Abdel Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo, 2022
ASHRAF SHAZLY/AFP/picturedesk.com
Bericht

US-Fehleinschätzung schürte Sudan-Konflikt

Im Sudan kämpfen seit Mitte April die Generäle der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) um die Kontrolle der Hauptstadt Khartum. Eine Mitverantwortung für den Konflikt sieht das US-Politikmagazin „Foreign Policy“ auch bei den USA. Sie sollen die Situation im Land in der Vergangenheit falsch eingeschätzt und den Sudan nach einem Militärputsch 2019 zum Teil sich selbst überlassen haben. Und auch andere Länder hätten eigene Interessen im Sudan verfolgt.

Die Politik des Westens im Sudan, allen voran der USA, habe teilweise zur aktuellen Gewalt beigetragen, schrieb „Foreign Policy“ kurz nach Beginn des Konflikts. Der Westen habe versucht, den Frieden im Land zu fördern, jedoch gleichzeitig die Grenzen seiner Möglichkeiten aufgezeigt bekommen. Die USA hätten sich zu sehr darauf verlassen, dass sich die Probleme im Sudan von alleine lösen.

Gemeint ist damit vor allem die Zeit nach einem Militärputsch im Sudan im Jahr 2019, bei dem der jahrzehntelange Diktator Omar al-Baschir nach monatelangen Protesten abgesetzt wurde. Die USA und andere westliche Länder sahen darin eine Chance auf Demokratie im Sudan und drängten zivile Demonstranten und das Militär dazu, eine Übergangsregierung zu bilden.

Sudanische Demonstranten, 2019
Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah
2019 führten Proteste im Sudan zu einem Militärputsch und zur Absetzung des Langzeitdiktators Omar al-Baschir

Eine Übergangsverfassung hätte den Weg für Wahlen im Jahr 2022 frei machen und den Übergang in eine Demokratie einleiten sollen. Für die USA war dabei stets wichtig zu betonen, dass der Übergang im Sudan als „zivil geführt“ voranschreiten soll – sprich eine zivil geführte Regierung, die getrennt vom Militär sein sollte.

Zivil geführte Regierung ohne Macht

Eine zivil geführte Regierung unter Premierminister Abdalla Hamdok kam daraufhin auch ins Amt – allerdings zog im Hintergrund weiterhin das Militär die Fäden. Hamdok gelang es daher auch nicht, das Land zu stabilisieren. Reformen, die er durchführen wollte, wurden von den beiden Generälen Abdel Fattah al-Burhan, dem Anführer der sudanesischen Armee, und Mohammed Hamdan Dagalo, auch genannt Hemeti, dem Chef der RSF-Miliz, blockiert.

Zudem wurden die sudanesischen Gewerkschaften, die bei der Protestbewegung 2019 vorn dabei waren, aufgrund von innerlichen Machtkämpfen stark geschwächt. Und auch zivile politische Parteien stritten sich um die Macht. 2021 setzte der Armeegeneral Burhan die Regierung und Hamdok ab und wurde de facto Staatsoberhaupt des Sudan.

Sudanischer Ex-Premier Abdalla Hamdok
Reuters/Amr Alfiky
Der zivile Premierminister des Sudan, Abdalla Hamdok, konnte sich nicht gegen das Militär behaupten

Es sei unklar, ob die USA und westliche Regierungen den Putsch hätten verhindern können, so „Foreign Policy“. Die Übergangsverfassung, auf die die USA gedrängt hatten, sei allerdings ein schlechtes Geschäft gewesen. Die darauffolgende Politik des Westens habe zudem zur aktuellen Gewalt im Sudan beigetragen.

Auslöser des aktuellen Konflikts

Der Auslöser für den aktuellen Konflikt im Sudan war ein Versöhnungsabkommen und ein Plan zur Reform des Sicherheitssektors, der direkt nach dem Militärputsch von den USA und der UNO-Mission im Sudan vorangetrieben wurde. Die Grundidee bestand darin, die sudanesische Armee und die RSF zu einer einzigen Armee zu vereinen.

Die Größen werden dabei bei der sudanesischen Armee auf rund 100.000 Soldaten und bei der RSF auf 30.000 bis 50.000 Kämpfer geschätzt, wobei die RSF eine große Reservetruppe haben, da sie Stammesverbündete mobilisieren können.

