Crossing Europe: Filmfest ohne Schubladen

Zum 20. Mal und wie gewohnt mit fünf Eröffnungsfilmen startet heute Abend das Linzer Crossing Europe Festival, unter anderem mit dem Debütfilm „20.000 Arten von Bienen“ der baskischen Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren.

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Ein Kind findet sich darin in keinen Kategorien wieder, in sonnendurchglühten Sommerferien zwischen Bienenstöcken und Freibad. „Oma, warum bin ich so?“, fragt das Kind verzagt die Großmutter. Und die sagt dem Enkelkind: „Wie meinst du, so? Gott macht uns perfekt!“

Szene aus 20.000 ESPECIES DE ABEJAS
Luxbox

Schubladen mögen zwar helfen beim Denken, engen aber auch ein – die Botschaft von „20.000 Arten von Bienen“ dekliniert das gesamte Programm des Festivals in seiner Bandbreite durch. Solagurens zärtlicher Film steht ebenso für Europa wie Vitaly Manskys ebenfalls am Eröffnungsabend gezeigter „Eastern Front“ von der anderen Seite des Kontinents, der Einblicke in die Kriegsrealität der Ukraine bietet.

Von der Ukraine bis zur Linzer Dametzstraße

Manskys Dokumentarfilm ist zugleich ein Verweis auf einen der roten Fäden, die sich durch das Programm ziehen: Krieg, welche Mechanismen darauf hinführen und wie das Leben mit Traumata und ihre Überwindung funktionieren kann. Dritter Eröffnungsfilm ist das griechische Drama „A Blast“ als Teil des diesjährigen Tributes an die griechische Ausnahmeschauspielerin Angeliki Papoulia.

Der vierte ist die tschechisch-slowakische Koproduktion „Nightsiren“ aus dem „Nachtsicht“-Programm, in dem auch dieses Jahr wieder Horror- und fantastisches Kino aus Europa zu sehen ist. Als Rückblick läuft die Doku „Über eine Strasse“ von Edith Stauber und Michaela Mair, die schon bei der Eröffnung im ersten Festivaljahr 2004 zu sehen war, eine Ode an das Leben in der Linzer Dametzstraße, die direkt neben dem Festivalzentrum vorbeiführt.

Filme jenseits der Schubladen

Als das Festival vor 20 Jahren gegründet wurde, wirkte die Idee eines europäischen Filmfestivals im als provinziell wahrgenommenen Linz noch unerhört. In den zwei Dekaden seither hat sich nicht nur Linz gewandelt, auch das Europa, das damals auf der Leinwand vorkam, ist ein entschieden anderes geworden.

Katharina Riedler und Sabine Gebetsroither
Violetta Wakolbinger

„Europe, we need to talk“, stellen die Intendantinnen Sabine Gebetsroither und Katharina der Jubiläumsausgabe als Motto voran: „Die Erwartungen, die in die EU und deren Erweiterung – mit der Hoffnung auf dauerhaften Frieden in Europa, Vermehrung des Wohlstands, Stärkung der Demokratie sowie kulturellen Austausch – gesetzt wurden, sind nicht erfüllt worden.“

Konflikte auf der Leinwand

Politische Konflikte, Krieg und antidemokratische Tendenzen seien heute in ganz Europa zu beobachten. All das ist auch am Festivalprogramm ablesbar. Manche Filme setzen sich analytisch damit auseinander, wie Selma Doboracs Monolog-Montage „De Facto“ über Täterschaft in Kriegen, in Berlin mit dem Caligari-Filmpreis ausgezeichnet und hier im „Local Artists“-Programm zu sehen.

Andere tun es dokumentarisch wie Jan Baumgartners „The DNA of Dignity“ über den Umgang mit den Überresten Vermisster aus dem Balkan-Krieg. Und wieder andere verhandeln Krieg fiktional wie in Giacomo Abbruzzeses „Disco Boy“ mit Franz Rogowski als jungem Belarussen, der sich zur französischen Fremdenlegion meldet.

Richtung Zukunft ins Kino

Und dann sind da viele zukunftsgerichtete Lebensentwürfe: Erneut gibt es in diesem Jahr mit der „YAAAS!“-Jugendschiene ein Vermittlungs- und Filmprogramm, das sich dezidiert an Jugendliche wendet. Auch abseits davon befassen sich viele Filme damit, was Jungsein in Europa bedeutet, wie Familien, funktionierende und zerbröselnde, aussehen können, und wo sich Sicherheit wiederfindet.

Das Crossing Europe Festival findet von heute bis Montag in Linz statt, die Preise werden Sonntagabend vergeben.