Vizekanzler Werner Kogler
APA/Roland Schlager
„Millionenerben“

Kogler startet Anlauf für Vermögenssteuer

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler startet einen neuen Anlauf für die Vermögenssteuer. In einem Video, das am Samstag auf Social Media veröffentlicht wurde, fordert Kogler eine „Millionärssteuer für Millionenerben“. In zwei Tagen ist das nun der zweite grüne Vorstoß, der nicht mit dem Regierungspartner ÖVP abgesprochen scheint. Erst Freitagabend ließ Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit der Idee aufhorchen, OMV-Gas zu verstaatlichen.

Der Vorwahlkampf wirkt jedenfalls eröffnet. Nachdem sich zuletzt ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer etwa mit dem Thema „Autoland“ Österreich zu positionieren versucht hatte, wärmte Kogler nun kurz vorm 1. Mai den grünen Klassiker der Vermögenssteuern wieder auf.

„Wer sein Leben lang ‚hackelt‘, zahlt für dieses Arbeitsleben Hunderttausende Euro Steuern und Abgaben, etwa für Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser“, leitet Kogler sein Plädoyer ein. „Wenn jemand viele Millionen erbt, eine fette Villa, astronomische Aktienpakete oder Riesenvermögen sonstiger Art, der zahlt genau nix – null, niente, nada“ für die Gemeinschaft, kritisiert der Grünen-Chef.

„Himmelschreiende Ungerechtigkeit“

Bei immer weniger Menschen komme ein immer größeres Vermögen an, konstatierte Kogler, „und die anderen kriegen nichts – das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“, findet er. „Das ist nicht christlich, das ist nicht sozial“, richtete Kogler seinem Koalitionspartner ÖVP aus, der gegen solche Steuern ist, „das ist nicht fair und eben nicht gerecht“.

Denn dieses „leistungslose“ Einkommen „widerspricht doch jedem Leistungsprinzip“, meint der Vizekanzler. Zu einer „verantwortungsvollen Zukunft“ gehöre nicht nur mutiger Klimaschutz, sondern auch die Beseitigung derartiger Ungerechtigkeiten. „Deshalb bin ich für eine Millionärssteuer“, wirbt Kogler. „Die Millionenerben sollen ihren fairen und gerechten Beitrag leisten.“

Geld für Pflege und Kinder

Zugutekommen sollten die zusätzlichen Einnahmen jenen, „die viel leisten, aber wenig verdienen“, erklärte Kogler, beispielsweise dem Pflegepersonal und Kindergartenpädagoginnen. Nach dem Ende der Pandemie und der Sicherung der Energieversorgung sei „jetzt der Zeitpunkt gekommen, weiter in die Zukunft zu schauen und eine durchaus ältere Gerechtigkeitsfrage neu zu diskutieren“, hieß es seitens der Grünen zur APA.

Gerade in einer immer angespannteren Personalsituation in vielen Bereichen, in denen viel für den gesellschaftlichen Zusammenhang geleistet werde, aber die Einkommen gering seien, wolle man damit eine Umverteilungsdebatte anstoßen. Details ließ man offen: Kogler will nun mit „den Betroffenen“ sowie Menschen aus Wissenschaft und Politik darüber reden, wie man eine solche „Millionärssteuer für Millionenerben“ am sinnvollsten gestalten könne.

ÖVP will Vorschlag nicht kommentieren

Eine Kursänderung der Türkisen zeichnet sich freilich nicht ab. In der Bundes-ÖVP wollte man die Vorschläge des grünen Parteichefs auf APA-Anfrage am Samstag nicht kommentieren.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch bewertete Koglers Vorstoß als „völlig unglaubwürdig“. Seit mehr als drei Jahren würden die Grünen in der Regierung die ÖVP-Klientelpolitik „widerstandslos“ mittragen und hätten Anträge der SPÖ für eine Millionärsabgabe immer wieder abgelehnt. „Kogler hält die Bevölkerung am Schmäh“, befand Deutsch in einer Aussendung. Der Vizekanzler solle zunächst dafür sorgen, dass die KöSt-Senkung zurückgenommen wird, sonst zeige sich „die Scheinheiligkeit“ der Aussagen.

Als „verstaubte Uraltidee aus der altmarxistischen Mottenkiste“ kritisierte FPÖ-Klubobmannstellvertreterin und Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch indes in einer Aussendung die Forderung Koglers. „Neue Steuern sind das Letzte, was Österreich jetzt braucht.“ Angesichts der Rekordteuerung in allen Lebensbereichen wären stattdessen „massive Steuersenkungen bis hin zu ihrem völligen Aussetzen“ bei den Verbrauchssteuern auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe das Gebot der Stunde. Belakowitsch fürchtet, dass letztlich eine Erbschaftssteuer auch die durchschnittlichen Einfamilienhaus- oder Eigentumswohnungsbesitzerinnen und -besitzer treffen würde.

