Blick in den Plenarsaal
ORF/Roland Winkler
Nationalrat

Lange Agenda und ein Gastredner

Zahlreiche Themen stehen Mittwoch und Donnerstag auf der Agenda im Nationalrat, die meiste Aufmerksamkeit wird wohl ein Ereignis abseits der offiziellen Tagesordnung bekommen: Am Donnerstag wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor den Abgeordneten eine Videoansprache halten. Die FPÖ kritisierte das scharf. Schon am Mittwoch wird die Pensionsaliquotierung Thema sein, die SPÖ stellte eine Verfassungsklage in Aussicht. Und auch die Wohnkosten werden für Debatten sorgen.

Als einer der letzten EU-Staaten bietet nun auch Österreich dem ukrainischen Präsidenten die Gelegenheit, vor dem Parlament zu sprechen. Wie in anderen Staaten wird er per Video zugeschaltet sein. Unterstützung kommt von allen Seiten – mit Ausnahme der FPÖ, die auch am Dienstag ihre Kritik daran erneuerte.

Bereits vor einem Jahr war im Parlament eine Videoschaltung mit Selenskyj geplant gewesen, sie war letztlich am Widerstand der FPÖ gescheitert. In der Folge bekam der ukrainische Präsident in zahlreichen westlichen und europäischen Abgeordnetenhäusern Möglichkeiten zu Auftritten per Videoschaltung. Von den 27 EU-Staaten haben ihm bisher neben Österreich nur Bulgarien und Ungarn keine entsprechende Möglichkeit geboten.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte in einem Interview mit der APA zuletzt, dass man nicht mit einem „Störfeuer der FPÖ“ rechnete. Unterschiedliche Meinungen seien zwar das Wesen der Demokratie, doch erwarte er einen respektvollen Diskurs und Dialog. „Verbalangriffe“ werde er jedenfalls nicht akzeptieren.

Der ukrainische Praesident Wolodymyr Selenskyj spricht per Videouebertragung im Deutschen Bundestag
IMAGO/Thomas Trutschel
Selenskyj, hier im März 2022 bei einer Videorede im Deutschen Bundestag, wird nun auch im heimischen Parlament reden

FPÖ ortet „Anschlag auf Neutralität“

In einer Pressekonferenz sah FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl Österreichs Friedens- und Neutralitätspolitik über Bord geworfen, wie er den anderen Parlamentsfraktionen vorwarf. „Sie sind stattdessen zu einer gefährlichen und undifferenzierten ‚Endsiegrhetorik‘ übergegangen“, so Kickl, der für seine Kritik wohl kaum zufällig einen belasteten Begriff aus der NS-Zeit wählte. Die FPÖ werde keine Beitragstäterschaft zu diesem „Anschlag auf Österreichs Neutralität leisten“. Ein – noch geheimer – Protest sei geplant.

Anders als die FPÖ zeigte sich NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak über die Rede Selenskyjs am Donnerstag erfreut. Diese könne Anlass zu einer Debatte über eine Sicherheitsstrategie und die Neutralität bieten – denn diese reiche nicht aus, um Österreich zu schützen, so Scherak.

SPÖ droht mit Verfassungsklage zu Aliquotierung

Abgesehen vom Auftritt Selenskyjs gibt es schon am Mittwoch dichtes Programm. Die SPÖ macht etwa mit ihrer schon länger angekündigten Verfassungsklage gegen die Pensionsaliquotierung ernst. Wenn nicht am Mittwoch im Plenum des Nationalrats die Abschaffung dieses „Pensionsraubs“ paktiert werde, werde man sich an das Höchstgericht wenden, wie der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried in einer Pressekonferenz Dienstagvormittag sagte.

Die SPÖ braucht für ihre Verfassungsklage die Unterstützung einer anderen Fraktion, denn sie will es über eine „Drittelbeschwerde“ versuchen. Dafür benötigt es eben ein Drittel der Abgeordneten und damit realistisch gesehen die Unterstützung der Freiheitlichen. Daran glaubt Leichtfried: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FPÖ bei so was nicht mitgeht.“ Das Anliegen unterstützen wird die SPÖ auch mit einem Dringlichen Antrag im Plenum.

Leichtfried wiederholte, dass für ihn die Aliquotierung eine ungerechte, unsachliche und höchstwahrscheinlich verfassungswidrige Regelung darstelle: „Das Sternzeichen bestimmt die Pensionshöhe für die Zukunft.“ Dabei geht es darum, dass das Pensionsplus im ersten Jahr nach dem Antritt des Ruhestands danach bemessen wird, in welchem Monat man in Pension gegangen ist. Wie Leichtfried betonte, würden diese Verluste dann ein ganzes Leben mitgeschleppt. Das summiere sich auf eine Einbuße von im Schnitt zwei Jahrespensionen.

Wohnkosten als großes Thema

Neben einigen Volksbegehren – unter anderem wieder ein weiteres zur Pandemie – wird am Mittwoch auch die strittige Wohnkostenbeihilfe behandelt. Sie bringt mit sich, dass die von den Bundesländern ausbezahlten Wohn- und Heizkostenzuschüsse vonseiten des Bundes um 225 Millionen Euro aufgestockt werden. Zudem wird der Schutzschirm gegen Obdachlosigkeit um 25 Millionen Euro ausgeweitet.

Blick in den Plenarsaal
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Zahlreiche Themen stehen auf der Tagesordnung

Umstritten ist die Maßnahme vor allem, weil sie nur der Ersatz für die von den Grünen ursprünglich geforderte Mietpreisbremse ist. Da diese gescheitert ist, werden die Mieten mit April bzw. Mai um rund 8,5 Prozent steigen. Die Beihilfen sollen das starke Plus für Bedürftige dämpfen. Die SPÖ übte am Dienstag Kritik – Leichtfried sagte, was die Regierung nun tue, sei ein weiteres Anheizen der Inflation. Das sei sowohl sozial- als auch wirtschaftspolitisch eine „Katastrophe“. Man fördere nur die Renditen von Vermietern und Immobilienlobby.

Aktuelle Stunde zu Wirtschaft

Den Beginn der Sitzung bilden wie üblich eine Aktuelle Stunde bzw. eine Fragestunde. Am Mittwoch lässt die ÖVP über „Wirtschaft, Standort, Arbeit“ debattieren, am Donnerstag stellt sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) den Fragen der Abgeordneten. NEOS-Klubobmann Scherak will am Mittwoch den Unmut an der Wirtschaftspolitik der Regierung auszudrücken. Das Gießkannenprinzip, nach dem Hilfen verteilt würden, sei kontraproduktiv und befeuere die Inflation. Stattdessen wünscht er sich eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten. „Mitarbeiter verdienen zu wenig und sie kosten Unternehmen zu viel“, so Scherak.

FPÖ und NEOS mit einigen Forderungen

Die FPÖ kündigte am Dienstag einige Vorhaben an: So will man etwa eine Verfassungsänderung, mit der das Neutralitäts- und das Souveränitätsprinzip als Grundbausteine verankert werden sollen. Die FPÖ will in den kommenden Plenartagen auch eine Entschließung der Freiheitlichen für einen CoV-Entschädigungsfonds nach niederösterreichischem Vorbild im Bund, dotiert mit 250 Mio. Euro, einbringen.

NEOS fordert unterdessen eine von der Krankenkasse finanzierte Psychotherapie. Pro Behandlung bekomme man nur einen Bruchteil retour, so NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. Kein Kind oder Jugendlicher solle sich Sorgen machen müssen, ob die Eltern eine Therapie bezahlen können. Eine parlamentarische Petition zur Forderung hätten Dienstagfrüh bereits über 3.000 Personen unterstützt.

Verkehrspaket und Änderungen für Geflüchtete aus Ukraine

Ebenfalls noch am Mittwoch steht ein Verkehrspaket zum Beschluss an. Damit wird ein Verstoß gegen ein Handyverbot am Steuer künftig mit 100 Euro sanktioniert, eine Verdoppelung des gegenwärtigen Tarifs. Bei einer Missachtung der Gurten- oder der Sturzhelmpflicht werden 50 statt bisher 35 Euro fällig.

Am Donnerstag wird dann im Plenum, das sich direkt an die Veranstaltung mit der Selenskyj-Rede anschließt, Ukrainerinnen und Ukrainern ein unbeschränkter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ermöglicht. Zudem wird der Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte ein weiteres Mal erleichtert, diesmal für Stammsaisonniers.

„Terroristische Drohung“ soll Straftatbestand werden

Ab Mai wird es für ältere Personen zudem leichter werden, zu einem Kredit zu kommen. Eine Vergabe soll nun auch unabhängig von der Lebenserwartung möglich sein, sofern durch Vermögenswerte „eine hinreichende Gewähr für die Abdeckung des offenen (Rest-)Betrags“ sichergestellt sei.

Etabliert wird ein neuer Straftatbestand für „terroristische Drohungen“. In diesen Fällen soll eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren verhängt werden können. Erfreuliches beschließt der Nationalrat für Finder. Waren im Wert von bis zu 100 Euro können in Zukunft schon nach einem halben Jahr behalten werden, wenn sich der Besitzer nicht meldet.