Arbeiter montieren Photovoltaik-Modul
ORF.at/Lukas Krummholz
Prognose

Österreich verfehlt Klimaziele klar

Österreich muss sehr rasch viel mehr tun, um die Treibhausgasemissionen zu senken. Denn einem nun vorliegenden Bericht des Umweltbundesamts zufolge verfehlt Österreich bei Fortschreibung der bisherigen Klimaschutzmaßnahmen ganz klar die EU-Klimaziele für 2030: Die Treibhausgasemissionen würden dann bei 42 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent liegen – das wären 13 Millionen mehr als vorgesehen. Kritik gab es von SPÖ und NEOS.

Der Bericht „Treibhausgasemissionen Österreichs bis 2050“ ist Mitte März in der EU eingelangt und umfasst das WEM-Szenario („with existing measures“ – mit bestehenden Maßnahmen). Darin sind bereits bestehende Gesetzesinitiativen einkalkuliert, etwa die Ausbauziele für erneuerbare Energie bis 2030 und das von der EU beschlossene weitgehende Aus für Neuwagen mit Verbrennermotor im Jahr 2035. Erst in Entstehung befindliche Maßnahmen wie das weiterhin ausstehende Erneuerbare-Wärme-Gesetz fehlen in diesen Berechnungen.

Das EU-Ziel für Österreich betrifft die Treibhausgase außerhalb des Emissionshandels. Es geht also um so kritische Bereiche wie Teile des Verkehrs. Bei Nichterreichen drohen millionenschwere Strafzahlungen. Um das Ziel zu erreichen, braucht es eine Reduktion um 48 Prozent bis 2030 gegenüber 2005: Nachdem damals noch 56,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen wurden, bedeutet das eine Reduktion von 27 Millionen Tonnen bis zur Bilanz von 2030. Erlaubt ist dann noch der Ausstoß von 29 Millionen Tonnen.

Fast doppelte Anstrengung nötig

Mit den 42 Millionen Tonnen des WEM-Szenarios wären dann aber nur 14 Millionen Tonnen eingespart worden, etwas mehr als die Hälfte der vorgesehenen 27 Millionen Tonnen.

Schon in den vergangenen Jahren zeigte sich, dass der Weg in die Klimaneutralität schwierig wird. Von 2005 bis 2021 belief sich der Rückgang auf 13 Prozent, der Rest muss nun also in rund der Hälfte dieses Zeitraums erreicht werden. Nicht wenig, nachdem diese vom Klimaschutzgesetz (KSG) umfassten Sektoren vor zwei Jahren noch bei 48,81 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent lagen.

Grafik zu Österreichs Klimaziel
Grafik: APA/ORF; Quelle: reportnet.europa.eu

Von CO2-Neutralität bis 2040 weit entfernt

Laut den vom Umweltbundesamt eingereichten Plänen geht der Abbau jedoch weiterhin nur langsam voran, 2025 werden 45,98 und 2030 dann 41,69 Mio. Tonnen erreicht werden. In Richtung der 29 Mio. Tonnen geht es erst im Jahr 2050, da steht die WEM-Prognose immer noch bei 29,98 Mio. Tonnen. Laut Regierungsabkommen will man zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre Klimaneutralität feiern, also einen Nettoausstoß von null erreicht haben. Die EU will bis 2050 klimaneutral sein.

Greenpeace zu Szenario: 20 Jahre Verspätung

„Das Ergebnis ist erschreckend: Erst 2050, also mit 20-jähriger Verspätung, wird Österreich das gesetzlich verpflichtende EU-Reduktionsziel erreichen“, kommentierte Greenpeace den Bericht des Umweltbundesamts.

„Das Szenario ist ein klarer Weckruf an die Regierung: Längst überfällige Gesetze wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz sowie das Klimaschutzgesetz müssen umgehend verabschiedet werden, um die Aufholjagd zur Erreichung der Klimaziele zu starten“, fasste Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich, die Ergebnisse aus Sicht der NGO zusammen.

NGO drängt auf Klimaplan

„Wir wollen uns konsequent in der Gruppe der Klimaschutzvorreiter auf EU-Ebene positionieren“, sagte Leonore Gewessler (Grüne), als sie 2020 das Umweltministerium übernahm. Greenpeace ist zumindest weiterhin der Meinung, dass sich der Weg zur Klimaneutralität erfolgreich beschreiten lasse. Dazu müsse aber der im Juni fällige Klima- und Energieplan „ambitioniert“ überarbeitet werden.

Szenario mit weiteren Maßnahmen geplant

Für die Überarbeitung des Nationalen Klima- und Energieplans (NEKP) läuft die Zeit noch bis zur EU-Deadline 30. Juni 2023, dann soll auch ein WAM-Szenario („with additional measures“ – mit zusätzlichen Maßnahmen) errechnet werden, um die Lücken zu schließen.

„Zusätzliche Maßnahmen zur Erreichung des aktuellen Ziels für 2030 sowie des ehrgeizigeren Ziels für 2030 werden derzeit diskutiert und wurden daher nicht in die Modellierung einbezogen. Daher wird im Laufe dieses Jahres eine vollständige Aktualisierung mit zusätzlichen Politiken und Maßnahmen zur Erfüllung der nationalen Ziele für 2030 vorgelegt werden“, kündigte das Umweltbundesamt in seinem Bericht an.

Einigung auf Klimaschutzgesetz nicht in Sicht

In der Regierung wird es zwischen ÖVP und Grünen bei Klima- und Umweltschutzbelangen allerdings immer schwieriger, sich auf Maßnahmen zu einigen. Als beispielhaft gilt dafür vor allem das Ringen um ein seit Jahren überfälliges neues Klimaschutzgesetz. Es sieht unter anderem konkrete Ziele zur Reduktion von CO2-Emissionen für die einzelnen Wirtschaftssektoren vor.

Hier legt sich bisher vor allem die Wirtschaftskammer (WKO) quer, die unter anderem ein allgemeines CO2-Ziel, das es für 2030 und 2040 ohnehin bereits gibt, statt für bestimmte Sektoren fordert. Die WKO befürchtet, dass die Sektorziele zu Klimaklagen führen könnten.

Scharfe Kritik von SPÖ und NEOS

Scharfe Kritik übte SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr: Die ÖVP wahre nicht einmal mehr den Schein, sondern kommuniziere „offen Slogans von Klimaleugnern“. Die Grünen hätten sich sichtlich „damit zurechtgefunden, zentrale Punkte wie das Klimaschutzgesetz in dieser Periode nicht mehr auf Schiene zu bringen“.

Ganz ähnlich fiel die Kritik von NEOS-Klimasprecher Michael Bernhard aus. Er sagte, man müsse sofort umdenken und auch mehr gegen den Arbeitskräftemangel, der auch den Ausbau erneuerbarer Energie bremse, unternehmen.

Der grüne Klimasprecher Lukas Hammer machte dagegen jahrzehntelange Versäumnisse der Vorgängerregierungen verantwortlich. Mit der grünen Regierungsbeteiligung habe man nach langem Stillstand eine „Aufholjagd“ begonnen. Er verwies auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die sozial-ökologische Steuerreform und Milliarden für die Transformation der Industrie.