Ein Einwohner im Sudan in seinem völlig zerstörten Heim
Reuters/
Humanitäre Lage

Tausende im Sudan ohne Versorgung

Seitdem am Samstag im Sudan neue Kämpfe ausgebrochen sind, sind auch zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten gestorben. Wegen des anhaltenden Beschusses sind Tausende zudem in ihren Wohnungen und Häusern gefangen, oft ohne Strom und ohne Möglichkeit, Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen, warnt die UNO. Hilfsorganisationen könnten Wasser und Nahrung verteilen, doch die Sicherheitslage lässt das nicht zu. Am Dienstagabend zerschlugen sich Hoffnungen auf eine Waffenruhe.

Die Intensität der Luftangriffe auf Ziele in der Hauptstadt Khartum nahm Mittwochfrüh zu. Auch sei am fünften Tag der Kämpfe mehr Schussfeuer zu hören gewesen, so die Berichte von Journalistinnen und Journalisten von dort.

Es sei „nahezu unmöglich“, Hilfe in der Hauptstadt Khartum zu leisten, erklärten das Internationale Rote Kreuz und der Rote Halbmond am Dienstag in Genf. Aus Khartum erreichten sie Rufe von Organisationen und Personen, Evakuierungen einzuleiten, erklärte Farid Abdulkadir von der Dachorganisation IFRC. Das Gesundheitssystem des Sudan stehe bereits vor einem Kollaps, sagte Abdulkadir.

Die Rotkreuz-Gesellschaften des Sudan und vieler anderer Länder stünden mit Tausenden Helferinnen und Helfern vor Ort bereit, um zu helfen, so Abdulkadir. Es gebe Wasser und Nahrungsmittel für eine Verteilung, aber die Sicherheitslage lasse den Einsatz der Freiwilligen nicht zu, sagte er. Nur rund 240 Rotkreuzhelfer unterstützen das Personal in Krankenhäusern. „Wir verlangen humanitäre Korridore für unseren Einsatz“, sagte er. Das IFRC hoffe, dass die Kämpfe bald enden. „Natürlich haben wir Hoffnung, ohne Hoffnung bleibt nichts.“

Gefangen im eigenen Haus

In Norddarfur mussten laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen alle Krankenhäuser schließen, entweder weil sie sich in der Nähe der Kämpfe befinden oder das Personal wegen der Gewalt nicht in die Einrichtungen gelangen kann. Patientinnen und Patienten hätten daher nicht für weitere Behandlungen überwiesen werden können. „Unter anderem deshalb sind allein in den ersten 48 Stunden des Konflikts elf Menschen an ihren Verletzungen gestorben“, so Cyrus Paye, der Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in al-Fashir, der Hauptstadt von Norddarfur.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sagte am Dienstag, wegen des anhaltenden Beschusses seien Tausende Zivilistinnen und Zivilisten in ihren Wohnungen und Häusern gefangen. Sie hätten oft weder Strom noch Möglichkeiten Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen.

Fast 200 Tote im Sudan

Der Machtkampf zwischen der Armee und paramilitärischen Kräften im Sudan geht weiter. Auch ein Konvoi von US-Diplomaten und des EU-Botschafters im Sudan sind angegriffen worden.

Zu wenig Nahrung vorhanden

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich entsprechend und berichtete von drei Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen, bei denen mindestens drei Menschen getötet wurden. Neun Krankenhäuser in der Hauptstadt Khartum fehle es an allem, es seien nicht genügend Blutkonserven, Medikamente und Verbandsmaterial vorhanden. Wegen anhaltender Kämpfe sei es nicht möglich, die Krankenhäuser zu versorgen. Der Strom falle ständig aus, und es gebe nicht genügend Essen für Patientinnen und Patienten. Mancherorts hätten militärische Kräfte Gesundheitseinrichtungen besetzt. „Diese Attacken müssen aufhören“, verlangte eine WHO-Sprecherin.

Menschen aus dem Sudan flüchten mit Taschen und Rucksäcken
APA/AFP
Flucht aus Karthum: Die Zivilbevölkerung ist den Kämpfen schutzlos ausgeliefert

Die Vereinten Nationen haben insgesamt 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sudan, darunter 800 Ausländerinnen und Ausländer. Eine UNO-Sprecherin in Genf wollte nicht kommentieren, ob es Pläne für Evakuierungen gibt. Die Absicht sei auf jeden Fall, vor Ort zu bleiben, und das humanitäre Mandat der UNO zu erfüllen. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres habe mit beiden Generälen gesprochen und versuche, einen Waffenstillstand zu erreichen, sagte die Sprecherin.

Wenig Hoffnung auf Feuerpause

Am Dienstagabend zerschlugen sich vorerst Hoffnungen auf eine Waffenruhe, die zuvor laut Vertretern beider Seiten für den Abend angesetzt worden war. Die Kämpfe in Khartum seien ohne Unterbrechung weitergegangen, berichtete eine dpa-Reporterin von dort. Auch Medienberichten und Augenzeugen auf Twitter zufolge waren Explosionen und Schüsse zu hören.

Die Kämpfe waren am Samstag ausgebrochen. Ausgelöst wurde der Konflikt laut Beobachtern durch einen Streit über die Integration der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in das Militär als Teil des Übergangs zu einer zivilen Regierung. Die Armee hatte im Oktober 2021 geputscht und regiert seitdem das Land. Die neuen Kämpfe sollen über die Vorherrschaft zwischen Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo entscheiden. Nach UNO-Angaben wurden durch die Gefechte mindestens 270 Menschen, Zivilistinnen wie Kämpfer, getötet und 2.600 Personen verletzt.

Angriffe auf Diplomaten

In mehreren Landesteilen kommt es seit Samstag zu Angriffen mit schweren Waffen auf militärische Einrichtungen, teilweise in unmittelbarer Nähe von Wohngegenden. Beobachter warnen vor hohen zivilen Opfern. Das öffentliche Leben in Sudans Hauptstadt Khartum ist seit Beginn der Kämpfe fast vollständig zum Erliegen gekommen. Auch ein US-Diplomatenkonvoi geriet unter Beschuss. Zuvor hatte es auch einen Angriff auf die Residenz des EU-Botschafters gegeben.