Tablette auf einer Kinderhand
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Fehlende Kinderarznei

Ministerium verweist auf EU-Ebene

Nach dem offenen Brief europäischer Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte wegen der Knappheit bei Kinderarzneimitteln hat am Sonntag das Gesundheitsministerium reagiert. „Der aktuelle Medikamentenmangel, der zahlreiche europäische Länder betrifft, ist nur auf EU-Ebene nachhaltig lösbar“, so das Ressort. Eine Aktualisierung der EU-Arzneimittelgesetzgebung sei geplant.

Die Erneuerung umfasse unter anderem das Ziel, die Produktion von Medikamenten wieder nach Europa zu bringen und Medikamente ohne Einschränkungen verfügbar, allgemein zugänglich und leistbar zu halten. Damit werde auch die Versorgung mit Medikamenten in Österreich langfristig sicherstellt, hieß es.

„Parallel arbeitet das Gesundheitsministerium bereits an der Umsetzung schnell wirksamer Maßnahmen, um die Lage zu entspannen. Dazu wurde unter anderem die magistrale Zubereitung von Kinderantibiotika mit dem Wirkstoff Amoxicillin in Apotheken vereinfacht“, betonte man in der Stellungnahme.

Präparate mit dem Wirkstoff Amoxicillin dürfen nun ohne chef- und kontrollärztliche Bewilligung in Apotheken selbst zubereitet werden. „Die Abgabe an Patientinnen und Patienten ist damit einfacher und schneller möglich“, erklärte das Ministerium.

Reserven sollen in Österreich erhöht werden

„Um einen Engpass in Zukunft zu vermeiden, bereitet das Gesundheitsministerium auch eine Verordnung vor, um die Reserven von Medikamenten und Wirkstoffen in Österreich deutlich zu erhöhen“, heißt es weiter. Dazu würden bereits Gespräche mit dem pharmazeutischen Großhandel und den Arzneimittelherstellerinnen und -herstellern laufen.

Am Samstag zeigten sich die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte europäischer pädiatrischer Gesellschaften, darunter auch Österreich, in dem offenen Brief aufgrund des „erheblichen Medikamentenmangels für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen“ besorgt.

„Noch vor wenigen Jahren nicht ansatzweise vorstellbar“

„Die Engpässe der letzten Monate führen dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich sind. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird dadurch nachhaltig gefährdet", heißt es in dem Brief. "Noch vor wenigen Jahren war dieses Szenario eines Versorgungsmangels in unseren Ländern nicht einmal ansatzweise vorstellbar. Wir sehen die Politik in der Verantwortung, eine ausreichende Produktion und Bevorratung wichtiger Arzneimittel der pädiatrischen Grundversorgung in Europa sicherzustellen.“

Kinder und Jugendliche würden laut den Expertinnen und Experten vergleichsweise wenige Medikamente brauchen, die aber nicht ohne weiteres austauschbar seien. „Insbesondere Antibiotika, Fieber- und Schmerzmittel, Medikamente gegen Asthma sowie Impfstoffe stellen den unverzichtbaren und essenziellen Basisbedarf dar“, erklärten die Medizinerinnen und Mediziner.

„Die Auswirkungen staatlicher Sparmaßnahmen und Preisreglementierungen treffen den Medikamentensektor für Kinder und Jugendliche besonders stark. Dabei sind die Medikamentenkosten bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen marginal“, hieß es in dem Schreiben weiter. „Wir fordern Sie als politisch Verantwortliche auf, diese Situation Ihrer Amtsverpflichtung gemäß umgehend zu lösen! Ohne gesunde Kinder und Jugendliche ist unsere Gesellschaft nicht zukunftsfähig!“ Für Österreich unterzeichnete Daniela Karall, die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).

Bayern erlaubt Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel

Bayern erlaubt unterdessen wegen der Lieferengpässe bei Antibiotikasäften für Kinder vorübergehend die Einfuhr von eigentlich in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln. Damit könnten „Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln“, erklärte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Samstag.

Holetschek verwies darauf, dass auf Bundesebene inzwischen „offiziell ein Versorgungsmangel mit antibiotikahaltigen Säften für Kinder festgestellt wurde“. Damit sei es den Landesbehörden möglich, im Einzelfall von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes „befristet abzuweichen“. Der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützte das Vorgehen. Die Reaktion Bayerns sei „richtig“, schrieb er auf Twitter.