Architekt der Verfassung: Kelsen vor 50 Jahren gestorben

Hans Kelsen ist heute vor 50 Jahren gestorben. Der Begründer der „reinen Rechtslehre“ gilt als einer der bedeutendsten Juristen des 20. Jahrhunderts und Architekt der österreichischen Bundesverfassung.

Als sein Verdienst gelten unter anderem die klare Struktur des 1920 beschlossenen Bundes-Verfassungsgesetzes, der Verzicht auf blumige Phrasen (etwa eine Verfassungspräambel) sowie die Gestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit.

Nach Wien übersiedelt

Kelsen wurde am 11. Oktober 1881 in Prag als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Seine Eltern übersiedelten 1883 nach Wien, wo sein Vater Adolf Kelsen eine Fabrik für Lampen und Kronleuchter gründete.

Hans Kelsen
AP

Nach seiner Habilitation 1911 arbeitete der 1905 zum Katholizismus (und später zum evangelischen Glauben) konvertierte Kelsen unter anderem im k. u. k. Kriegsministerium und ab 1919 als Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien.

In seiner Rechtstheorie, der „reinen Rechtslehre“, forderte Kelsen dazu auf, das Recht präzise zu beschreiben, aber von politischen und naturrechtlichen Elementen freizuhalten.

Der Kern blieb derselbe

Ebenfalls 1919 beauftragte Staatskanzler Karl Renner Kelsen mit der Mitarbeit an der Verfassung der neuen Republik Österreich. Die unterschiedlichen Lager unterbreiteten Kelsen mehrere Vorschläge, wie die Verfassung auszusehen hat. Nach mehreren Sitzungen des zuständigen Ausschusses konnte am 1. Oktober 1920 das Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen werden.

Das Bundes-Verfassungsgesetz ist mit einigen Modifikationen bis heute in Kraft und bildet nach wie vor den Kern der österreichischen Verfassung. Besonders das System der Verfassungsgerichtsbarkeit galt international lange als vorbildlich.

Vorgänge haben Kelsen „erbittert“

Kelsen selbst wurde später zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) berufen. Doch schon 1930 änderte sich die Besetzung schlagartig. Denn mit der Novelle 1929 wurde nicht nur der Bestellungsprozess neu geregelt, sondern auch eine Altersgrenze von 70 Jahren eingeführt. Kelsen und seine Kollegen wurden allerdings auf Lebenszeit ernannt.

Wie wird man Richter los, die nur mit dem Tod aus dem Amt scheiden? Mit einem neuen Verfassungsgesetz wurden sie abgesetzt – oder „geköpft“, wie Renner damals als Abgeordneter sagte. Kelsen verließ das Land. „Diese Vorgänge haben mich auf das Tiefste erbittert und mir meine Wirksamkeit in Österreich verleidet“, schrieb er Jahre später.

1940 verließ Kelsen Europa in Richtung USA und lehrte bis zu seiner Pensionierung 1952 an der Harvard Law School sowie an der University of California. Er starb wenige Wochen nach seiner Frau Margarete am 19. April 1973 in Berkeley in Kalifornien.