Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne)
APA/Eva Mannhart
ORF-Gesetz

ÖVP und Grüne einig bei Digitalnovelle

Die Regierungsparteien haben sich auf eine Digitalnovelle des ORF-Gesetzes geeinigt. Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer präsentierten am Mittwoch vor Journalistinnen und Journalisten ihre Pläne. Die Novelle sieht sowohl eine Ausweitung als auch eine Einschränkung im Onlinebereich vor.

Im Zentrum steht laut Raab, dass der ORF mehr im Onlinebereich machen darf. Das Nutzungsverhalten habe sich verändert, so die Ministerin in ihren Ausführungen. Die TVthek werde künftig zeitlich unbefristet den Zuschauerinnen und Zuschauern zur Verfügung stehen. Der ORF dürfe in Zukunft auch zuerst und ausschließlich Inhalte für das Internet produzieren.

„ORF.at wird weiterentwickelt, und es soll moderner werden“, wie die Medienministerin sagte. So soll künftig auf der „Blauen Seite“ mehr Bewegtbild erscheinen. Gemäß den Plänen der Regierungsparteien sollen reine Textmeldungen 30 Prozent des Angebots in ORF.at ausmachen, Videobeiträge rund 70 Prozent, so Raab.

Beschränkungen für ORF.at: 350 Meldungen pro Woche

Es sei wichtig, dass die Medienvielfalt in Österreich gesichert und gestärkt werde. Deshalb werde es auch künftig Beschränkungen im Onlinebereich geben, kündigte die Ministerin an. So soll die Zahl der Meldungen in ORF.at auf 350 pro Woche limitiert werden. Derzeit sind es laut Raab in etwa 900, die 400 Videobeiträgen gegenüberstehen. „ORF.at soll sich auf audiovisuelle Beiträge fokussieren“, so Raab.

Statement von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP)

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) über die neue Digitalnovelle des ORF-Gesetzes.

Wie Raab lobte auch Grünen-Klubchefin Maurer den Entwurf. Sie betonte, dass es wichtig sei, Rahmenbedingungen für das geänderte Nutzungsverhalten zu schaffen. Künftig dürfe es keine „vertiefende Berichterstattung“ in ORF.at geben, sagte Maurer. Es sollen überblicksartige Kurzmeldungen publiziert werden. Damit soll einer „Zeitungsähnlichkeit“ vorgebeugt werden. Die Barrierefreiheit, die ORF.at anbietet, soll weiterhin gelten.

ORF Sport + bleibt bis 2026 als linearer Fernsehkanal bestehen und soll dann ein rein digitaler Kanal werden. Zusätzlich kündigte Raab einen Kinderkanal für den Onlinebereich an, welcher „qualitativ hochwertig“ ausfallen soll. Weitere Kanäle bleiben dem ORF im Digitalen verwehrt. Das Bestehen des Radio-Symphonieorchesters (RSO) ist unterdessen bis 2026 durch Bundesmittel gesichert, bis dahin soll eine tragfähige Lösung für die Zukunft erarbeitet werden.

Lange Verhandlungen über Digitalbereich

ORF, Zeitungsherausgeber und Politik hatten seit Längerem um die Digitalnovelle gerungen. Im Zentrum standen die derzeit durch das ORF-Gesetz stark eingeschränkten Möglichkeiten im Onlinebereich und in sozialen Netzwerken (Stichwort: Aufhebung der auf sieben Tage befristeten Möglichkeit, einmal gesendete Beiträge online zu zeigen). Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) pocht hingegen seit Jahren auf eine Beschränkung von ORF.at.

Statement von Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne)

Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) über die neue Digitalnovelle des ORF-Gesetzes.

Dieses Gesetz soll parallel zur Umstellung der Finanzierung auf eine Haushaltsabgabe des öffentlich-rechtlichen ORF in Kraft treten. Der VÖZ hatte zuletzt großen Druck gemacht, damit ORF.at in der Textberichterstattung möglichst stark eingeschränkt wird. Kritik an den Forderungen kam aus der Wissenschaft und insbesondere von Behindertenverbänden, die durch eine Beschränkung eine Gefahr für die barrierefreie Berichterstattung sehen.

Die im VÖZ vertretenen Zeitungen sehen im ORF eine große Konkurrenz – insbesondere, da sie auf ein Pay-Angebot umsteigen wollen und sich umso mehr Erfolg dabei erhoffen, je stärker das frei zugängliche Angebot von ORF.at eingeschränkt ist. Der Gesetzestext muss erst ausformuliert werden, bevor er in Begutachtung geht.

ORF-Redaktionsrat: „Einschränkung extrem problematisch“

Der Vorsitzende des ORF-Redaktionsrates, Dieter Bornemann, hielt in einer Stellungnahme fest: „Ich halte die Einschränkung auf der ‚Blauen Seite‘ für extrem problematisch. Die Regierungspläne bedeuten eine Verschlechterung auf der beliebtesten Nachrichtenseite des Landes. Das ist weder im Sinne des Publikums noch im Sinne der Demokratie. Davon werden nämlich Gratismedien, Onlineriesen sowie die Politpropaganda und ‚Fake News‘ profitieren.“

Weißmann spricht von „Kompromiss“

Der ORF hingegen begrüßte die Neuregelung seiner Finanzierung und die Digitalnovelle. „Mit der Entscheidung für einen ORF-Beitrag (Haushaltsabgabe) ist eine wesentliche Grundlage für eine zukunftssichere Weiterentwicklung des ORF geschaffen“, sagte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Die Digitalnovelle bezeichnete er als „Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern“, damit könnten nun „die Angebote für das Publikum in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden“.

Das Ergebnis sei vor allem im Sinn des Publikums, der ORF werde so digitaler, österreichischer, aber auch für jeden zahlenden Haushalt günstiger. Die Neuregelung der ORF-Finanzierung ändere nichts an der Tatsache, dass der ORF auch weiterhin sparsam wirtschaften und die Finanzierungslücke von rund 300 Mio. Euro bis 2026 aus eigener Kraft schließen müsse.

Von einer „medienpolitischen Fehlentwicklung“ sprach der VÖZ. „Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen – insbesondere als Marktführer im Digitalbereich – droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt“, warnte VÖZ-Präsident Markus Mair. Es gelte, für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen und die Medienvielfalt im Auge zu behalten.

Haushaltsabgabe soll kommen

Neben der Digitalnovelle ging es zuletzt auch um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens. Mitte März präsentierte die Regierung ihre Pläne zu einer Haushaltsabgabe – anstatt der bisher eingehobenen, gerätegekoppelten Rundfunkgebühr. Der ORF-Beitrag wird 15,30 Euro pro Monat plus Landesabgaben ausmachen – anstatt der bisherigen 22,45 Euro. Die Umstellung erfolgt mit 1. Jänner 2024. Eingehoben wird die Abgabe pro Hauptwohnsitz, reine Nebenwohnsitze sind davon ausgenommen.

Grund für die Änderung der Finanzierung war die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach der gebührenfreie Empfang von ORF-Programmen über Internet verfassungswidrig ist. Bisher zahlt man für TV und Radio Programmentgelt. Wie die Regierung betonte, fallen künftig die Bundesabgabe und der Kunstförderbeitrag weg und werden aus dem Budget gedeckt.

Werbebeschränkung im Online- und Radiobereich

Im Radio- und Digitalbereich gibt es künftig stärkere Werbebeschränkungen für den ORF, die pro Jahr ca. 25 bis 30 Millionen Euro ausmachen sollen. Insgesamt soll es für den ORF laut Raab zu einem „Nullsummenspiel“ kommen. Die Einbußen bei den Werbeeinnahmen sollen durch Mehreinnahmen beim ORF-Beitrag kompensiert werden. Dem ORF sollen durch den ORF-Beitrag künftig 710 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stehen.

Auferlegt wird dem ORF von der Regierung ein Transparenzbericht. Dieser legt etwa die Gehälter von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern und deren Nebenbeschäftigungen offen. Ab einem Jahresbruttogehalt von 170.000 Euro ist eine namentliche Veröffentlichung vorgesehen. Diverse „Privilegien“ werden beschnitten – etwa im Bereich der Wohnungszulagen, Sonderpensionen und Abfertigungen.

Opposition spricht von vertaner Chance

Unzufrieden mit der präsentierten Novelle zeigte man sich auch beim Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Das Gesetzespaket stärke nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF, wurde in einer Aussendung kritisiert. Dieser solle nicht nur weitreichende Onlinefreiheiten erhalten, auch sein Budget werde deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet werde, so VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm.

Kritisch fielen auch die Reaktionen der Opposition aus. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried ortete große Schwächen und insgesamt eine vertane Chance. Es fehle ein Zukunftskonzept über die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meinte er. Bei der Haushaltsabgabe vermisse er eine soziale Staffelung. Auch von der FPÖ kam ein „klares Nein zur ORF-Zwangssteuer“. Darüber hinaus führe die Digitalnovelle zu einer Besserstellung des ORF gegenüber privaten Medienunternehmen, wodurch die Medienvielfalt bedroht werde, so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker.

Sein NEOS-Gegenüber Henrike Brandstötter vermisste eine Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags und kritisierte, dass die Regierung sich gegen eine Gremienreform, gegen die Abschaffung der Landesabgabe und gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute entschieden habe.