Französischer Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Gonzalo Fuentes
Sager zu Taiwan

Macron zieht Ärger auf sich

Die Aussagen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die Prioritäten Europas in der Taiwan-Frage haben für einige Irritationen gesorgt. Europa soll kein „Mitläufer“ sein und sich sowohl von den USA als auch von China distanzieren. In den Vereinigten Staaten und in Europa reagierte man verärgert auf den Vorstoß des französischen Präsidenten. Der Elysee-Palast wies die Kritik am Dienstag zurück.

Macron hatte in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der französischen Zeitung „Les Echos“ und dem Magazin „Politico“ (Onlineausgabe) gefordert, dass Europa in der Taiwan-Frage kein „Mitläufer“ sein dürfe. „Das Schlimmste wäre es zu denken, dass wir Europäer Mitläufer sein und uns dem amerikanischen Rhythmus und einer chinesischen Überreaktion anpassen müssten“, sagte der Staatschef.

Europa müsse „aufwachen“. „Unsere Priorität kann es nicht sein, uns der Agenda von anderen in allen Weltregionen anzupassen“, sagte Macron. Europa riskiere, „zu Vasallen zu werden, während wir der dritte Pol sein können, wenn wir ein paar Jahre Zeit haben, ihn aufzubauen“, sagte Macron, der in der vergangenen Woche den chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Peking getroffen hatte.

Französischer Präsident Emmanuel Macron und chinesischer Präsident Xi Jinping
APA/AFP/Jacques Witt
Macron besuchte den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping

Das Interview wurde am Freitag während seines China-Besuchs geführt, noch bevor China eine groß angelegte Kampfübung rund um Taiwan startete, bei der die Abriegelung der Insel simuliert wurde. Laut „Politico“ überprüfte der Elysee-Präsidentenpalast Macrons Zitate vor der Veröffentlichung als Bedingung für die Gewährung des Interviews und bestand auf die Streichung von Zitaten, in denen Macron „noch offener“ über Taiwan und die strategische Autonomie Europas gesprochen hatte.

Französische Botschaft in USA: „Überinterpretiert“

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter reagierte US-Senator Marco Rubio scharf auf die Aussagen von Macron. Wenn der französische Präsident für ganz Europa spreche, schrieb Rubio, dann sollten die USA erwägen, ihre Außenpolitik auf die Eindämmung Chinas zu konzentrieren und Europa den Krieg in der Ukraine überlassen. Er unterstütze die US-Hilfe für die Ukraine, sagte Rubio in einem Video, aber wenn Europa wegen Taiwan Partei ergreife, sei ein Umdenken angesagt.

Das „Wall Street Journal“ kommentierte in einem Leitartikel, dass die Kommentare Macrons „wenig hilfreich“ seien. Einerseits würden sie die abschreckende Wirkung der USA und Japans gegen China im westlichen Pazifik untergraben, andererseits ermutigen sie US-Politiker, die das US-Engagement in Europa reduzieren wollen, und ermutigt gleichzeitig US-Politiker, die das US-Engagement in Europa reduzieren wollen, um China mehr entgegnen zu können. „Wenn Präsident (Joe, Anm.) Biden wach ist, sollte er Herrn Macron anrufen und fragen, ob er versucht, Donald Trump wiederzuwählen“, schrieb die Zeitung.

Paris: „USA sind unsere Verbündeten“

Eine Sprecherin des Elysee-Palasts wies die Kritik am Dienstag zurück. Macron habe oft gesagt, dass Frankreich nicht gleich weit von den USA und China entfernt sei, sagte sie. „Die USA sind unsere Verbündeten, wir teilen gemeinsame Werte.“

China hingegen sei Partner, Konkurrent und systemischer Rivale, mit dem man eine gemeinsame Agenda schaffen wolle, um Spannungen zu reduzieren und globale Fragen anzugehen, sagte die Sprecherin. Frankreich unterstütze beim Thema Taiwan zudem den Status quo. Macron habe Xi klar gesagt, dass die Taiwan-Frage durch Dialog geklärt werden müsse.

Am Montag war bereits der französische Botschafter in den USA, Pascal Confavreux, zu Macrons Verteidigung ausgerückt. Macrons Äußerungen seien überinterpretiert worden, ließ er auf Twitter wissen. „Die USA sind unser Verbündeter, mit dem wir unsere Werte teilen“, schrieb Confavreux. Auch die Position zu Taiwan habe sich nicht geändert.

Chinas Militärübung und Macrons Vorstoß

Gegenüber der „Financial Times“ bezeichnete der französische Taiwan-Experte Antoine Bondaz es als problematisch, dass Macron den Eindruck erweckt hat, die USA seien an einer Eskalation in der Taiwan-Frage ebenso schuld wie Peking. Das habe Zweifel an Frankreichs Position und den Bemühungen der EU geweckt, eine härtere Linie gegenüber Peking einzuschlagen. Während China eine große Militärübung simuliert, habe der Präsident keine Distanz zu Peking gezeigt, dafür aber die USA kritisiert.

Macrons diplomatischer Vorstoß in Peking erfolgte inmitten der sich verschärfenden Spannungen zwischen den USA und China. Unter Präsident Joe Biden haben sich US-Politiker häufiger mit taiwanesischen Diplomatinnen und Diplomaten getroffen, darunter ein historischer Besuch der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen in Kalifornien vergangene Woche, der von Peking als Provokation empfunden wird.

Chinas Volksbefreiungsarmee hatte daraufhin ein groß angelegtes Manöver gestartet, das nach drei Tagen am Montag beendet wurde. Die Übungen sollten als Warnung an „Unabhängigkeitskräfte“ in Taiwan verstanden werden. Die chinesische Führung betrachtet die demokratische Inselrepublik als Teil der Volksrepublik, obwohl Taiwan seit mehr als 70 Jahren eine unabhängige Regierung hat. Auch droht Peking mit einer Eroberung Taiwans.

Kritik aus Deutschland

Auch aus Deutschland prasselte Kritik auf Macron nieder. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von einer „naiven und gefährlichen Rhetorik“, die Europa schwäche und spalte. Der SPD-Außenpolitiker Metin Hakverdi sagte dem „Tagesspiegel“, es sei „ein schwerer Fehler“, sich als Westen ausgerechnet im Umgang mit Peking spalten zu lassen.

„Wer für Freiheit und Demokratie eintritt, ist kein Mitläufer“, kritisierte auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Die EU-Staaten machen sich unglaubwürdig, „wenn man einerseits Souveränität für Europa einfordert und dann jeden Wirtschaftsdeal mit China abschließt, den man kriegen kann“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Die chinesische Führung wird die Europäer so nicht respektieren“, betonte der EVP-Chef.

Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentierte, dass Macron seine Äußerungen vielleicht ernst gemeint habe, aber es schwerfällt, den Präsidenten ernstzunehmen. „Macrons Gerede von der autonomen Macht Europa, die Äquidistanz zu Amerika und China halten müsse, war nicht nur mit den anderen EU-Regierungen nicht abgestimmt. (…) Mit seinem Interview hat der französische Präsident einen Keil in Europas Beziehung zu den USA getrieben und zugleich einen Graben quer durch Europa aufgerissen.“