Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und der chinesische Außenminister Qin Gang
Reuters/Suo Takekuma
Erstmalige Zusage Chinas

Keine Waffenlieferungen an Russland

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat die chinesische Regierung am Freitag in Peking eindringlich dazu aufgefordert, sich stärker als bisher in Moskau für ein Ende des Krieges einzusetzen. Chinas Außenminister Qin Gang versicherte daraufhin, Russland im Krieg gegen die Ukraine aktuell und auch künftig nicht mit Waffen zu unterstützen. Zudem kontrolliere man den Export von Dual-Use-Gütern, die zivil sowie militärisch verwendet werden können, entsprechend der Gesetzeslage.

China liefert nach Angaben von Außenminister Qin keine Waffen in Krisengebiete. „Wir liefern und werden auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern“, sagte er am Freitag nach dem fast zweistündigen Gespräch. Chinas Rolle mit Blick auf die Ukraine bestehe darin, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen. „Wir werden nicht weiter Öl ins Feuer gießen“, erklärte Qin nach der offiziellen Übersetzung.

Baerbock forderte China eindringlich auf, sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für ein Ende des Angriffskrieges in der Ukraine einzusetzen. Der Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau habe gezeigt, dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland habe als China. „Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar“, sagte Baerbock.

Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu reist am Sonntag nach Russland. Es seien Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu geplant, teilte das Verteidigungsministerium kürzlich in Moskau mit, man wolle „den Zustand und die Perspektiven der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich sowie aktuelle Fragen der globalen und regionalen Sicherheit“ besprechen.

„Ein Mann kann Krieg morgen beenden“

So wie China sich zwischen dem Iran und Saudi-Arabien erfolgreich für einen friedlichen Ausgleich engagiert habe, wünsche man sich, dass China auf Russland einwirke, um die Aggression in der Ukraine endlich zu beenden und sich an einer friedlichen Konfliktlösung zu beteiligen, erklärte Baerbock.

„Ein Mann kann den Krieg morgen beenden“, sagte Baerbock mit Verweis auf Putin. Es sei gut, dass China signalisiert habe, sich für eine Lösung zu engagieren. Aber sie verstehe nicht, wieso China bisher Russland nicht aufgefordert habe, den Krieg zu stoppen. Genauso entscheidend sei, „keine Waffenlieferungen an Russland zuzulassen, die diese Aggression weiter verlängern, und auch zu verhindern, dass Dual-Use-Güter für den Krieg genutzt werden“.

Ukraine: Immer mehr chinesische Bauteile in Waffen

Die Ukraine hat unterdessen angegeben, immer mehr chinesische Bauteile in russischen Waffensystemen zu finden. Die Zusammensetzung der auf dem Schlachtfeld sichergestellten Waffen habe sich geändert, sagte Regierungsberater Wladyslaw Wlasiuk der Nachrichtenagentur Reuters.

„Der Trend geht nun zu weniger Komponenten aus westlicher Produktion, dafür aber mehr Komponenten aus – nicht schwer zu erraten, welches Land“, sagte der für die Sanktionspolitik zuständige Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Natürlich China.“

Reuters konnte die ukrainischen Angaben nicht überprüfen. Unklar blieb zudem, ob die beschriebenen Komponenten möglicherweise ursprünglich für den nicht militärischen Gebrauch gedacht waren oder durch eine dritte Partei nach Russland eingeführt wurden. Das chinesische Außenministerium erklärte auf Anfrage, China habe im Laufe der Geschichte immer normale Handelsbeziehungen mit allen Ländern – einschließlich Russland – aufgebaut, auf der Grundlage von Gleichheit und des gegenseitigen Nutzens.

Warnung vor Eskalation des Taiwan-Konflikts

Baerbock warnte China außerdem vor einem militärischen Konflikt mit Taiwan. Das wäre ein „Horrorszenario“ für die Welt, sagte Baerbock. „Eine Destabilisierung hätte Folgen für alle Länder, die Weltwirtschaft und auch für Deutschland“, fügte sie hinzu.

