Eine dunkle Rauchwolke liegt über der sudanesischen Hauptstadt in Karthum
APA/AFP
Kämpfe eskalieren

Angst vor neuem Bürgerkrieg im Sudan

Im Sudan eskaliert der Machtkampf zwischen der Armee und paramilitärischen Gruppen. In der Hauptstadt des nordostafrikanischen Landes kam es am Samstag zu schweren Gefechten. Eine Miliz erklärte, sie habe den Präsidentenpalast und den Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Das Militär dementierte. Verhandlungen über eine zivile Regierung waren zuletzt gescheitert. Nun wächst die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg im drittgrößten Land Afrikas.

Im Sudan bekämpfen einander seit Jahren unterschiedliche Gruppierungen, das Staatsgebiet ist unter ihrem Einfluss zerrissen. Nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Omar al-Baschir 2019, der das Land 30 Jahre lang autoritär regiert hatte, wurde von unterschiedlichen Konfliktparteien 2020 ein Friedensabkommen unterzeichnet – der erwartete Übergang zu einer stabilen Demokratie gelang bisher allerdings nicht.

Mit dem Aufflammen der Kämpfe am Wochenende berichtete am Samstag die BBC, die Luftwaffe sei im Einsatz. Bilder zeigten Kampfflugzeuge über Khartum, Ziel ihrer Angriffe sei die Miliz Rapid Support Forces (RSF). In der Hauptstadt seien Detonationen und Feuergefechte zu hören gewesen. Die sudanesische Armee soll Stützpunkte auch auf dem Boden angegriffen haben.

Die BBC berichtete von Panik in Khartum, Menschen seien vom Ausbruch der Kämpfe überrascht worden, seien in den Straßen festgesteckt, es sei Panik ausgebrochen. Straßen und Brücken seien gesperrt worden, auch der nationale TV-Sender sei besetzt worden. Airlines aus Saudi-Arabien und aus Ägypten setzten ihre Flüge in das Land vorerst aus. Machthaber und Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan gab am Nachmittag bekannt, dass die Lage wieder unter Kontrolle sei. Allerdings wurden weitere Schüsse und Explosionen in Khartum sowie anderen Teilen des Landes gemeldet.

Jahrzehntelange Konflikte

Im Süden Khartums befindet sich das Hauptquartier der RSF. Sie sollte eigentlich in die staatlichen Streitkräfte integriert werden. Auch aus weiter von der Hauptstadt entfernten Regionen berichteten Augenzeugen von Gefechten, unter anderem in Norddarfur. Darfur ist seit 2003 Schauplatz eines Bürgerkriegs, der nach Schätzungen der UNO bis zu 300.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Rauch über der sudanesischen Hauptstadt Khartum
AP/Marwan Ali
Gefechte in der Hauptstadt Khartum

Erst am Donnerstag hatte die sudanesische Armee vor einer Mobilisierung der RSF gewarnt. Beobachter sahen in der Mobilmachung eine Drohgebärde des mächtigen RSF-Anführers Mohammed Hamdan Daglo gegen Machthaber Burhan. Befürchtet wurden gewaltsame Zusammenstöße, die in einen erneuten Bürgerkrieg münden könnten.

Demokratisierung gescheitert

Seit dem Sturz von Baschir im April 2019 hält das Militär unter der Führung von General Burhan die Macht im Land. Die Eingliederung der RSF in das Militär ist eine der wichtigsten Bedingungen für die Bildung einer Zivilregierung.

Das Militär und die RSF führten zwar im Herbst 2021 gemeinsam einen militärischen Coup an, in den vergangenen Monaten mehrten sich aber die Spannungen zwischen den beiden militärischen Anführern. Der Streit verzögert den von Machthaber Burhan versprochenen Übergang zu einer zivilen Regierung. Zuletzt hatte sich Daglo überraschend für einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen und sich damit in Opposition zu Burhan gestellt.

Sudan: Kämpfe zwischen Armee und Paramilitär

In der sudanesischen Hauptstadt Khartum sind Spannungen zwischen den Streitkräften und paramilitärischen Gruppen eskaliert. Heute Früh gab es in mehreren Stadtteilen anhaltende Schüsse und Explosionen, darunter im Norden, wo sich der Flughafen und der Präsidentenpalast befinden, sowie im Süden der Stadt.

Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben

Den ursprünglichen Plänen zufolge hätte sich Burhan spätestens 2021 aus der Übergangsregierung zurückziehen und die Führung des Landes Zivilisten überlassen müssen. Stattdessen putschte sich das Militär erneut an die Macht und verschob demokratische Wahlen auf unbestimmte Zeit. In dieser Woche verschob das Militär die Ernennung eines neuen Premierministers und verzögerte die Machtübergabe erneut.

International große Sorge

US-Außenminister Antony Blinken erklärte am Samstag, die Lage im Sudan sei fragil. Es gebe aber weiterhin die Chance für den Übergang zu einer Zivilregierung. Die russische Botschaft in Khartum zeigte sich besorgt über die Eskalation. Laut der Nachrichtenagentur RIA forderte die diplomatische Vertretung einen Waffenstillstand und Verhandlungen. Die britische Botschaft rief ihre Staatsbürger im Sudan auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Die Lage werde genau beobachtet, teilte sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte ebenfalls ein sofortiges Ende der Gewalt. „Eine Eskalation wird die Situation nur weiter zuspitzen“, warnte er.

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte die Kämpfe und forderte die Konfliktparteien auf, „die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten“. Jede weitere Eskalation werde verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben und die prekäre humanitäre Lage verschärfen. Guterres telefonierte bereits mit Daglo, ein Gespräch mit Burhan soll „so schnell wie möglich“ folgen. Am Montag soll sich der UNO-Sicherheitsrat auf Antrag Großbritanniens mit der Lage im Sudan beschäftigen.