Bild des ermordeten russischen Militärbloggers Vladlen Tatarsky umgeben von Blumen
Reuters/Anton Vaganov
Russischer Blogger getötet

Schuldzuweisungen in alle Richtungen

Die Explosion in St. Petersburg, bei der der bekannte russische Militärblogger Wladlen Tatarski getötet wurde, hat schnell zu gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt. Moskau vermutet hinter dem Anschlag Verbindungen zu Kiew und dem inhaftierten Kreml-Gegner Alexej Nawalny. Dieser wiederum bezichtigt den russischen Geheimdienst. Von der verhafteten Verdächtigen veröffentlichte Russland indes ein Video, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Für Moskau war der Anschlag vom Sonntag ein Akt des Terrors, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag sagte. „Es gibt Angaben, dass die ukrainischen Geheimdienste mit der Planung dieses Terroranschlags etwas zu tun haben könnten.“ Peskow warf der Führung in Kiew vor, „terroristische Handlungen“ in Russland zu unterstützen.

Das russische Anti-Terror-Komitee teilte die Ansicht, der ukrainische Geheimdienst habe den Anschlag geplant. Dafür sei die 26-jährige Darja Trepowa herangezogen worden, hieß es am Montag. Sie soll Tatarski in einem Lokal eine Gipsbüste überreicht haben, die mit einem Sprengsatz versehen war. Die Frau wurde inzwischen wegen Mordes verhaftet.

Mysteriöses Video

Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS handelt es sich bei Trepowa um eine russische Staatsbürgerin, die wegen Protests gegen den Krieg in der Ukraine bereits früher einmal festgenommen worden war. Laut BBC gaben Trepowas Familienmitglieder an, sie sei eine Antikriegsaktivistin, doch seien ihre Ansichten nie radikal gewesen. Zu einem Mord sei sie nicht fähig.

Ihr Ehemann sagte laut russischen Medien, Trepowa habe das Lokal nach Übergabe des Geschenks auch nicht verlassen. Vielmehr sei seine Frau davon ausgegangen, dass in der Büste eine Wanze befestigt gewesen sei, um Tatarski abzuhören.

die Tatverdächtige Darya Trepova
AP/Russian Interior Ministry Press Service
Trepowa wurde verhaftet, das russische Innenministerium veröffentlichte ein Video von ihr

Das Innenministerium in Moskau veröffentlichte am Montag ein Video von Trepowa, in dem sie zugibt, in dem Cafe gewesen zu sein und Tatarski die Büste übergeben zu haben. Auf die Frage, wer ihr den Gegenstand gegeben habe, meinte die Tatverdächtige, dass sie das später sagen werde. Unter welchen Umständen das Video entstand, ist unklar.

Nawalnys Team verdächtigt Geheimdienst

Nach Darstellung des russischen Anti-Terror-Komitees stand Trepowa mit Nawalnys Stiftung in Verbindung. Das Team des inhaftierten Kreml-Gegners wiederum wies Vorwürfe einer Verbindung zum Anschlag kategorisch zurück. Verantwortlich seien vielmehr Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, so die im Exil lebenden Oppositionellen Iwan Schdanow und Leonid Wolkow.

Schon seit Jahren versuche der Machtapparat, der Opposition Terror anzuhängen, sagte Schdanow. Er und Wolkow warfen dem FSB vor, schon seit Jahren politische Morde zu inszenieren. Der FSB habe diesen Blogger, der auch die Kriegsführung des Verteidigungsministeriums in Moskau kritisierte, selbst „beseitigt“.

Die Vorwürfe des Anti-Terror-Komitees sind insofern heikel, als sich Nawalny bald in einem neuen Strafverfahren wegen Extremismus verantworten muss. Für die russischen Ermittler sei es bequem, denn so könne Nawalny zur Höchststrafe wegen Terrors verurteilt werden, sagte Schdanow.

Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny
AP/Dmitry Serebryakov
Nawalnys Team befürchtet nun, dass der Kreml-Gegner eine noch höhere Strafe ausfassen könnte

Prigoschin widerspricht

Tatsächlich hatte Tatarski dem Militärapparat „Systemfehler“ bescheinigt und Verbesserungsvorschläge für die Kriegsführung gemacht. Die einflussreichen Militärblogger kritisieren zum Ärger des Sicherheitsapparats immer wieder etwa auch Korruption und Amtsmissbrauch in der Staatsführung.

Festnahme nach Mord an Militärblogger

Russische Ermittler haben eine Verdächtige im Zusammenhang mit einer Explosion in St. Petersburg festgenommen, bei welcher der bekannte russische Militärblogger Wladlen Tatarski ums Leben gekommen ist. Darja Trepowa soll wegen des Verdachts auf Beteiligung inhaftiert worden sein.

Diese Missstände hatte auch der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, dem das Cafe, in dem Tatarski starb, gehörte, wiederholt angeprangert. Prigoschin lobte den Blogger als Patrioten und zeigte sich mit einer russischen Fahne, auf der Tatarskis Name stand. Der Wagner-Chef widersprach zudem der Auffassung des Kreml und sah eher eine Gruppierung radikaler Kriegsgegner hinter dem Anschlag. „Ich würde nicht dem Regime in Kiew die Schuld geben an diesen Handlungen“, sagte er.

Kämpfer im Donbas

Im russischen Machtapparat hatte das Attentat am helllichten Tag für Entsetzen gesorgt. Die Staatsmedien zeigten Videos der Überwachungskameras von der Explosion. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt, Tatarski selbst war sofort tot.

Gemeindearbeiter kehren nach der Explosion im „Street Bar“-Cafe in St. Petersburg (Russland) Scherben von der Straße
AP/Dmitri Lovetsky
Die Explosion tötete Tatarski sofort. Zudem wurden mehr als 30 Menschen verletzt.

Der 40-jährige Blogger, mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin, stammte aus der Region Donezk in der Ostukraine, die Russland als annektiert bezeichnet. Mehr als eine halbe Million Menschen haben seinen Kanal auf Telegram abonniert. Er galt als vehementer Befürworter des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und war bekannt für seine Kriegsrhetorik.

Tatarski hatte ab 2014 zunächst als Aufständischer für die Unabhängigkeit des russisch kontrollierten Donbas gekämpft, ehe er sich seiner Tätigkeit als politischer Blogger zuwandte. In Prigoschins Cafe sollte Tatarski über seine Erfahrungen als Kriegsreporter sprechen. Russlands Staatschef Wladimir Putin zeichnete den Getöteten am Montag postum mit dem Tapferkeitsorden aus.

Schärfere Strafen für Terrorismus

Wie am Montag bekanntwurde, plant das russische Parlament vor dem Hintergrund des Attentats weitere Gesetzesverschärfungen. „In der nächsten Zeit schlagen wir Änderungen vor, die die Strafen für Terrorismus verschärfen“, schrieb der Chef des Sicherheitsausschusses im Parlament, der russischen Staatsduma, Wassili Piskarjow, auf seinem Telegram-Kanal. Die Änderungen beträfen nicht nur Terroranschläge selbst, sondern auch Beihilfe und Terrorpropaganda, kündigte der Abgeordnete der Kreml-Partei Geeintes Russland an.

Schon jetzt stehe auf Terrorismus eine lebenslange Haft, doch bei einer Verurteilung nach anderen Paragrafen seien mildere Strafen vorgesehen. „Das Wichtigste: Wir schlagen vor, den Katalog an Straftaten, auf die lebenslange Haft steht, zu vergrößern“, schrieb Piskarjow. Das sei nötig, um Russland vor der wachsenden Gefahr aus der Ukraine zu schützen, behauptete er. Jeder, der einen Anschlag ausführe, plane oder auch nur rechtfertige, dürfe nicht „um die schärfsten Strafen“ herumkommen, forderte der einflussreiche Abgeordnete.

Kiew sieht Zeichen von Machtkämpfen

In Kiew sah der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, den Anschlag auf Tatarski eher als ein Zeichen von Machtkämpfen in Russland. Auch „Spinnen“ würden sich gegenseitig fressen in einem Gefäß, meinte er.