Integration der RSF-Miliz schwer

In langen Verhandlungen wurde versucht, beide Seiten zu einer gemeinsamen Einigung zu bewegen. Laut westlichen Diplomaten in Khartum seien alle Beteiligten dabei jedoch „echte Amateure“ gewesen. Die Diplomaten im Sudan würden nur eindimensional denken, hieß es.

Das spiegelte sich auch in der Tatsache wider, dass weder Burhan noch Hemeti ihre Macht aufgeben wollten. Der Konflikt entzündete sich schließlich am Streit darüber, wie die RSF-Miliz in die regulären Truppen integriert werden soll. Armeechef Burhan wollte die Eingliederung binnen zwei Jahren abschließen und den Paramilitärs die Rekrutierungskriterien der Armee auferlegen. RSF-Chef Hemeti forderte zehn Jahre Zeit für die Integration und dass seine Leute ihre Ränge behalten.

Das Ergebnis des Plans der USA war „Foreign Policy“ nach auch vorhersehbar, zum Teil, weil es eine Wiederholung der Geschichte gewesen sei. Denn auch die friedensstiftenden Bemühungen, die 2013 und 2016 im Südsudan getroffen wurden, hätten zu Bürgerkriegen geführt.

Unterstützer in der Region

Neben den USA und dem Westen spielten allerdings auch weitere Länder eine wesentliche Rolle im Sudan. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterstützten die RSF – möglicherweise auch mit Waffen –, da diese für die von Saudi-Arabien angeführte Koalition im Jemen kämpften, sagte US-Menschenrechtsanwältin Jehanne Henry gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. Über die Wüsten des Tschad und Libyens, die an Hemetis Hochburg Darfur im Westen des Sudan grenzen, könnten Munition und Söldner zur RSF gelangen.

RSF-Kämpfer in Fahrzeug
APA/AFP/Rapid Support Forces (RSF)
Die paramilitärischen RSF sollen von den VAE möglicherweise auch mit Waffen unterstützt worden sein

Ein weiterer wichtiger Faktor in der Region ist der mächtige Nachbar im Norden, Ägypten. Dem Land fällt es allerdings schwer, im Konflikt eine klare Position zu beziehen. Einerseits unterhält das Land enge Beziehungen zur sudanesischen Armee, andererseits wird Ägypten finanziell stark von den VAE unterstützt.

Wirtschaftliche Interessen

Flächenmäßig ist der Sudan das drittgrößte Land Afrikas und erstreckt sich über einen großen Teil des Einzugsgebiets des Nils. Das Land teilt sich den Wasserweg mit den regionalen Schwergewichten Ägypten und Äthiopien. Ägypten ist auf den Nil angewiesen, um seine über 100 Millionen Einwohner zu versorgen, und Äthiopien arbeitet an einem massiven Staudamm flussaufwärts, der sowohl Ägypten als auch den Sudan alarmiert hat.

Der Sudan grenzt an fünf weitere Länder: Libyen, Tschad, die Zentralafrikanische Republik, Eritrea und den Südsudan, der sich 2011 abspaltete und 75 Prozent der Ölressourcen des Sudan mitnahm. Fast alle sind in ihre eigenen internen Konflikte verwickelt, wobei verschiedene Rebellengruppen entlang der Grenzen operieren.

Auch Russland im Sudan tätig

Eine weitere Rolle in der Region spielt Russland. Das Land plant seit Langem den Bau eines Marinestützpunkts in Port Sudan, der bis zu 300 Soldaten und vier Schiffe aufnehmen kann und an einer wichtigen Handelsroute des Roten Meeres für Energielieferungen nach Europa liegt.

Und auch die prorussischen Wagner-Söldner, die enge Verbindungen zum Kreml pflegen, haben in den letzten Jahren in ganz Afrika Fuß gefasst und sind seit 2017 im Sudan tätig. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin erhielt Lizenzen für Goldminen und soll im Gegenzug zumindest Waffen für die sudanesische Armee und die an der Macht beteiligten Paramilitärs der RSF geliefert haben. Die USA und die Europäische Union verhängten 2020 Sanktionen gegen zwei mit Wagner verbundene Goldminenunternehmen im Sudan, die des Schmuggels beschuldigt wurden.

Recherchen von CNN und Investigativjournalisten fanden zudem Belege dafür, dass über Wagners Kanäle jahrelang Gold im Wert von Milliarden US-Dollar aus dem Sudan nach Russland geschmuggelt wurde – wichtige Devisen, die Moskaus Staatskassen bei der Bewältigung der Kosten des Angriffskriegs gegen die Ukraine zugutekommen.