Ein ukrainischer Soldat bereitet einen Mörser vor
APA/AFP/Sergey Shestak
Kiew

Vorbereitung auf Offensive auf Hochtouren

Die Vorbereitungen auf die erwartete Frühjahrsoffensive der Ukraine, um von Russland besetzte Gebiete wieder zurückzuerobern, laufen offenbar auf Hochtouren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete in seiner Rede vom Aufbau neuer Militäreinheiten. Unterdessen wächst die Sorge um das AKW Saporischschja.

Selenskyj gab Einblick in die Vorbereitungsarbeiten für die Offensive. „Wir bereiten auch aktiv neue Brigaden und Einheiten vor, die sich an der Front bewähren werden“, sagte der 45-Jährige am Freitag in seiner täglichen abendlichen Videoansprache. Bei seinen Besprechungen mit dem Generalstab gehe es um die Bereitstellung aller Mittel für die Befreiung der Ukraine von der russischen Besatzung.

„Wir alle in der Ukraine müssen verstehen, dass die Hauptaufgabe des Staates die Befreiung unserer Gebiete, das Zurückholen unserer Erde und unserer Menschen aus russischer Gefangenschaft ist.“ Die staatlichen Ressourcen würden vor allem dafür aufgewendet, sagte der Staatschef. Die Front habe oberste Priorität, betonte er.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Gespräch mit Soldaten
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trifft Soldaten

London: Russland bricht „Nazi“-Erzählung weg

Russland hat unterdessen nach Angaben aus Großbritannien Probleme dabei, eine seiner wesentlichen Rechtfertigungen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten. Der russische Staat ringe um Einheitlichkeit bei seiner Kernerzählung, dass der Einmarsch in die Ukraine den sowjetischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg entspreche, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag auf Twitter mit.

Entgegen der Kreml-Darstellung, Russland wolle die Ukraine „entnazifizieren“, habe der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, jüngst öffentlich infrage gestellt, ob es tatsächlich „Nazis“ in der Ukraine gebe. Die angebliche Befreiung der Ukraine von „Faschisten“ und „Nazis“ ist eine der wichtigsten Erklärungen Russlands für den Krieg. Moskau behauptet, die Regierung in Kiew werde von „Nazis“ gelenkt.

Fake News zu Katyn-Massaker verbreitet

Die russischen Behörden versuchten derweil weiter, die Öffentlichkeit in ihrem Land um polarisierende Mythen über die 1940er Jahre zu einen, schrieben die Briten. Mitte April habe die staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti von „einzigartigen“ Dokumenten aus dem Archiv des Inlandsgeheimdienstes FSB berichtet, wonach die Nazis im Jahr 1940 in die Ermordung von 22.000 Polen beim Massaker von Katyn verwickelt gewesen seien.

Ein ukrainischer Soldat bereitet einen Mörser vor
APA/AFP/Sergey Shestak
Ukrainische Soldaten im Einsatz

In Wirklichkeit war dafür die Geheimdienstvorgängerbehörde NKWD verantwortlich. Die russische Staatsduma hat Sowjetdiktator Josef Stalin 2010 offiziell dafür ihre Verurteilung ausgesprochen, die Morde angeordnet zu haben.

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine veröffentlicht das britische Verteidigungsministerium täglich Updates zum Kriegsverlauf. Unter Berufung auf Geheimdienstinformationen will die britische Regierung damit sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius
Reuters/Heiko Becker
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)

Neue Zusagen an Ukraine in Ramstein

Selenskyj dankte unterdessen in seiner abendlichen Rede am Freitag den westlichen Partnern, die im Rahmen des Ramstein-Formats der Ukraine bei der Verteidigung helfen. „Ihre Entschlossenheit entspricht voll und ganz der tatsächlichen Situation und den Bedürfnissen auf dem Schlachtfeld“, so Selenskyj.

Aus Ramstein gab es einige neue Zusagen an Kiew: Leopard-Panzer aus Deutschland, die im Ukraine-Krieg beschädigt wurden, sollen so künftig in Polen repariert werden und damit schneller an die Front zurückkommen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vereinbarte in Ramstein mit seinen Kollegen aus Warschau und Kiew den Aufbau eines entsprechenden Instandsetzungszentrums. Zur „fairen Aufteilung“ der Kosten von 150 bis 200 Millionen Euro im Jahr habe man sich auf eine Fondslösung geeinigt.

Auch Lettland liefert Waffen

Das Zentrum nehme seine Arbeit wohl Ende Mai auf und zeige auch die Entschlossenheit der Partner der Ukraine, das Land in seinem Krieg gegen Russland weiter zu unterstützen, sagte Pistorius am Rande des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe. Nächste Woche werde es eine erste Arbeitssitzung geben. Pistorius kündigte zudem die Ausbildung von mehr als 100 ukrainischen Soldaten am Kampfpanzer Leopard 1 ab Samstag an.

Lettland kündigte unterdessen nach den Gesprächen in Ramstein über weitere westliche Militärhilfen für die Ukraine die Lieferung von Waffen an das von Russland angegriffene Land an. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums des baltischen EU- und NATO-Landes sollen alle sich noch im Bestand der lettischen Streitkräfte befindlichen Flugabwehrraketen vom Typ Stinger an Kiew übergeben werden.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Reuters/Alina Yarysh
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz

Spanien: Hilfe so lange, „wie Ukraine sie braucht“

Spanien will der Ukraine laut Außenminister Jose Manuel Albares in den kommenden Tagen sechs von insgesamt zehn zugesagten Leopard-Panzern liefern. „Danach wird es ein zweites Paket mit vier weiteren Panzern geben“, sagte Albares den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe (Samstag-Ausgabe). Es handelt sich dabei um Leopard-Panzer des älteren Typs 2A4.

„Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie sie es braucht“, sagte Albares mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. „Das umfasst humanitäre Hilfe, die Aufnahme von Flüchtlingen und die Lieferung von Defensivwaffen.“ Diese dienten zur Selbstverteidigung und zur Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine. „Und zwar in den international anerkannten Grenzen einschließlich der Krim. Aber die letzte Entscheidung liegt in der Hand der ukrainischen Regierung“, fügte Albares hinzu.

Kampfjets weiter offene Frage

Bei der Frage nach der Lieferung von westlichen Kampfjets an die Ukraine bleiben die meisten europäischen Staatschefs reserviert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich jedoch für eine Fortsetzung der Gespräche über eine Abgabe von westlichen Kampfjets an die Ukraine aus. Man müsse über Lieferungen durch Bündnispartner weiter diskutieren, sagte Stoltenberg am Freitag am Rande des Treffens in Ramstein.

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischia
Reuters/Alexander Ermochenko
Ein Blick auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja

IAEA „zutiefst besorgt“ wegen Saporischschja

Während militärisch die Vorbereitungen für die erwartete ukrainische Gegenoffensive laufen, werden Befürchtungen über mögliche Folgen laut. So hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) vor einem Nuklearunfall durch die zunehmenden Kampfhandlungen rund um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine gewarnt.

„Ich habe klare Anzeichen militärischer Vorbereitungen in dem Gebiet gesehen, als ich das AKW Saporischschja vor drei Wochen besucht habe“, sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi am Freitag laut einer Mitteilung der Behörde. Seither hätten die an Ort und Stelle stationierten Atomexperten mehrfach Explosionen in unmittelbarer Nähe der Anlage registriert.

Er sei „zutiefst besorgt“ wegen der aktuellen Lage. Die prekäre Situation erfordere weiteren Druck, damit die Anlage weder beschossen noch als Ausgangspunkt für Angriffe genutzt werde. Er werde diesbezüglich mit Russen und Ukrainern weiter verhandeln, so Grossi.