Clarence Thomas
IMAGO/CNP/Eric Lee
Von Milliardär bezahlt

Luxusreisen belasten US-Höchstrichter

Ein erzkonservativer Richter am obersten Gericht der USA steht in der Kritik: Clarence Thomas soll einem Bericht zufolge über Jahre Luxusreisen von einem Milliardär angenommen haben, der Großspender für konservative Projekte ist. Thomas, dessen Äußerungen immer wieder für Aufregung sorgen, ist sich keiner Schuld bewusst. Ihm sei gesagt worden, er sei nicht verpflichtet, solcherlei Reisen zu melden.

„Zu Beginn meiner Amtszeit am Gericht habe ich mich bei meinen Kollegen und anderen Richtern erkundigt und wurde darauf hingewiesen, dass diese Art der persönlichen Freigiebigkeit durch enge Freunde, die nicht am Gericht zu tun haben, nicht meldepflichtig ist“, sagte Supreme-Court-Richter Thomas. „Ich habe mich während meiner gesamten Amtszeit bemüht, diesen Rat zu befolgen und die Offenlegungsrichtlinien einzuhalten.“ Thomas nannte keine Namen der anderen Richter oder derjenigen in der Justiz, mit denen er sich beraten hatte.

Die Erklärung des Richters erfolgte, nachdem die Investigativplattform ProPublica aufgedeckt hatte, dass der 74-Jährige und seine Frau auf Einladung des Immobilienmilliardärs Harlan Crow mit einem Privatjet und einer Jacht gereist war und in seinem privaten Resort in den New Yorker Adirondack Mountains gewohnt hatten. Zu den Reisen, die sich über fast zwei Jahrzehnte erstreckten, gehörte auch eine nach Indonesien im Jahr 2019, die dem Bericht zufolge regulär etwa 500.000 Dollar (460.000 Euro) gekostet hätte.

Harlan Crow
AP/LM Otero
Harlan Crow ist Großspender für Vorhaben der US-Konservativen

„Gastfreundschaft für liebe Freunde“

Crow sagte gegenüber ProPublica, seine Geschenke an den Verfassungsrichter unterschieden sich „nicht von der Gastfreundschaft, die wir unseren vielen anderen lieben Freunden entgegenbringen“. Über anhängige Fälle sei nie gesprochen worden. Der Bericht zeige, dass der Supreme Court die „am wenigsten rechenschaftspflichtige“ Institution des US-Zentralstaats sei, erklärte dagegen die Organisation Fix the Court, die sich für eine Reform des obersten Gerichts einsetzt.

Die Enthüllungen stehen jedenfalls im Widerspruch zu Thomas’ öffentlichen Darstellung als Mann des Volkes. „Ich bevorzuge die Wohnmobilparks. Ich ziehe Walmart-Parkplätze den Stränden und ähnlichen Dingen vor. Das hat für mich etwas Normales“, sagte der Richter in einem Dokumentarfilm über sein Leben. „Ich stamme aus normalen Verhältnissen, und das ist mir lieber – ich bin lieber in dieser Umgebung.“

Die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez forderte, dass Thomas seines Richteramts enthoben wird. Alberto Gonzales, Justizminister unter dem früheren republikanischen Präsidenten George W. Bush, sagte dem Sender CNN, er glaube nicht, dass die Einladungen Thomas’ Entscheidungen beeinflusst hätten. Er mache sich aber Sorgen darüber, welches Bild der Supreme Court in der Öffentlichkeit abgebe.

Rechtsethiker sehen „Verzicht auf Verantwortung“

US-Fachleute auf dem Gebiet der Rechtsethik zeigten sich von den Enthüllungen um Thomas einigermaßen erschüttert. Experte Stephen Gillers von der New York University etwa sagte, dass die Erklärung von Thomas „ein Verzicht auf seine Verantwortung“ gemäß den Ethikrichtlinien sei. „Thomas versucht schamlos, die Schuld für sein Versäumnis, Crows fürstliche Gastfreundschaft zu melden, auf Ratschläge zu schieben, die er angeblich von anderen Richtern erhalten hat, als er vor mehr als 30 Jahren dem Gericht beitrat. Die meisten von ihnen sind inzwischen tot und können ihm praktischerweise nicht widersprechen“, schrieb Gillers.

Ethikexperte Arthur Hellman von der University of Pittsburgh sagte, dass selbst, wenn Thomas geglaubt hätte, dass er Crows Geschenke nicht hätte melden müssen, er es dennoch hätte tun sollen. „Es wäre im Sinne des öffentlichen Vertrauens in die Gerichte besser gewesen, wenn er sie offengelegt hätte.“

Erzkonservativer Abtreibungsgegner

Der erzkonservative Richter hatte zuletzt immer wieder für Aufregung gesorgt: Vergangenes Jahr gab er im Zuge des Urteils, mit dem das Recht auf Abtreibung in den USA gekippt wurde, eine höchst umstrittene Stellungnahme ab. Thomas schrieb, dass auch Entscheidungen, die das Recht auf Verhütung, die gleichgeschlechtliche Ehe und Sex unter gleichgeschlechtlichen Partnern verankern, überprüft werden müssten.

Die „New York Times“ nannte die seit über 20 Jahren währende Freundschaft zwischen Thomas und Crow 2011 „ungewöhnlich und ethisch heikel“. Crow hat nach Angaben der Recherchestiftung mehr als zehn Millionen Dollar an republikanische politische Gruppen gespendet – demzufolge unter anderem eine halbe Million Dollar an eine konservative Lobbygruppe, deren Gründerin Thomas’ Ehefrau Ginni ist.

Trump-treue Ehefrau

Ginni Thomas soll nach Medienberichten nach der Niederlage Donald Trumps bei der Präsidentschaftswahl 2020 Anstrengungen unternommen haben, um gegen den Wahlausgang vorzugehen. Nach der Offenlegung von SMS und E-Mails, die Ginni Thomas im Rahmen von Trumps Kampagne verschickt hatte, hatten die Demokraten von einem Interessenkonflikt gesprochen und ihren Mann aufgefordert, sich bei allen Wahlkampffragen zurückzuziehen. Auch sein Rücktritt wurde gefordert – dem kam Thomas nicht nach.