Eine Wiedervereinigung Chinas mit Taiwan durch Gewalt sei für Europa nicht akzeptabel, sagte Baerbock, die zugleich die Ein-China-Politik Deutschlands betonte. Ein Krieg würde „Schockwellen“ senden und eine Weltwirtschaftskrise auch China und Deutschland treffen, sagte sie mit Hinweis auch auf die wirtschaftliche Bedeutung Taiwans etwa für die Chipindustrie.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und der chinesische Außenminister Qin Gang
IMAGO/photothek/Kira Hofmann
Baerbock und ihr chinesischer Kollege Qin Gang berieten sich fast doppelt so lange wie geplant

Kritik an „Lehrmeister aus dem Westen“

„Die zunehmenden Spannungen in der Taiwan-Straße beobachten wir mit großer Sorge“, sagte Baerbock. Qin warf ausländischen Regierungen vor, Separatisten auf Taiwan zu unterstützen, das Teil Chinas sei. Die Regierung in Peking dulde keine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz „wirklich respektieren“, sollten sie die separatistischen Aktivitäten in Taiwan ablehnen. Die „ursprüngliche Wurzel der Probleme“ seien die Unabhängigkeitsbestrebungen. China werde „keinen Zoll Territoriums preisgeben“.

China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und Teil der Volksrepublik. Baerbock hatte bereits am Donnerstag betont, dass eine Eskalation zwischen China und Taiwan auch Deutschland angehe und auf die Auswirkungen für den Welthandel verwiesen. Sie reist nach ihren Gesprächen in Peking nach Südkorea und dann weiter nach Japan.

Baerbock berät sich mit Chinas Außenminister in Peking

Bei ihrem China-Besuch hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock heikle Themen wie den Ukraine-Krieg, den Taiwan-Konflikt sowie die Lage der Menschenrechte angesprochen. So forderte Baerbock die Führung in Peking am Freitag auf, gegenüber Moskau ein Ende des Krieges in der Ukraine zu erwirken.

China sieht keine „Standards“ bei Menschenrechten

China will sich außerdem beim Thema Menschenrechte nicht belehren lassen. „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen“, sagte Qin vor Journalistinnen und Journalisten. Er wies die zuvor von Baerbock geäußerte Kritik an der Menschenrechtslage in China zurück. Jeder Staat habe seine eigenen Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es „keine einheitlichen Standards in der Welt“.

Baerbock hielt Qin allerdings entgegen, dass es durchaus „gemeinsame Standards“ für die Menschenrechte in der Welt gebe – und erinnerte ihn an die UNO-Charta und die UNO-Menschenrechtskonvention. Darin stünden „universelle“ Menschenrechte, an die alle UNO-Mitglieder gebunden seien.

Auf die Vorwürfe über eine Verfolgung besonders der muslimischen Uigurinnen und Uiguren in der Nordwestregion Xinjiang entgegnete Chinas Außenminister, es gehe dabei nicht um Menschenrechte, sondern um den Kampf gegen Radikalismus und Separatismus. Jetzt sei die Lage in Xinjiang aber „stabil“. Vor wenigen Monaten hatten sich 50 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen einer Erklärung angeschlossen, in der „schwere und systematische“ Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang angeprangert werden.

EU-Protest gegen Festnahme von Bürgerrechtsanwalt

Während Baerbocks Besuch in Peking hat die EU unterdessen gegen die Festnahme des bekannten Bürgerrechtsanwalts Yu Wensheng und seiner Frau Xu Yan protestiert. Beide waren demnach „auf dem Weg zur EU-Delegation“ in der chinesischen Hauptstadt gewesen, die direkt neben der deutschen Botschaft liegt, wo sich Baerbock am Freitagabend (Ortszeit) aufhielt.

Zudem seien der chinesische Bürgerrechtsanwalt Wang Quanzhang, seine Kollegin Wang Yu und der Rechtsaktivist Bao Longjun unter Hausarrest gestellt worden. „Wir fordern ihre sofortige, bedingungslose Freilassung“, hieß es am Freitag in einer Mitteilung der EU-Delegation auf Twitter. Beim Außenministerium sei ein Protest wegen der „inakzeptablen Behandlung“ eingereicht worden.