Umweltministerin Leonore Gewessler
APA/Georg Hochmuth
Grüner Vorstoß

Gewessler will OMV-Gassparte verstaatlichen

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) schlägt eine neue Strategie vor, wie Österreich laut EU-Plan bis 2027 aus russischem Gas aussteigen kann. Dafür müsse unter anderem die OMV-Gassparte zeitlich befristet verstaatlicht werden. Mit dem Koalitionspartner ÖVP sei das aber nicht abgesprochen. Dieser zeigte sich skeptisch.

Die Pläne der Energieministerin sehen vor, die Gasbeschaffung temporär staatlich zu organisieren. Eine eigene staatliche Gesellschaft soll in den kommenden zwei bis drei Jahren Transportleitungen buchen für Gas, das nicht aus Russland kommt. Dafür sollen Teile des OMV-Gasgeschäftes in die Staatsholding ÖBAG übertragen werden. Künftig solle so die Republik entscheiden, wo das Gas eingekauft wird.

Die bestehenden Verträge mit dem russischen Energiekonzern Gasprom sollen ausgenommen sein. Das dürfte aber nicht der einzige Haken an der Reverstaatlichung sein. Denn bei der OMV redet nicht nur der Staat mit, der lediglich einen Anteil von 31,5 Prozent über die ÖBAG hält. 24,9 Prozent entfallen auf die Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company (MPPH) mit Sitz in Abu Dhabi, der Rest ist Streubesitz.

Gasstrategie gegen russische Abhängigkeit

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat mit Experten Vorschläge zum Ausstieg aus der russischen Gasabhängigkeit präsentiert. Demzufolge soll die Gasbeschaffung zumindest zeitlich befristet staatlich organisiert werden.

Die Idee einer Verstaatlichung der OMV-Gashandelstochter OGMT ist nicht neu und wurde bereits von Ex-OMV-Boss Gerhard Roiss und dem jetzigen OMV-Chef Alfred Stern im Dezember des Vorjahres ventiliert. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), als Eigentümervertreter der ÖBAG, reagierte damals darauf zurückhaltend. Er werde sich in operative Angelegenheiten der OMV nicht einmischen, sagte Brunner Ende des Vorjahres.

Gas aus Norwegen und Rumänien

Des Weiteren will Gewessler, dass österreichische Energieunternehmen die Verpflichtung übernehmen, nicht russisches Gas in Speichern für die Stromversorgung vorzuhalten, und dafür Unterstützung vom Staat erhalten, aber keine vollkommene Kostendeckung. Schon heute müssten die Energiefirmen für ihre geschützten Kunden Gasreserven einspeichern, das soll nun auch für das benötigte Gas für die Verstromung gelten.

Außerdem solle sich Österreich Gasmengen der OMV in Norwegen und Rumänien sichern. Dafür sollten laut Gewessler die entsprechenden Transportkapazitäten gebucht werden. Das solle eine von der Bundesregierung beauftragte Gesellschaft übernehmen. Bei dem Gas aus Rumänien handelt es sich um das Projekt „Neptun“ im Schwarzen Meer. Bis zu zwei Milliarden Euro will OMV-Vorstandschef Stern in das Vorhaben investieren, sagte er im Mai vorigen Jahres. Eine Entscheidung solle spätestens 2023 fallen, kündigte Stern damals an. Erstes Gas könnte vier Jahre später fließen.

Speicher zu 67 Prozent gefüllt

Für ihre am Freitag präsentierten Pläne hatte sich Gewessler den Rat des Energieexperten Walter Boltz und von Roiss geholt. Laut Boltz müssten die Unternehmen rund zehn Terawattstunden einlagern, unter dem Stich sollte Österreich 60 Prozent des Gasjahresbedarfs in den Speichern haben. Allerdings könne das Gas nicht zur Gänze in Österreich gelagert werden, weil dafür die Speicherkapazitäten zu gering seien. Jedenfalls sollte der Gasvorrat für sechs Monate reichen.

Derzeit würden die Speicherfüllstände bei rund 67 Prozent liegen – nach 13 Prozent im Frühjahr des Vorjahres. Allerdings seien diese Gasmengen nicht exklusiv für Österreich bestimmt. Zwar seien die Gaspreise deutlich gesunken, allerdings sei die Situation weiter angespannt, so Gewessler. Ziel sei es, entsprechend den Plänen der EU, bis 2027 vom russischen Gas unabhängig zu werden, denn die „Erpressung“ mit Gas habe dramatische Auswirkungen.

Mit ÖVP nicht abgesprochen

Angesprochen darauf, inwieweit die am Freitag präsentierten Maßnahmen mit dem Regierungspartner ÖVP abgesprochen seien, sagte Gewessler, dass dieser wisse, dass ihr Ministerium Vorschläge ausarbeitet. Die am Freitag präsentierten nächsten Schritte zur Gasversorgung seien ein Start in eine Debatte, die weit über den Energiesektor hinausgehe.

Gewessler im ZIB2-Interview

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht zur neuen Strategie, laut der Österreich bis 2027 aus russischem Gas aussteigen kann.

Nach dem Krisenjahr 2022 sei jetzt der Zeitpunkt, auf die mittel- und langfristigen Maßnahmen umzuschwenken, ergänzte Gewessler im ZIB2-Interview. Nötig sei „mehr staatlicher Zugriff auf die Gasversorgung, weil der Markt es nicht richtet“. Vorteil der Verstaatlichung sei, von einem Versorgungsauftrag und nicht von Profitinteressen abhängig zu sein. „Mein Ziel ist, die ersten Maßnahmen vor der nächsten Heizperiode zu setzen“, so Gewessler.

Finanzministerium skeptisch

Das Finanzministerium (BMF) wurde von Gewesslers Alleingang offenbar überrascht. Man unterstütze jede Maßnahme, die zum gemeinsamen Ziel der Bundesregierung beitrage und das Bundesministerium für Klimaschutz im eigenen Wirkungsbereich unterstütze, den Ausstieg aus russischem Gas zu beschleunigen, hieß es. Die ÖBAG habe dazu bereits im Dezember eine Studie vorgelegt.

„Skeptisch ist das BMF daher nach wie vor, was den konkreten Vorschlag der Herauslösung und Verstaatlichung der OMV-Gastochter OGMT betrifft“, so das Ministerium. „Die Vorschläge werden wir uns im Detail anschauen, wichtig ist, dass es um die Sache geht“, sagte Finanzminister Brunner in der ZIB1. Das gemeinsame Ziel seien Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit.

NEOS verweist auf eigene Lösungen

NEOS verwies in einer Stellungnahme auf eigene Lösungsansätze: „Wir haben seit Kriegsbeginn immer wieder Optionen auf den Tisch gelegt, wie Gas aus nicht russischen Quellen nach Österreich gebracht werden kann, zuletzt auch mit dem Vorschlag zu einem Gesetz, das es ermöglicht, dass die OMV aus den langfristigen und unsäglichen Verträgen herauskommt“, sagte NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer.