Fischerboot mit Migranten treibt im Meer
Reuters/Giacomo Zorzi/Sea-Watch
Zuvor Ausnahmezustand angekündigt

Flucht nach Italien hält an

Nur wenige Stunden nachdem die italienische Regierung wegen der starken Fluchtbewegungen landesweit einen Ausnahmezustand verhängt hatte, sind weitere 800 Menschen in zwei Fischerbooten auf dem Mittelmeer gesichtet worden.

Zwei Fischerboote mit jeweils 400 Personen an Bord wurden von der „Seabird 2“, einem Flugzeug der NGO Sea Watch, im zentralen Mittelmeer gesichtet. Das berichtete Sea Watch per Twitter. „Die Rettung dieser Art von Booten ist sehr komplex: Wir müssen die Menschen an Bord in Sicherheit bringen“, erklärte die NGO weiter.

Die Situation auf der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa ist inzwischen kritisch. Über 1.600 Menschen sind dort untergebracht, darunter mindestens 100 Kinder mit ihren Familien und etwa 350 unbegleitete Minderjährige, teilte die Hilfsorganisation „Save the Children“ mit.

Ausnahmezustand für sechs Monate

Nach den starken Migrationsbewegungen über das Osterwochenende hatte die Regierung in Rom am Dienstag Sondermaßnahmen ergriffen. Man habe beschlossen, einen Ausnahmezustand im ganzen Land auszurufen, der sechs Monate dauern werde, sagte der Minister für Katastrophenschutz, Nello Musumeci. In einer ersten Phase sollen so fünf Mio. Euro freigemacht werden, hieß es.

„Wir sind uns der Ernsthaftigkeit des Migrationsphänomens bewusst, das in diesem Jahr um 300 Prozent zugenommen hat. Es muss klar sein, dass der Ausnahmezustand das Problem nicht löst, dessen Bewältigung mit einem bewussten und verantwortungsvollen Eingreifen der Europäischen Union verbunden ist“, so der Minister.

Mit dem Ausnahmezustand sollen unter anderem die Prozeduren für die Einrichtung neuer Aufnahmezentren für Geflüchtete erleichtert werden. „Wir erleben einen absoluten Ausnahmezustand, der die staatlichen Strukturen schwer belastet. Die süditalienischen Regionen allein können diesen Notstand nicht bewältigen“, sagte Musumeci.

Salvini: Europa muss endlich handeln

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Europa endlich handelt: Es hat jahrelang geredet, aber keinen Finger gerührt, und es ist an der Zeit zu beweisen, dass die EU wirklich eine Union ist und dass Solidarität mit Migranten nicht nur die Aufgabe von Italien, Spanien, Griechenland oder Malta ist“, sagte Infrastrukturminister und Lega-Chef Matteo Salvini.

Migranten auf Schiff
APA/AFP/Guardia Costiera
Eine Rettungsaktion bei einem mit etwa 800 Menschen völlig überfüllten Fischerboot – das Bild stammt von Montag

Über das Osterwochenende waren von Freitag bis Montag mehr als 40 Boote mit etwa 2.000 Menschen nach Seefahrten über das Mittelmeer auf Lampedusa eingetroffen, wie die italienische Küstenwache am Montagabend bilanzierte. 38 Personen seien bei Schiffbrüchen vor Tunesien und in maltesischen Gewässern ums Leben gekommen.

Vermisste nach Schiffbruch

Bei den Überfahrten während der Feiertage sei es auch zu Schiffbruch gekommen. Die deutsche Hilfsorganisation Resqship etwa berichtete von so einem Vorfall. Die Organisation habe bei einem Rettungseinsatz nach eigenen Angaben zwei Leichen geborgen und 22 Menschen gerettet und diese nach Lampedusa gebracht. Wie die Geretteten berichteten, war ihr Boot in Seenot geraten und später untergegangen. 18 Menschen gelten derzeit als vermisst.

Im Vergleich zum Vorjahr flüchten gerade weit mehr Menschen über das Mittelmeer nach Italien. Die italienische Regierung hat daher einen sechsmonatigen Ausnahmezustand verhängt.

Lampedusa heillos überfüllt

Das Flüchtlingslager von Lampedusa ist heillos überfüllt. Viele Menschen versuchen immer wieder, mit Booten aus Tunesien und Libyen über das zentrale Mittelmeer nach Lampedusa, Malta, Sizilien oder das italienische Festland zu gelangen. Das Innenministerium in Rom zählte in diesem Jahr bereits mehr als 28.000 Menschen, die auf Booten Italien erreichten – mehr als viermal so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (mehr als 6.900).