Polizisten und Demonstranten in Wien bei der Gaskonferenz
Reuters/Leonhard Foeger
Gaskonferenz

Globale Politik als Triebfeder für Proteste

Die Europäische Gaskonferenz (EGC) in Wien sorgt weiter für Wirbel. Am Dienstag kam es zum zweiten Tag infolge zu Protesten. An der Fassade des Hotels Marriott wurde ein Banner entrollt, in Niederösterreich blockierten Klimaaktivistinnen und -aktivisten die Zufahrt zur OMV-Raffinerie in Schwechat. In der Pressekonferenz erläuterten die Protestgruppen ihre Anliegen – und führten vor allem auch politische Gründe für ihre Forderungen an.

Vertreterinnen und Vertreter von Klimaschutzgruppen aus mehreren Ländern nahmen bei dem Termin in den Räumen der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) vor allem auf globale Aspekte der Energiekrise Bezug. „Fossile Brennstoffe stiften Krieg“, sagte eine Aktivistin von „Fridays for Future“ Ukraine.

Dean Bhekumuzi Bhebhe, Aktivist von „Don’t Gas Africa“, betonte bei dem Medientermin, dass die Last der Energiekrise vor allem der afrikanische Kontinent zu tragen habe. Denn während sich auf der Konferenz vor allem CEOs europäischer Konzerne tummelten, solle der Großteil des neu geförderten Gases aus Ländern Afrikas kommen.

Afrika als „Tankstelle missbraucht“

„Die Menschen, die die Klimakrise spüren, sind nicht auf der Konferenz repräsentiert“, so der Tenor des Aktivisten. „Die Pläne der fossilen Industrie zur Ausweitung der Gasförderung in Afrika, wie sie von der Europäischen Gaskonferenz vertreten werden, stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Menschen und die Entwicklung Afrikas dar“, hieß es weiter. Der globale Norden missbrauche Afrika als Tankstelle, sagte Bhebhe.

Pressekonferenz der Klimaaktivisten gegen die europäische Gas-Konferenz in Wien
IMAGO/SEPA.Media/Martin Juen
Das international besetzte Podium bei der Pressekonferenz

Afrika müsse stattdessen seine klimapolitischen Ambitionen erhöhen und zu einem „wichtigen Akteur in einer grünen Weltwirtschaft“ werden, indem es seine Energiezukunft selbst definiere, so der Aktivist.

Fossile Energieträger als Kriegstreiber?

Walerija Bondarjewa, ukrainische Klimaaktivistin von „Fridays for Future“, nahm am Dienstag zur Situation in ihrem Heimatland Stellung. Ihr Land sei vom größten Gasexporteur der Welt überfallen worden, sagte sie. „Solange Kohle, Öl und Gas nicht im Boden bleiben und eine saubere und gerechte Energiewende umgesetzt wird, wird es keinen Frieden geben“, schlussfolgerte Bondarjewa, die in der vom Angriffskrieg gebeutelten Millionenstadt Charkiw lebt.

Statement von Walerija Bondarjewa („Fridays for Future“ Ukraine)

Anlässlich der Proteste gegen die europäische Gaskonferenz in Wien fand eine Pressekonferenz mit Walerija Bondarjewa („Fridays for Future“ Ukraine) statt.

„Die Gaskonzerne interessieren sich nicht für unsere Sicherheit, Gesundheit oder unser Wohlergehen. Während vier von fünf Europäerinnen und Europäern in diesem Winter Schwierigkeiten hatten, ihre Energierechnungen zu bezahlen, haben Konzerne wie Shell, PKN Orlen, BP, OMV und viele andere Rekordgewinne gemacht.“

Ihre polnische Kollegin Wiktoria Jedroszkowiak von „Fridays for Future“ Osteuropa schlug in dieselbe Kerbe. „Unsere Energieinfrastruktur sollte unsere Bedürfnisse befriedigen und uns nicht in Gefahren, Krisen und Kriege stürzen.“

Kritik an Österreich

Die Sprecherin von „Fridays for Future“ Deutschland äußerte am Dienstag speziell Kritik an der österreichischen Klima- und Energiepolitik. „Gerade in Deutschland wurden zuletzt immer die grünen Hänge von Skigebieten im Fernsehen rauf und runter gezeigt. Man sieht an Österreich also wirklich gut, wie sich die Klimakrise auswirkt“, so Luisa Neubauer in einem Gespräch mit der APA.

Doch um mit positivem Beispiel voranzugehen und neue Entwicklungen in der Klimapolitik voranzutreiben, mangle es Österreich an Hemdsärmeligkeit, so Neubauer. „Ich war zuletzt auch völlig erstaunt, wie sehr der Ausbau von Windkraft hierzulande stagniert“, sagte Neubauer, die am Dienstagnachmittag für die Proteste ebenfalls nach Wien reiste.

„Demokratisierung des Energiesystems“

Als Gegenveranstaltung zu dem Treffen am Ring fand am Wochenende bereits die von ATTAC initiierte internationale „Power to the People“-Konferenz statt. Sprecher Max Hollweg plädierte in diesem Zusammenhang auf der Pressekonferenz für eine „Demokratisierung des Energiesystems“.