Katzian will „Verteilungsfrage stellen“

Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sprach sich am Wochenende einmal mehr für Vermögenssteuern aus. Die Aussagen von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), nun wieder genauer auf den Budgetpfad zu achten, interpretierte Katzian in der Printausgabe der „Salzburger Nachrichten“ als „Ankündigung eines Sparpakets, auch wenn er dieses Wort nicht in den Mund nimmt“. Der Gewerkschaftschef betonte: „Wer glaubt, dass man das auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen kann, der lebt auf dem Mond und ist auf dem Holzweg. Dem werden wir uns mit aller Kraft, mit allem, was möglich ist, entgegenstellen.“

Vielmehr will Katzian die „Verteilungsfrage stellen“: Es gebe viele, die nichts oder fast nichts beitragen. „Ob das jetzt Vermögenssteuer, Millionärssteuer oder sonst wie heißt, ist mir egal. Der Punkt ist: Es müssen die großen Vermögen einen Beitrag leisten“, forderte der ÖGB-Präsident, dasselbe gelte für große Erbschaften. „Breite Schultern können mehr tragen als ein Zniachterl mit schmalen Schultern.“

GPA: „Leere Ankündigungen sind zu wenig“

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, begrüßte Koglers Vorstoß in einer Aussendung: „Nur wenn Millionäre und Milliardäre endlich ihren gerechten Beitrag leisten, können wir die Schieflage im Steuersystem bekämpfen.“ 80 Prozent der Steuern würden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. Konsumentinnen und Konsumenten zahlen, so Teiber. Koglers Vorstoß sei höchste Zeit, jedoch warnt sie: „Leere Ankündigungen, wie wir sie aus der grünen Regierungshälfte schon oft vernommen haben, sind aber zu wenig.“

In Österreich besitze die ärmere Hälfte der Bevölkerung 2,8 Prozent des Vermögens, das reichste Prozent dagegen besitzt 40 Prozent. "Umfragen zeigen, dass auch unter ÖVP-Wählerinnen und -Wählern eine Mehrheit für die Einführung von Millionärssteuern ist“, verweist Teiber auf eine Umfrage des IFES-Instituts, die bei ÖVP-Wählerinnen und -Wählern eine Zustimmungsrate von 76 Prozent zeigt. Die ÖVP müsse daher ihre „Blockadehaltung als Schutzherrin der Reichen endlich beenden“.

Reaktionen auch von AK und IV

Unterstützung kam auch von Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl: „Sehr erfreulich, dass die Diskussion über ein gerechtes Steuersystem endlich auch in der Bundesregierung in Gang kommt“, twitterte sie. „Wir legen noch eins drauf: Es braucht Steuern auf Erbschaften UND Vermögen.“

Anders die Industriellenvereinigung (IV): Koglers Ruf nach einer Vermögenssteuer sei gerade in Zeiten hoher Inflation und weiterhin hoher Energiekosten „unüberlegt und eine klare Themenverfehlung“, befand die IV. „In einem Höchststeuerland wie Österreich nach dem Tod die Hinterbliebenen auch noch mit einer zusätzlichen Steuer auf bereits mehrfach versteuertes Vermögen zu belasten ist mehr als unverständlich.“

Gewessler: OMV-Gas verstaatlichen

Tags zuvor schoss Gewessler bereits indirekt gegen den Regierungspartner, indem sie eine neue Strategie vorschlug, wie Österreich laut EU-Plan bis 2027 aus russischem Gas aussteigen kann. Dafür müsse unter anderem die OMV-Gassparte zeitlich befristet verstaatlicht werden. Angesprochen darauf, inwieweit die am Freitag präsentierten Maßnahmen mit dem Regierungspartner ÖVP abgesprochen seien, sagte Gewessler, dass dieser wisse, dass ihr Ministerium Vorschläge ausarbeite.

Gewessler im ZIB2-Interview

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht zur neuen Strategie, laut der Österreich bis 2027 aus russischem Gas aussteigen kann.

Das Finanzministerium (BMF) wurde von Gewesslers Alleingang offenbar überrascht. Man unterstütze jede Maßnahme, die zum gemeinsamen Ziel der Bundesregierung beitrage und das Bundesministerium für Klimaschutz im eigenen Wirkungsbereich unterstütze, den Ausstieg aus russischem Gas zu beschleunigen, hieß es. Die ÖBAG habe dazu bereits im Dezember eine Studie vorgelegt.

„Skeptisch ist das BMF daher nach wie vor, was den konkreten Vorschlag der Herauslösung und Verstaatlichung der OMV-Gastochter OGMT betrifft“, so das Ministerium. „Die Vorschläge werden wir uns im Detail anschauen, wichtig ist, dass es um die Sache geht“, sagte Finanzminister Brunner in der ZIB1 am Freitag. Das gemeinsame Ziel seien Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit.