Zerstörte Gebäude in Khartoum, Sudan
AP/Marwan Ali
UNO zu Sudan

Keine Anzeichen für Friedensbereitschaft

Die von den USA vermittelte Waffenruhe im Sudan hält nach Auffassung der UNO bisher nur „in einigen Teilen“. Es gebe zudem keine Anzeichen, dass die Kriegsparteien bereit seien, „ernsthaft zu verhandeln“. Beide Seiten würden einen militärischen Sieg für möglich halten, so der UNO-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes, am Dienstag vor dem UNO-Sicherheitsrat. Das sei eine Fehlkalkulation.

Das SOS-Kinderdorf in der sudanesischen Hauptstadt Khartum wurde nach Angaben der Organisation von Bewaffneten angegriffen. Wie die Helfer am Mittwoch mitteilten, mussten die betreuten Kinder und Jugendlichen sowie die Mitarbeitenden in Sicherheit gebracht werden. Insgesamt seien 68 Kinder und 19 Angestellte in angemieteten Wohnungen in anderen Vierteln Khartums untergebracht worden.

„Wir fordern beide Seiten auf, sich bedingungslos an die internationalen humanitären Gesetze und Prinzipien zu halten und es uns zu ermöglichen, unsere lebenswichtige Unterstützung für die am meisten gefährdeten Kinder und Familien fortzusetzen“, sagte die Leiterin der SOS-Kinderdörfer im östlichen und südlichen Afrika, Senait Gebregziabher.

Kämpfe „in einigen Fällen intensiviert“

Trotz Waffenruhe waren die Kämpfe auch am Dienstag in Khartum unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte der Armee und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) „weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert“ worden, hieß es laut Perthes.

Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum gingen weiter. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt.

Mann steht neben zerstörten Gebäude in Khartoum, Sudan
AP/Marwan Ali
In Khartum wurden zahlreiche Häuser zerstört

Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. Zu den Opfern gehörten sudanesische Bürgerinnen und Bürger und auch Mitarbeitende der Vereinten Nationen, humanitäre Helferinnen und Helfer sowie diplomatisches Personal.

Angst vor zunehmender Kriminalität

Die Angst vor zunehmender Kriminalität wachse. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres appellierte vor dem Sicherheitsrat für ein Ende der Gewalt und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges.

„Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren“, sagte Perthes in New York. Er forderte beide Seiten auf, den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts nachzukommen und den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sicherzustellen. Zudem gebe es „beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe“.

Die USA hatten am Montag vor einem Mangel an lebenswichtigen Medikamenten, Lebensmitteln und Wasser im Sudan gewarnt. Besonders für Verletzte und Kranke ist die Lage prekär. Nur 35 Krankenhäuser und Kliniken seien in dem Land mit 46 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern noch funktionstüchtig, berichtete das sudanesische Ärztekomitee. Und selbst diesen gehen die Medikamente aus. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen gibt es kaum noch Blutkonserven im Land.

Feuerpausen nicht eingehalten

Im Sudan kämpfen seit 15. April die sudanesischen Streitkräfte und die Miliz RSF um die Macht. Dabei wurden mindestens 459 Menschen getötet und mehr als 4.000 verletzt. Seit Dienstag gilt eine US-vermittelte 72-stündige Waffenruhe. Zwei zuvor von beiden Konfliktparteien vereinbarte Feuerpausen waren nicht eingehalten worden.

Menschen fliehen aus Khartoum, Sudan
Reuters/El Tayeb Siddig
Menschen in Khartum machen sich bereit für die Flucht

Perthes, der seinen Arbeitsort aus Sicherheitsgründen in die Stadt Port Sudan verlegt hatte, ist nach eigenen Angaben weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan. Sowohl der Oberbefehlshaber der Armee, Abdel Fattah al-Burhan, als auch Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der RSF, würden aber noch immer gegenseitige Anschuldigungen erheben und damit wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung der Krise machen.

Bisher 50 Österreicher und Angehörige aus Sudan gebracht

Bisher seien rund 50 Auslandsösterreicherinnen und -österreicher und ihre Angehörigen sicher außer Landes gebracht worden, „die meisten im Rahmen von Evakuierungsmissionen auf dem Luftweg“, wie das Außenministerium in Wien am Mittwoch der APA mitteilte. Rund 25 der Betroffenen seien Kinder. Bei den Betroffenen handle es sich vorwiegend um Auslandsösterreicher mit sudanesischen Wurzeln, die ihren Lebensmittelpunkt zumeist seit mehreren Jahren im Sudan hätten.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bedankte sich am Mittwoch via Twitter bei seinem niederländischen Amtskollegen Wopke Hoekstra, dessen Ministerium sowie dem Verteidigungsministerium der Niederlande dafür, dass mehrere Österreicher mit einem niederländischen Evakuierungsflug aus dem Sudan in Sicherheit gebracht worden seien. Aktuell sind noch rund ein Dutzend Österreicher mit Aufenthaltsort Sudan beim Außenministerium registriert, man stehe mit ihnen in „direktem, persönlichen Kontakt“.

Angriffe trotz Waffenruhe im Sudan

Im Sudan sind laut Berichten wieder vereinzelt Schüsse zu hören. Die vereinbarte Waffenruhe dürfte erneut nicht halten. Die humanitäre Situation ist laut Hilfsorganisationen bereits jetzt dramatisch.

Die deutsche Bundeswehr beendete ihre Evakuierungsflüge aus dem umkämpften Sudan vorerst. Ein Sprecher teilte am Mittwoch mit, man habe in den vergangenen Tagen insgesamt mehr als 700 Menschen aus dem Land gebracht. Auch Großbritannien hat bisher mehr als 200 Britinnen und Briten aus dem Sudan ausgeflogen. Saudi-Arabien brachte eigenen Angaben zufolge am Mittwoch knapp 1.700 Zivilisten per Schiff aus dem Sudan, darunter seien auch Menschen aus EU-Staaten.

Rätseln um Verbleib von Baschir

Ein Angriff auf das Gefängnis, in dem der abgesetzte sudanesische Präsident Omar al-Baschir festgehalten wird, hat unterdessen Fragen zu seinem Verbleib aufgeworfen. Eine der Kriegsparteien erklärte, er werde an einem sicheren Ort festgehalten, während die andere Seite behauptete, er sei freigelassen worden.

Der gestürzte sudanesische Staatschef sei vom Kober-Gefängnis in ein Militärkrankenhaus in der Hauptstadt verlegt worden, bevor dort am 15. April schwere Kämpfe ausbrachen, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch zwei Quellen aus dem Krankenhaus. Auch die sudanesische Armee bestätigte am Mittwoch, dass Baschir im Krankenhaus liegt.

Militärbeamte hatten der Agentur AP zuvor mitgeteilt, dass Baschir sowie Abdel-Rahim Mohammed Hussein und Ahmed Harun, die beide hochrangige Sicherheitspositionen innehatten, zu ihrer eigenen Sicherheit in eine vom Militär betriebene medizinische Einrichtung in Khartum verlegt worden seien. Sowohl Baschir als auch Harun werden vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Gräueltaten in Darfur gesucht.