Eine Apothekerin greift in einen Medikamentenschrank
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Medikamentenmangel

Deutsches Gesetz löst Bedenken aus

Die Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln stellen viele Menschen vor große Probleme. In Deutschland wurde am Mittwoch ein Gesetz verabschiedet, wonach u. a. der Preis von Kindermedikamenten von den Herstellern um bis zu 50 Prozent erhöht werden darf. In Österreich könnte das das Problem verschärfen – und sowohl eine langfristige Strategie als auch kurzfristige Abhilfe fehlen weiter.

Sozialversicherungschef Peter Lehner bezeichnete den deutschen Gesetzesentwurf am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal als „europäisch unsolidarisch“. Er schließe aber aus, dass Deutschland nun mehr Medikamente bekommt als Österreich. Das Gesundheitsministerium in Wien plant laut Ö1 keine Preiserhöhungen.

„Wir haben europäisch gesehen Lieferengpässe. Die kann man langfristig lösen, indem wir Produktion nach Europa zurückholen“, sagte Lehner. „Kurzfristig macht ein höherer Preis ein Produkt nicht verfügbar.“ Es sei aber klar „dass ein Exportverbot, das es ja auch gibt, kontrolliert werden muss und exekutiert werden muss“, sagte der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger und forderte, dass Medikamente, bei denen ein Mangel besteht, weiterhin nicht aus Österreich an Deutschland oder andere Länder geliefert werden.

Apotheken sollen Antibiotikasäfte herstellen

Österreich habe bei Arzneimitteln ein generell anderes System als Deutschland, „kein Billigstpreissystem“, erläuterte Lehner. „Produzenten haben die Möglichkeit, Preiserhöhungsanträge zu stellen, das passiert laufend, und das wird in den letzten Jahren zu 90 Prozent von uns auch genehmigt.“ Zur Linderung des Engpasses habe sich die Sozialversicherung außerdem „mit den Apothekern geeinigt und grünes Licht gegeben, dass diese klassischen Säfte für Kinder in Apotheken hergestellt werden können. Da warten wir jetzt noch auf das Okay vom Gesundheitsministerium.“

Medikamentenmangel könnte sich zuspitzen

Im internationalen Ringen um Antibiotika und Fiebermittel will Deutschland Pharmafirmen künftig mehr Geld für die Produkte zahlen. Das könnte Österreich und andere Länder ins Hintertreffen bringen.

Klaus Friesenbichler vom Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), warnte dagegen im Ö1-Interview davor, dass „der Markt von den Deutschen letztlich aufgekauft“ wird und es somit zu einer geringeren Versorgung in Österreich kommt. „Insgesamt wäre eine europäische Lösung wünschenswert“, sagte der Experte, der auch am neu gegründeten Lieferkettenforschungsinstitut Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) tätig ist.

NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler wies die SV-Kritik an Deutschland am Freitag zurück. Aus ihrer Sicht ist die Einkaufsstrategie der SV mit einem „Kampfpreis“ die Ursache für die Misere. NEOS fordert auch, einen nach ihren Angaben zuletzt beschlossenen Abschlag auf den EU-Durchschnittspreis auf neue Medikamente von 6,5 Prozent wieder aufzuheben.

Das Kabinett der deutschen Regierung hatte am Mittwoch einen Gesetzesentwurf für eine stärkere Absicherung von Medikamentenlieferungen beschlossen. Um Ausfälle wichtiger Arzneimittel zu vermeiden, sollen bestimmte Preisregeln gelockert werden. Zudem sollen europäische Hersteller stärker zum Zug kommen. Deutschland plant auch Vorgaben zu mehrmonatigen Vorräten als Sicherheitspuffer.