok neue Datenzentren in Irland und Norwegen. Diese benötigen jedoch enorme Mengen an Energie, um die Server zu kühlen. Dabei kamen zuletzt neue Probleme an die Oberfläche, wie jüngst ein Beispiel in Norwegen zeigte.

Polit-TikTok – Buhlen um die Gunst der Jungen

Das teilweise Verbot des chinesischen Social-Media-Giganten TikTok sorgt auch in Österreich für Diskussionen. In den USA darf die App nicht mehr auf Behördenhandys genutzt werden. Doch wie es scheint, haben es Politiker generell nicht eilig, auf ihre TikTok-Auftritte zu verzichten. Der Grund liegt auf der Hand – denn die Jungen sind mit den alten Medien kaum mehr erreichbar. Zwei Influencer beurteilen einige österreichische Polit-TikToker, deren Auftritte nicht immer als frei von Peinlichkeit gewertet werden. Datenschützer erklären, ob der chinesische Datenmoloch wirklich gefährlicher ist als die US-Anbieter und ob Spionagegefahr besteht.

TikTok vs. Munitionshersteller

In der norwegischen Region Hamar wollte einer der größten Munitionshersteller Europas kürzlich seinen Betrieb expandieren und die Herstellung seiner Munition ankurbeln. Ein in der Nähe geplantes Datenzentrum für TikTok machte ihnen allerdings einen Strich durch die Rechnung.

Das Munitionsunternehmen Nammo, zum Teil im Eigentum der norwegischen Regierung und eines staatlich kontrollierten Rüstungsunternehmen aus Finnland, hatte erfahren, dass es keine zusätzliche Energie für sein Werk in Raufoss gebe. Das TikTok-Datenzentrum verbrauche den für die Expansion benötigten Strom in der Region.

Rendering des Tiktok-Datencenters in Hamar
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Ein 3-D-Modell zeigt, wie das neue TikTok-Datenzentrum in Norwegen aussehen soll

„Wachstum durch Katzenvideos infrage gestellt“

Der CEO von Nammo, Morten Brandtzaeg, sah durch das Datenzentrum von TikTok die Zukunft seines Unternehmens gefährdet. „Wir sind besorgt, dass unser zukünftiges Wachstum durch die Speicherung von Katzenvideos infrage gestellt wird“, sagte er gegenüber der „Financial Times“ („FT“) und spielte damit auf so manche Inhalte auf der Social-Media-Plattform an.

TikTok selbst äußerte sich bis dato nicht dazu. Der örtliche Energieversorger Elvia bestätigte jedoch, dass das Stromnetz keine freien Kapazitäten habe, nachdem man sie dem Datenzentrum per „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Prinzip zugesagt hatte. „Wenn Nammo Kapazitäten bestellt, wird es je nach Bedarf einige Zeit dauern, bis sie zur Verfügung stehen, da das Stromnetz ausgebaut werden muss“, so Elvia.

Munitionsfabrik Nammo
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Dem norwegischen Munitionshersteller Nammo ist das TikTok-Datenzentrum ein Dorn im Auge

Nammo-CEO Brandtzaeg sieht darin keine einmalige Angelegenheit, sondern einen Trend für die Zukunft. Die Regierungen müssten Prioritäten setzen, welche Industrien besonderen Zugang zu Energie erhalten können. „Europa müsste das ein Hauptanliegen sein. Kritische Industrien müssen Zugang zu Energie haben“, warnte er.

Zuletzt riesiger Bedarf an Munition

Seit dem Krieg in der Ukraine sei die Nachfrage von Munition sprunghaft angestiegen. Alleine die Ukraine verbrauche rund 6.000 Schuss pro Tag, was etwa den Jahresbestellungen eines kleinen, europäischen Landes entspreche. Die Ukraine würde aber auch 65.000 Schuss pro Tag abfeuern, wenn sie könnte, heißt es von Nammo.

Laut CEO Morten Brandtzaeg sei die Nachfrage nach Artilleriegeschoßen 15-mal höher als sonst. „Wir sehen eine außergewöhnliche Nachfrage nach unseren Produkten, wie wir sie noch nie zuvor in unserer Geschichte gesehen haben“, sagte er. Die europäische Munitionsindustrie müsse zwei Milliarden Euro in neue Fabriken investieren, nur um die Nachfrage aus der Ukraine zu bedienen.

China mit anderen Interessen?

Obwohl TikTok mit der Errichtung von Datenzentren in Europa der westlichen Kritik entgegentreten wollte, hielt es der Chef der norwegischen Munitionsfirma für möglich, dass die Standortwahl des TikTok-Datenzentrums nicht aus rein wirtschaftlichen Überlegungen stattgefunden habe. „Ich schließe nicht aus, dass es nicht reiner Zufall war, dass diese Aktivitäten in der Nähe eines Rüstungsunternehmens stattfinden“, sagte Brandtzaeg gegenüber der „FT“.

Was Brandtzaeg damit genau meinte, ließ er offen. Allerdings hatte sich China zuletzt aufgrund internationaler Spannungen mit den USA immer mehr vom Westen isoliert und ist durch seine prorussische Haltung im Krieg in der Ukraine aufgefallen.