Mario im Pilzkönigreich
© 2023 Nintendo and Universal Studios
Spieleblockbuster

„Super Mario“-Film bricht 30-jährigen Fluch

Es war das erfolgreichste Eröffnungswochenende eines Animationsfilms in der Filmgeschichte: Über 345 Mio. Euro hat „Der Super Mario Bros. Film“ eingespielt, noch mehr als Disneys „Eiskönigin“. Damit endet für Hollywood ein Fluch, der vor genau 30 Jahren seinen Ausgang nahm. Schon 1993 wollte man mit Super Mario auf der Leinwand Erfolg haben. Doch die erste US-Spieleverfilmung scheiterte grandios und zementierte den schlechten Ruf von Kinoumsetzungen auf Jahrzehnte.

Mittlerweile ist Super Mario in über 200 Spielen prominent vertreten, auf der Leinwand ist er außerhalb Japans aber erst zum zweiten Mal zu sehen. Der kommerzielle Erfolg ist dafür umso größer: An seinem ersten Wochenende spielte der Film mehr ein als damals „Die Eiskönigin II“. Das US-Branchenblatt „Variety“ schreibt, dass der Film zu Ostern nicht nur Familien mit jungen Kindern ins Kino lockte, sondern bei allen Zielgruppen punkten konnte.

Dass der neue „Mario“-Film zum Blockbuster wird, galt trotz des Videospielerfolges als alles andere als fix. Denn ausgerechnet der berühmteste Videospielheld selbst führte dazu, dass Hollywood lange Zeit einen großen Bogen um das Thema Gaming machte. Mittlerweile gibt es ein paar Ausnahmeerfolge, meist verbunden mit einigen „Abers“. Doch Hollywoods Skepsis gegenüber der Spielebranche ist immer noch spürbar.

Mario und Luigi
© 2023 Nintendo and Universal Studios
Die Mario-Brüder im neuen Film sind nahe an der Spielevorlage gehalten

Super Nintendos und Schildkröten in Strumpfhosen

Dabei war vor 30 Jahren die Basis für eine gelungene und vor allem lukrative Beziehung zwischen Film und Spiel eigentlich gegeben: In unzähligen Kinderzimmern fand sich 1993 entweder ein Gameboy oder ein Super Nintendo, Mario war unter Kindern der Held der Stunde und auch vielen Eltern, wohl häufig auch gezwungenermaßen, geläufig.

Gleichzeitig sorgten in Hollywood Realverfilmungen und Abenteuerfilme für messbare Erfolge an den Kinokassen und zumindest das eine oder andere Lob von Kritikern: Tim Burtons Batman-Film aus dem Jahr 1989 war nur der erste einer Reihe von Comichelden, die nach langer Absenz den Weg auf die Leinwand fanden. Auch die Teenage Mutant Hero Turtles wurden mit Männern in Schildkrötenkostümen (von „Muppets“-Erfinder Jim Henson) verfilmt und schnell zum Kassenschlager.

Schwierige Suche nach Mario-Darsteller

Angesichts der Popularität von Fledermausmännern und Schildkrötenteenagern wirkte da die Verfilmung eines „Super Mario“-Spiels zumindest nicht abwegig. Zur Diskussion standen erst „Terminator“ Arnold Schwarzenegger und „Batman“ Michael Keaton als Mario, letztlich wurde es der optisch passendere britische Schauspieler Bob Hoskins, der seine Rolle Jahre später als „schlimmste Sache, die ich je gemacht habe“, bezeichnete.

Mario und Luigi in der Super Mario Verfilmung von 1993.
IMAGO/Mary Evans
Wissen nicht, wie ihnen geschieht: Mario (Bob Hoskins, r.) und Luigi (John Leguizamo, l.)

Denn der Golden-Globe-Gewinner konnte nichts retten, genauso wenig wie sein renommierter Kollege Dennis Hopper, der Marios Antagonisten Bowser spielte, und Erzählungen nach am Set schreiend Drehbuchänderungen kritisiert haben soll. Der Videospielehersteller Nintendo wollte sich damals dem Vernehmen nach nicht in den Entstehungsprozess einmischen und vertraute auf die Zugkraft der Marke „Mario“.

Das führte zum Desaster: Erst konnte „Rain Man“-Autor Barry Morrow für das Drehbuch verpflichtet werden, doch das Skript ging durch viele Hände, letztlich verfilmt wurde es vom unerfahrenen Ehepaar Rocky Morton und Annabel Jankel.

„Anspruchsvoll“ trifft wundersam

Ihr selbst ernanntes Ziel: Man wollte den Film „anspruchsvoller“ machen und damit auch die Eltern begeistern, sagte Morton in einem Interview im Jahr 2011. Der Film war letztlich atmosphärisch so düster wie Batman, die Brüder Mario und Luigi wurden in eine seltsame, dystopische Parallelwelt katapultiert, in der anthropomorphe Pilze leben, die Straßenkriminalität auf einem Allzeithoch ist und nicht viel vom Technicolor-bunten „Mushroom Kingdom“ der Videospiele blieb.

Wer Mario auf dem Nintendo gespielt hatte, kannte sich nicht aus – und auch sonst hinterließ der Film praktisch alle ratlos, inklusive der Schauspieler selbst. Hierzulande kämpfte der Film dann auch mit der Altersfreigabe: Erst ab zwölf war er zugelassen und schloss damit viele Mario-Spielerinnen und -Spieler aus den Kinosälen aus.