Die großen Energiekonzerne, die derzeit Milliardengewinne mit dem „Grundrecht Energie“ machten, müssten vergesellschaftet werden. „Nur so können wir den Zugang zu einer leistbaren Versorgung mit sauberer Energie für alle sicherstellen“, sagte Hollweg.

143 Festnahmen am Montag

Indes hat die Polizei im Zusammenhang mit der am Montag erfolgten Auflösung einer nicht genehmigten Versammlung unweit des Tagungsorts im Marriott 142 Personen wegen Verdachts auf schwere gemeinschaftliche Gewalt angezeigt. Eine weitere Person wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zur Anzeige gebracht. Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten versucht, gewaltsam zum abgesperrten Hotel vorzudringen, wobei sich einige von einer Baustelle Steinen und anderes Material besorgt haben sollen, so die Pressestelle der Landespolizeidirektion.

Die Polizei hatte die Versammlung mittels Einsatzes von kanisterweise versprühtem Pfefferspray aufgelöst, was Amnesty International und die Grünen als unverhältnismäßig kritisierten. Die Polizei hatte die 143 Personen festgenommen, weil diese ihre Identität nicht preisgeben wollten. Einige wenige von ihnen befanden sich am Dienstagnachmittag noch in Gewahrsam im Polizeianhaltezentrum.

„Die wahren Kriminellen sitzen im Marriott“

„Die wahren Kriminellen sitzen aber im Marriott und schnapsen sich dort ihre Deals aus“, sagte „BlockGas“-Sprecherin Verena Gradinger, die auf der Pressekonferenz von der Protestaktion bei der OMV in Schwechat live zugeschaltet war. Dort blockierten rund 200 Klimaaktivistinnen und -aktivisten Dienstagfrüh die Zufahrt zur OMV-Raffinerie – mehr dazu in noe.ORF.at.

Weitere Proteste gegen Gaskonferenz

Umweltaktivisten von Greenpeace hissten an der Fassade des Hotels Marriott ein sechs mal acht Meter großes Banner mit der Aufschrift „End Fossil Crimes!“ (z.dt. „Stoppt fossile Verbrechen“). Dafür seilten sich die Umweltschützer aus zuvor angemieteten Zimmern ab.

In Wien hissten Umweltaktivisten von Greenpeace an der Fassade des Marriott ein sechs mal acht Meter großes Banner mit der Aufschrift „End Fossil Crimes!“ („Stoppt fossile Verbrechen“). Dafür seilten sich die Umweltschützer aus zuvor angemieteten Zimmern ab. Die Kletterer wurden aus den Zimmern gesichert.

Unter dem Motto „Stoppt die Gaslobby“ riefen Klimaaktivistinnen und -aktivisten am späten Nachmittag zu einer Demonstration gegen die Konferenz auf. Seitens der Polizei gab es am Abend keine offiziellen Zahlen, die Veranstalter sprachen von 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Route des Demozuges verlief vom Stephansplatz über die Rotenturmstraße bis zum Karlsplatz – mehr dazu in wien.ORF.at.

EU verweist auf verringerte Abhängigkeit von Russland

Bei der Gaskonferenz, die das Ziel der Proteste ist, sagte Matthew Baldwin, stellvertretender Generaldirektor für Energie der EU, man sehe „derzeit keine Versorgungslücke im Jahr 2023“, Mit einer Reihe beispielloser Maßnahmen sei es der EU im vergangenen Jahr bereits gelungen, die Gasabhängigkeit von Russland drastisch zu reduzieren.

„Im Jänner hat russisches Gas nur sieben Prozent der Pipelineimporte ausgemacht verglichen mit 50 Prozent im Jänner 2022.“ Das russische Gas sei durch eine deutliche Steigerung der LNG-Importe ersetzt worden, vor allem aus den USA, die ihre Exporte nach Europa fast verdreifacht hätten. Der wichtigste Lieferant von Pipelinegas in die EU war im vergangenen Jahr Norwegen, das mit einem Anteil von 40 Prozent Russland auf den zweiten Platz verdrängte.

OMV-Chef sieht Gas als Brückentechnologie

OMV-Chef Alfred Stern versicherte in seiner Rede bei der Gaskonferenz, dass man in der Lage und gewillt sei, die Gasversorgung aller OMV-Kunden in Österreich und im Ausland zu gewährleisten. Das sei durch die Diversifizierung der Quellen, die Sicherung der Transportkapazitäten und das Auffüllen der Speicher gelungen.

„Unser modernes Leben und unser Lebensstandard hängen von der Verfügbarkeit und von der Leistbarkeit von Energie und Gas im Besonderen ab“, sagte Stern. Gleichzeitig müsse man die Dekarbonisierung des Energiesystems beschleunigen. Gas werde eine Schlüsselrolle als Brückentechnologie bei der Dekarbonisierung spielen, weil es vergleichsweise geringe CO2-Emissionen verursache.