Soldaten stehen an der Ladefläche einer Militärtransportmaschine in Kabul
AP/U.S. Air Force/Senior Airman Taylor Crul
Afghanistan-Abzug

Bericht mit Vorwürfen an Trump-Regierung

Die US-Regierung von Präsident Joe Biden wirft dem Kabinett von dessen Vorgänger Donald Trump schwere Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Abzug aus Afghanistan im August 2021 vor. In einem mit Spannung erwarteten und am Donnerstag veröffentlichten Bericht heißt es, frühere Entscheidungen, ein knapper Zeitplan und die unterschätzte Stärke der Taliban wären für die chaotische Mission verantwortlich gewesen.

Biden sei in seinen Entscheidungen, wie der Abzug durchzuführen sei, durch die von Trump geschaffenen Bedingungen „stark eingeschränkt“ gewesen, heißt es in dem zwölf Seiten langen Bericht verschiedener Nachrichtendienste unter der Führung des Nationalen Sicherheitsrates. Als Biden ins Amt gekommen sei, seien die Taliban in der stärksten militärischen Position seit 2001 gewesen, heißt es. Gleichzeitig seien nur noch 2.500 US-Soldaten in Afghanistan gewesen, so wenige wie zu keinem Zeitpunkt des Einsatzes.

Biden hatte im April 2021 angekündigt, alle US-Soldaten spätestens bis zum 11. September bedingungslos aus Afghanistan abzuziehen. Im Juli zog Biden das Datum für den vollständigen Abzug auf den 31. August vor. Aber bereits am 15. August hatten die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen.

Dutzende Tote bei Anschlag auf Flughafen in Kabul

Die letzten US-Truppen hatten Afghanistan Ende August 2021 verlassen. Inmitten des Evakuierungseinsatzes wurden bei einer Terrorattacke vor dem Flughafen von Kabul Dutzende Afghanen und 13 US-Soldaten getötet. Die mit den radikalislamischen Taliban verfeindete Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Angriff für sich. Die Taliban hatten Mitte August die Macht in Kabul übernommen. Man habe aus dem Abzug gelernt, heißt es in dem Bericht. Man priorisiere seither einen früheren Abzug, wenn sich die Sicherheitslage an einem Einsatzort verschlechtere.

Tausende Menschen am Flughafen in Kabul im Jahr 2021
AP/Shekib Rahmani
Verzweiflung auf dem internationalen Flughafen von Kabul im August 2021

Trump gab engen Zeitplan vor

Unter Bezug auf Trump heißt es, im Februar 2020 hätten die USA den Taliban zugesagt, bis Mai 2021 aus Afghanistan abzuziehen. Im Gegenzug erklärten sich die Taliban bereit, die US-Truppen nicht anzugreifen. Biden sei dann mit diesem engen Zeitplan konfrontiert gewesen, heißt es in dem Bericht. Sonst hätten die Taliban die US- und alliierten Einheiten angegriffen.

Die scheidende Trump-Regierung habe lediglich einen Termin für einen Rückzug, aber „keinen Plan für dessen Ausführung“ hinterlassen, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Zudem seien staatliche Stellen, die für einen geordneten Rückzug des US-Militärs aus Afghanistan nötig gewesen wären, „nach vier Jahren der Vernachlässigung und in einigen Fällen der absichtlichen Verschlechterung“ in einem „schlechten Zustand" gewesen“. Kein Geheimdienst habe einen derart schnellen Zusammenbruch der afghanischen Streitkräfte gegen die Taliban vorhergesehen.

Amerikanische Soldaten in Afghanistan
AP/Hoshang Hashimi
Der Afghanistan-Einsatz gilt als der längste Krieg der USA

Taliban unterschätzt

In der Zusammenfassung des Berichts heißt es weiter, die „Geschwindigkeit und Leichtigkeit“, mit der die Taliban nach 20 Jahren US-Präsenz, „mehr als zwei Billionen Dollar Ausgaben und dem Aufbau einer afghanischen Armee mit 300.000 Soldaten“ vorgerückt seien, lasse vermuten, dass lediglich eine „permanente und erheblich ausgeweitete US-Militärpräsenz“ etwas an der Entwicklung geändert hätte.

Mit dem Abzug endete der internationale Militäreinsatz in dem Land nach fast 20 Jahren. Der Afghanistan-Einsatz gilt als der längste Krieg der USA in der Geschichte. Biden war nach dem Abzug heftig kritisiert worden.

Humanitäre Lage prekär, Situation für Frauen katastrophal

Die humanitäre Lage in Afghanistan gilt als prekär: Seit dem Abzug der internationalen Truppen ist die Wirtschaft kollabiert. Nach Angaben der Vereinten Nationen unterstützen die UNO und ihre Partner einschließlich nationaler und internationaler NGOs derzeit mehr als 28 Millionen Afghanen, die für ihr Überleben von humanitärer Hilfe abhängen. In dem Land leben schätzungsweise 37 Millionen Menschen.

Seit ihrer erneuten Machtübernahme in Afghanistan im August 2021 haben die militanten Islamisten Frauenrechte stark eingeschränkt. So haben die Taliban Frauen von allen Universitäten verbannt. Die Schulbildung für Mädchen schränkten die Islamisten bereits wenige Monate nach ihrer Machtübernahme ein.