Ein Verriss folgte dem nächsten, von den rund 45 Mio. Dollar Produktionskosten wurden nur knappe 39 Mio. wieder eingespielt. Bis heute wird „Super Mario Bros.“ in Listen der schlechtesten Filme aller Zeiten gerne erwähnt.

Viele schlechte Nachahmer

Die erste Videospieleumsetzung in Hollywood wurde also zum abschreckenden Beispiel. Gleichzeitig begründete er eine Tradition bestenfalls unterdurchschnittlicher Spieleverfilmungen, die entweder von der Kritik vernichtet oder vom Publikum ignoriert wurden. Oder beides. „Street Fighter“, der nur ein Jahr nach dem Mario-Debakel erschien, war zwar wohl auch wegen des damaligen Zugpferds Jean-Claude Van Damme ein kommerzieller Erfolg, die Kritik fiel aber katastrophal aus. Einmal mehr wurden effektüberladene Story und flache Charaktere als Tiefpunkte hervorgehoben.

General Bison (Raul Julia) und Colonel Guile (Jean-Claude Van Damme) in einer Szene aus Street Fighter (1994)
IMAGO/United Archives
Auch Jean-Claude Van Damme (r.) konnte „Street Fighter“ nicht retten, für Raul Julia (l.) war es sein letzter Film vor seinem Tod

Der deutsche Regisseur Uwe Boll griff schließlich im 21. Jahrhundert eine Spielereihe nach der anderen auf und war damit Stammgast bei der Goldenen Himbeere. „House of the Dead“, „Alone in the Dark“, „BloodRayne“, „Postal“: Selbst als anspruchslose Horrorfilme funktionierten die Filme nicht. Boll galt nicht nur unter Spielebegeisterten als „weltschlechtester Regisseur“, gerne holte er gegen seine Kritiker aus, 2006 sogar wörtlich, als er gegen fünf Filmkritiker in den Boxring stieg – und gegen alle fünf gewann.

Und auch wenn Spielereihen wie „Resident Evil“ (mit Milla Jovovich) und „Tomb Raider“ (erst mit Angelina Jolie, zuletzt mit Alicia Vikander) große Namen auf die Leinwand brachten und deshalb kommerziell punkten konnten, können die wenigsten Filme Kritikerinnen und Kritiker überzeugen. Und noch schlimmer: Auch die Fans sind nur in den seltensten Fällen überzeugt.

Medien mit vielen Unterschieden

Spiele und Filme mögen auf den ersten Blick viele Ähnlichkeiten haben, nicht zuletzt sind sie letztlich beide bewegte Bilder. Doch die Arbeit zwischen den Medien gestaltet sich doch ganz anders. Manche Spiele erzählen ihre Story über Hunderte Stunden, etwa die ebenfalls verfilmte „Warcraft“-Reihe – viel zu viel, um das in 90 Minuten zu fassen. Kompatibler sind da Fernsehserien, wie etwa „The Last of Us“ zuletzt zeigte.

Bei „Doom“, einem populären Egoshooter, dessen Filmvariante verrissen wurde, scheiterte es letztlich sogar an der Perspektive, wenn auch nicht ausschließlich. Und manche Spiele haben kaum bis gar keine Story und bestechen vor allem durch ihr Gameplay, also letztlich praktisch durch die Knöpfe, die gedrückt werden müssen.

38 Jahre und kaum Story

Eigentlich ist auch „Super Mario“ eines jener Spiele, die in den letzten 38 Jahren überschaubar viel Story erzählt haben. Unklar ist schon allein, wie alt Mario sein soll, und auch sonst ist vor allem wichtig, dass er rennen und springen kann, immerhin gilt er als wichtigster Vertreter der Jump-’n’-Run-Spiele.

Ausgerechnet sein einstiger Erzrivale aus dem Hause Sega, Sonic the Hedgehog, hat zuletzt vorgezeigt, wie eine Spieleverfilmung noch am ehesten funktionieren kann. Ein paar grundlegende Charakterzüge wurden eingefangen, der Rest ist eine relativ irrwitzige, aber für Hollywood-Verhältnisse noch immer ziemlich unspektakuläre Story, die auf so gut wie jeden Superhelden passen würde.

Auf Nummer sicher gehen als Erfolgsrezept

Auch beim jetzigen „Super Mario Bros.“-Film ist sich die Kritik einig: Viel ausprobiert hat der Film nicht, die Story ist relativ dünn und geht stets lieber auf Nummer sicher. Familienfreundlich, quietschbunt und starbesetzt, gepaart mit der Zugkraft der Marke „Mario“ und ein paar Insiderwitzen: Das ist offenbar Erfolgsrezept genug.

Manche Kritiker äußerten im Hinblick darauf Sehnsucht nach der Experimentierfreudigkeit des ersten „Mario“-Films. Doch wer dem alten Film noch eine Chance gibt, wird schnell merken, dass es schon gute Gründe für Hollywoods langjährigen Spieleboykott gab. Für Nintendo und sein Maskottchen Mario ist der Fluch jedenfalls gebrochen – weitere zweifellos kommende Filme der Reihe werden wohl auf altbewährte Hollywood-Formeln zurückgreifen. Auch wenn das langweilig sein mag.