Befreite Gefangene steigen aus Flugzeug am Flughafen in Jemens Hauptstadt Sanaa aus
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Jemen

Gefangenenaustausch birgt Hoffnung

Im Jemen hat am Freitag ein großangelegter Gefangenenaustausch zwischen verfeindeten Lagern begonnen. Die Überstellung aller 900 Menschen werde drei Tage dauern, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit. Saudi-Arabien versucht derzeit, eine Waffenruhe mit den Huthi-Rebellen in dem kriegszerstörten Land zu verhandeln.

In Sanaa, der von den Huthi kontrollierten Hauptstadt des Jemen, stiegen Dutzende ehemaliger Gefangener zu den Klängen einer Marschkapelle aus einem Flugzeug und trugen Bänder in den Farben der jemenitischen Flagge. Familienangehörige und eine Reihe von politischen Führern der Rebellen begrüßten die Entlassenen.

Unterdessen flogen die von den Rebellen freigelassenen Gefangenen nach Aden, dem Sitz der international anerkannten und mit Saudi-Arabien verbündeten Regierung des Landes. Die Gefangenen wurden am Freitag in zwei Runden gleichzeitig zwischen Aden und Sanaa transportiert.

Der Einigung auf den Austausch waren Verhandlungen unter Aufsicht der Vereinten Nationen in Genf vorausgegangen. Der UNO-Sondergesandte für den Jemen, Hans Grundberg, hatte Mitte März beide Seiten in einer Erklärung zu „ernsthaften Gesprächen“ aufgefordert, um die Freiheit für „so viele Gefangene wie möglich“ zu erwirken.

Jemen: Kriegsparteien tauschen Gefangene aus

Im Bürgerkriegsland Jemen haben Regierung und Huthi-Rebellen mit dem Austausch von rund 900 Gefangenen begonnen. Ein erstes Flugzeug aus der Hafenstadt Aden mit 125 Menschen an Bord war bereits auf dem Weg in die Hauptstadt Sanaa.

Größter Austausch vor drei Jahren

Den bisher größten Austausch von Gefangenen hatte 2020 das Rote Kreuz ermöglicht. Damals wurden mehr als 1.000 Gefangene innerhalb von zwei Tagen freigelassen. Nun sollen die Huthi-Rebellen etwa 180 Gefangene freilassen, auch aus Saudi-Arabien und dem Sudan. Im Gegenzug soll die Regierung, an deren Seite Saudi-Arabien gegen die Huthis kämpft, etwa 700 Gefangene freilassen. Zudem sollen ranghohe Militärvertreter der Regierung und auch mehrere Journalisten freikommen.

Befreite Gefangene am Flughafen in Sanaa
Reuters/Khaled Abdullah
Befreite Gefangene auf dem Flughafen in Sanaa

Dank des Kompromisses zwischen Regierung und Huthis könnten nun Hunderte Familien das Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan gemeinsam feiern, sagte der UNO-Sonderbeauftragte Grundberg. Er forderte beide Seiten auf, alle im Zuge des Konflikts inhaftierten Personen freizulassen. „Tausende weitere Familien warten immer noch darauf, mit ihren Lieben wiedervereint zu werden.“ Fabrizio Carboni, Direktor des IKRK im Nahen Osten, sprach von einer „Geste des guten Willens und einem Hoffnungsschimmer inmitten von großem Leid“.

Hunderttausende Tote, Millionen Vertriebene

An den Folgen des seit 2015 dauernden Krieges im Jemen starben bereits rund 380.000 Menschen, der größte Teil durch Hunger, Krankheiten und Trinkwassermangel. Millionen Menschen wurden vertrieben. Die UNO betrachtet die Krise im Jemen als größte humanitäre Katastrophe weltweit.

Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind auf internationale Hilfe angewiesen, die jedoch immer weiter zurückgeht. Besonders schwer leiden Kinder unter dem Konflikt. „Kindheit im Jemen ist eine besondere Art der Hölle“, sagte einst UNO-Generalsekretär Antonio Guterres.

Das benachbarte Saudi-Arabien interveniert seit 2015 im Jemen, um die regierungstreuen Kräfte gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen zu unterstützen, die große Teile des Nordens und Westens des Landes erobert haben.

Annäherung Saudi-Arabien – Iran brachte Bewegung

Das Abkommen von Genf im März war nach einer unerwarteten Erwärmung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran geschlossen worden, zwei Schwergewichten der Golfregion, die einander in verschiedenen Angelegenheiten – manchmal auch über verschiedene Lager in den Konflikten des Nahen Ostens wie im Jemen und in Syrien – bekämpfen.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran waren sieben Jahre lang ausgesetzt, nachdem Protestierende im Iran saudi-arabische Botschaften nach der Hinrichtung eines schiitischen Klerikers in Riad angegriffen hatten. Auf Vermittlung Chinas einigten sich die beiden Staaten am 10. März auf die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen.

In diesem Zusammenhang richtet Saudi-Arabien am Freitag ein Treffen mehrerer arabischer Länder aus, um eine mögliche Rückkehr des vom Iran unterstützten Syrien in die Arabische Liga zu diskutieren, aus der es seit der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands 2011 ausgeschlossen ist.

„Positive Gespräche“

Am Donnerstag verließ eine saudische Delegation Sanaa mit einem „vorläufigen Abkommen“ über einen Waffenstillstand und dem Versprechen „weiterer Gespräche“, wie ein Rebellenführer, der anonym bleiben wollte, berichtete. Die Gespräche in Sanaa seien „ernsthaft und positiv“ gewesen, mit „Fortschritten in einigen Fragen“, versicherte der Huthi-Chefunterhändler Mohammed Abdelsalam auf Twitter.

Laut jemenitischen Regierungsquellen ging es bei den Gesprächen um eine sechsmonatige Waffenruhe, die den Weg für eine dreimonatige Gesprächsperiode über einen zweijährigen Übergang ebnen solle, in der die endgültige Lösung zwischen allen Parteien ausgehandelt werden soll.

Früherer Verteidigungsminister des Jemen verlässt das Flugzeug
APA/AFP/Saleh Al-Obeidi
Auch der frühere Verteidigungsminister des Jemen wurde in das Programm zum Gefangenentausch aufgenommen

Die Waffenruhe soll zwei Hauptforderungen der Rebellen erfüllen: die Zahlung der Gehälter der Beamten in den Rebellengebieten durch die Regierung und die Wiedereröffnung des Flughafens von Sanaa, der streng von der saudi-arabischen Luftwaffe kontrolliert wird. Im vergangenen Jahr hatten die Parteien bereits einen sechsmonatigen Waffenstillstand vereinbart. Zwar wurde sie nach ihrem Ablauf Anfang Oktober nicht offiziell verlängert, doch blieb die Lage relativ ruhig.