Videograb eines Telegram-Posts vom 5. Mai 2023 zeigt den  der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin
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„Abzug aus Bachmut“

Wagner-Chef Prigoschin droht dem Kreml

Nach Klagen über fehlende Munition hat der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, dem Kreml mit dem Abzug seiner Kämpfer aus der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut in der nächsten Woche gedroht.

„Am 10. Mai 2023 werden wir unsere Stellungen in Bachmut an Einheiten des Verteidigungsministeriums übergeben und Wagner-Einheiten zurückziehen müssen, um unsere Wunden zu lecken“, sagte Prigoschin in einem am Freitag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video. „Wir hätten die Stadt Bachmut vor dem 9. Mai eingenommen“, hätten „die Militärbürokraten“ nicht die Munitionslieferungen gestoppt, sagte Prigoschin weiter.

Wegen des Munitionsmangels müssten seine Kämpfer jedoch mit einem „sinnlosen Tod“ rechnen. „Ohne Munition werden meine Burschen keine unnötig hohen Verluste tragen“, so Prigoschin. Der 9. Mai hat in Russland eine besondere Bedeutung: An diesem Tag wird dort jedes Jahr des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gedacht. Prigoschin schrieb allerdings auch: „Wenn Russland in Gefahr sein wird, werden wir erneut zur Verteidigung kommen.“

Ukrainische Soldaten an der Frontlinie von Bachmut
AP/Libkos
Ukrainische Soldaten an der Front von Bachmut

Kreml-Sprecher: Kann das nicht kommentieren

Der Kreml reagierte mit einem verbalen Schulterzucken auf Prigoschin. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kommentierte Prigoschins Ankündigung zunächst lediglich mit den Worten: „Wir haben das natürlich in den Medien gesehen. Aber ich kann das nicht kommentieren, weil es den Verlauf der militärischen Spezialoperation betrifft.“

Wenige Stunden zuvor hatte sich Prigoschin auf Telegram direkt an Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und an Generalstabschef Waleri Gerassimow gewandt – und schrie in die Kamera: „Schoigu, Gerassimow, wo, verdammte Scheiße, ist die Munition?“ Anschließend schimpft er weiter: „Ihr Biester, ihr sitzt in teuren Clubs, eure Kinder haben Spaß am Leben und nehmen YouTube-Clips auf.“ Hätte seine Truppe ausreichend Munition, wären die Todeszahlen fünfmal niedriger, behauptete er.

Kreml-Sprecher Dmitry Peskow
Reuters/Sputnik
Das Sprachrohr Putins – Kreml-Sprecher Dmitri Peskow

Konflikt mit Militärspitze eskaliert

Am Donnerstag berichteten nationalistische russische Militärblogger, der kürzlich als Vizeverteidigungsminister entlassene Michail Misinzew sei zum stellvertretenden Kommandeur der Wagner-Truppe ernannt worden. Offiziell bestätigt wurde das aber bisher nicht.

Söldnerabzug aus Bachmut angekündigt

Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat einen Rückzug seiner Truppen aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine angekündigt. Grund sei ein Mangel an Munition.

Prigoschin ist ein wichtiger Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin, kritisiert aber seit Monaten immer wieder die Armeespitze und behauptet, dass seine Männer nicht ausreichend versorgt würden. Die nun getroffene, besonders scharfe Wortwahl ist aber laut Beobachtern bisher ohne Beispiel. Damit verschärfte Prigoschin seinen seit Monaten schwelenden Konflikt mit Schoigu und der Militärführung erneut.

Ansicht eines durch einen russischen Angriff zerstörten Hauses in Bachmut
Reuters
Zahlreiche Gebäude und Wohnhäuser in Bachmut sind beschädigt oder gänzlich demoliert

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow will den Konflikt nutzen und bot an, seine eigene Truppe Achmat nach Bachmut zu schicken, sollten sich Prigoschin und seine Leute zurückziehen. „Ja, wenn der ältere Bruder Prigoschin und Wagner gehen sollten, dann verliert der Generalstab eine erfahrene Einheit, und an ihre Stelle könnten dann der kleine Bruder Kadyrow und Achmat treten“, schrieb Kadyrow auf Telegram. Seine Kämpfer seien bereit, voranzugehen und die Stadt zu erobern.

Unklarheit über Anzahl an Wagner-Söldnern

Im seit mehr als 14 Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpfen Prigoschins Söldner, die für ihr brutales Vorgehen berüchtigt sind, derzeit gemeinsam mit der russischen Armee vor allem um die Stadt Bachmut. Die Kämpfe gelten als äußerst verlustreich. Wie viele Wagner-Söldner derzeit in Bachmut kämpfen, ist nicht bekannt.

Aus der Ukraine hieß es allerdings am Freitag, dass mehr Wagner-Söldner kämen. Um Bachmut zu erobern, würden Wagner-Söldner aus anderen Frontabschnitten in die Stadt geschickt, sagte die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Freitag im ukrainischen Fernsehen.

Auch wichtiges symbolisches Ziel

Russischen Militärbloggern zufolge sollen die Wagner-Söldner in der Stadt selbst fast alleine im Einsatz sein und nur an den Flanken von regulären Soldaten unterstützt werden. Laut ukrainischen Angaben sind auch russische Luftlandetruppen und eine Motorschützenbrigade bei Bachmut stationiert.

Bachmut ist für Russland auch nach mehreren Rückschlägen nicht nur ein strategisch, sondern vor allem ein symbolisch wichtiges Ziel. Laut eigenen Angaben kontrollieren die russischen Angreifer rund 85 Prozent des Stadtgebiets.

Ukraine: Russische Angriffe zurückgeschlagen

Laut dem ukrainischen Militär setzten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe in der Ostukraine am Donnerstag fort. Erneut sei Bachmut im Brennpunkt des Geschehens gewesen, berichtete der Generalstab am Abend in seinem Lagebericht. Insgesamt seien bei Bachmut, Limansk und Marjinka rund 50 russische Angriffe zurückgeschlagen worden.

„Die russischen Besatzungstruppen erleiden weiterhin schwere Verluste auf dem Schlachtfeld, und alle medizinischen Einrichtungen in den vorübergehend besetzten Gebieten sind mit verwundeten Besatzungssoldaten überfüllt“, hieß es weiter. Die Angaben des Militärs können nicht unabhängig überprüft werden.

Seit Wochen hält die ukrainische Militärführung das russische Militär auch mit Berichten über eine bevorstehende Offensive zur Rückeroberung der besetzten Gebiete in Spannung. Zuletzt häuften sich in Russland Anschläge auf strategisch wichtige Infrastruktur nahe der Grenze zur Ukraine – möglicherweise als Teil der Vorbereitung einer solchen Gegenoffensive.