Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron
Reuters/Gonzalo Fuentes
Von der Leyen und Macron

In heikler Mission nach China

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reisen am Dienstag gemeinsam nach China, wo die beiden auf den chinesischen Machthaber Xi Jinping treffen. Mit dem Besuch will man das Verhältnis der EU zu China neu ausrichten. China gilt als einer der größten Handelspartner der Europäischen Union – doch das Verhältnis der asiatischen Großmacht zu Russland sorgt zunehmend für Verstimmungen.

„Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden“, sagte von der Leyen in einer Grundsatzrede zu den Beziehungen zwischen der EU und China am vergangenen Donnerstag in Brüssel. „Daher müssen wir diese Beziehungen auf der Grundlage von Transparenz, Berechenbarkeit und Gegenseitigkeit neu austarieren.“

Konkret ging sie dabei auf die Herausforderungen etwa durch Menschenrechtsverletzungen in China, Pekings militärisches Auftreten in der unmittelbaren Nachbarschaft, die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Chinas wirtschaftliche Stärke ein. Von der Leyen forderte China zudem auf, sich für einen „gerechten Frieden“ in der Ukraine einzusetzen. Wie sich Peking in diesem Konflikt verhalte, werde für die Beziehungen zur EU von entscheidender Bedeutung sein, sagte sie.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Valeria Mongelli
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hielt zuletzt eine Grundsatzrede zu den Beziehungen zwischen der EU und China

Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen habe China auch die Verantwortung, eine konstruktive Rolle bei der Förderung eines Friedens zu spielen. Die russischen Streitkräfte müssten sich zurückziehen und die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt werden. „Jeder Friedensplan, der faktisch die russischen Annexionen konsolidieren würde, ist kein gangbarer Weg“, fügte sie in Anspielung auf chinesische Vorschläge hinzu.

„Zu Hause repressiver, im Ausland selbstbewusster“

Zudem sah von der Leyen eine härtere Haltung Chinas, Wünsche gegenüber anderen Ländern durchzusetzen. Gerade die Menschenrechtsbilanz deute auf eine allgemeine Verhärtung hin. „Diese eskalierenden Aktionen deuten auf ein China hin, das zu Hause repressiver und im Ausland selbstbewusster wird“, sagte sie.

Die EU müsse daher unabhängiger werden und vor allem wirtschaftliche Risiken im Verhältnis zu dem bevölkerungsreichsten Land der Erde minimieren. Von der Leyen verwies dabei auch auf eine zu große Abhängigkeit von China etwa im Bereich der Rohstoffe. Peking habe gegenüber Japan bereits gezeigt, dass es gewillt sei, wirtschaftliche Abhängigkeiten auch politisch einzusetzen.

Es sei aber realistisch noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln, betonte sie gleichzeitig. „Wir müssen uns auf die Risikominderung anstatt Entkopplung konzentrieren.“ Es sei entscheidend, diplomatische Stabilität und offene Kommunikationsverbindungen sicherzustellen. Als Bereiche, in denen Zusammenarbeit möglich ist, nannte sie den Kampf gegen den Klimawandel sowie den Naturschutz.

„Investitionsabkommen neu bewerten“

Auch das abgeschlossene Investitionsabkommen müsse wegen der Entwicklung Chinas „neu bewertet werden“. „Es könnte passieren, dass wir aufgrund des Politikwandels in China neue Abwehrinstrumente für einige kritische Sektoren entwickeln müssen“, fügte von der Leyen hinzu.

Die künftigen Beziehungen zu China und anderen Ländern müssten in sensiblen Hochtechnologiebereichen wie Mikroelektronik, Quanteninformatik, Robotik, künstliche Intelligenz und Biotechnologie neu definiert werden. „Wenn ein doppelter Verwendungszweck nicht ausgeschlossen werden kann oder Menschenrechte betroffen sein könnten, müssen wir eine klare Linie verfolgen, wenn es darum geht, ob Investitionen oder Ausfuhren im Interesse unserer eigenen Sicherheit liegen“, betonte von der Leyen.

Kritik an von der Leyen

Kritik an der EU-Kommissionspräsidentin kam am Freitag aus China. Fu Cong, der chinesische Botschafter bei der Europäischen Union, sagte, er sei „ein wenig enttäuscht“. Gegenüber dem staatlichen Fernsehsender CGTN hielt er fest, dass die Rede von von der Leyen eine Menge falscher Darstellungen und Fehlinterpretationen der chinesischen Politik und der chinesischen Positionen enthalten habe.

„Druck auf Russland ausüben“

Neben der EU-Kommissionspräsidentin reist auch der französische Präsident Macron mit nach Peking. Im Vorfeld seiner Reise sagte Macron im Hinblick auf den Ukraine-Krieg, er wolle „versuchen, China so weit wie möglich einzubeziehen, um Druck auf Russland auszuüben“, was Themen wie Atomwaffen betreffe.

Es wird außerdem erwartet, dass Macron versuchen wird, Chinas Haltung zur russischen Drohung, Atomraketen in Belarus zu stationieren, zu hinterfragen. Das würde nämlich klar Chinas Zwölfpunktefriedensplan widersprechen, der die Nichtverbreitung von Atomwaffen vorsieht.

Xi Jinping und Emmanuel Macron 2018
Reuters/Thomas Peter
Frankreichs Präsident Macron (hier bei seinem letzten Besuch in China) will mit Hilfe Chinas Druck auf Russland ausüben

Der französische Präsident würde allerdings auch nicht davor zurückschrecken, Pekings Unterstützung für Russland anzusprechen, insbesondere wenn es um Waffenlieferungen geht, so ein hoher französischer Regierungsbeamter gegenüber dem Politikmagazin „Politico“. Man würde China nicht drohen, aber einige Warnungen senden. „Die Chinesen müssen verstehen, dass die Entsendung von Waffen Konsequenzen für Europa und für uns haben würde“, so der Beamte weiter. Von der Androhung möglicher Sanktionen würde sich Macron allerdings fernhalten.

Handelsbeziehungen im Fokus

Eine bedeutende Rolle während des Besuchs spielen für Macron auch die Handelsbeziehungen mit China. Der französische Präsident wird daher von seinem Finanzminister Bruno Le Maire und Außenministerin Catherine Colonna begleitet.

Mit dabei ist auch eine große Delegation aus Wirtschaftsführenden, darunter Vertreterinnen und Vertreter von EDF, Alstom, Veolia und dem Luft- und Raumfahrtriesen Airbus. Einem Regierungsbeamten zufolge könnte ein mögliches Geschäft mit dem europäischen Flugzeughersteller Airbus in Arbeit sein, nachdem China 2019 300 Flugzeuge für 30 Milliarden Euro bestellt hatte.

International wenig Erwartungen

Die USA zeigten sich hinsichtlich Macrons Reise eher skeptisch und ohne große Erwartungen, wie „Politico“ aus US-Regierungskreisen erfuhr. Die Zweifel regten sich wohl auch aufgrund Macrons gescheiterter Versuche in der Vergangenheit, den Krieg in der Ukraine zu beenden oder das Atomabkommen mit dem Iran zu retten.

In der Regierung von US-Präsident Joe Biden äußerten einige Beamte zudem Bedenken über Frankreichs mögliche Nähe zu China in einer Zeit, in der die Spannungen zwischen Washington und Peking auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten sind. Man würde Macrons Bemühungen in Peking allerdings nicht ablehnen, hieß es. Das Weiße Haus unterstütze die Reise.