Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul
Reuters/Umit Bektas
Erdogan-Großveranstaltung

Scharfe Töne zum Wahlkampffinale

Eine Woche vor richtungsweisenden Wahlen in der Türkei haben Regierung und Opposition ihre Anhänger bei Großveranstaltungen in Istanbul auf die Abstimmung eingeschworen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu rief am Samstag im Stadtteil Maltepe seine Zuhörer dazu auf, „eine autokratische Führung mit demokratischen Mitteln auszuwechseln“. Präsident Recep Tayyip Erdogan beschimpfte seinen Herausforderer am Sonntag dann vor Hunderttausenden Anhängern in Istanbul unter anderem als „Säufer“.

Kilicdaroglu könne so viel trinken wie er wolle, das Volk werde das Land nicht einem „Säufer und Betrunkenen“ überlassen. Zudem warf Erdogan seinen Herausforderer einmal mehr vor, mit „Terroristen“ zusammenzuarbeiten.

Bei der Parlaments- und Präsidentenwahl am 14. Mai zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und Kilicdaroglu ab. Letzterer tritt als gemeinsamer Kandidat für eine Allianz aus sechs Oppositionsparteien unterschiedlicher Lager an. Gewinnt keiner der Kandidaten in der ersten Runde die absolute Mehrheit, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl.

Seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat Erdogan so viel Macht wie noch nie. Kritiker fürchten auch deswegen, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte Erdogan erneut gewinnen. Der Wahlkampf steht im Zeichen einer Wirtschaftskrise und der schweren Erdbeben im Februar mit Zehntausenden Toten in der Südosttürkei.

In der Türkei wird der Wahlkampf gegen Ende immer extremer. Der amtierende Präsident Recep Erdogan hat seinen Widersacher Kemal Kilicdaroglu bei einer Rede als Säufer beschimpft. Bei einem Wahlkampfauftritt des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu flogen Steine und er musste seine Rede unterbrechen. Mehrere Personen wurden dabei verletzt.

„Geschenk an die Weltpolitik“

Kilicdaroglu verspricht, das Land wieder in eine parlamentarische Demokratie zu überführen. Am Samstag sagte er: Ein demokratischer Regierungswechsel wäre auch ein „Geschenk an die Weltpolitik“ in der Türkei. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betonte er zudem, dass er die Beziehungen zu Deutschland verbessern werde.

Der türkische Präsidentschaftskandidat Kemal Kilicdaroglu während einer Wahlveranstaltung in Istanbul
IMAGO/Depo Photos/Alp Eren Kaya
Über die Zahl der Teilnehmer bei Kilicdaroglus Auftritt gibt es keine Angaben

Er kritisierte Äußerungen von Regierungspolitikern, die einen Wahlsieg der Opposition mit einem Putsch gleichsetzten. „Das zeigt, dass sie nicht an Demokratie glauben“, sagte er. „Was sie auch tun, die Stimmen des Volkes sind wertvoll, und das müssen sie akzeptieren.“

Außenminister Mevlüt Cavusoglu wies dagegen Bedenken zurück, dass die Regierung eine Wahlniederlage nicht einräumen werde. Man akzeptiere, was auch immer das Volk entscheide, sagte Cavusoglu dem Sender Habertürk am Sonntag.

Mit Steinen beworfen: Imamoglu sagt Auftritt ab

Der oppositionelle Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu brach unterdessen einen Auftritt in der Erdogan-Hochburg Erzurum ab. Er sei mit Steinen beworfen worden, dabei seien alle Scheiben des Wahlkampfbusses zerbrochen, teilte ein Mitarbeiter mit. „Wir mussten das Gebiet zur Sicherheit unserer Bürger verlassen.“

Imamoglu von der größten Oppositionspartei CHP soll im Falle eines Wahlsieges Vizepräsident werden. Zuvor hatte die Opposition bemängelt, dass Behörden versucht hätten, den Auftritt zu verhindern.

Besuchermassen bei einem Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Istanbul
APA/AFP/Dha
Erdogan bezifferte die Teilnehmerzahl mit 1,7 Millionen

Krankheitsbedingte Wahlkampfpause

Erdogan, der zwischenzeitlich krankheitsbedingt eine Wahlkampfpause einlegen musste, geht den Oppositionsblock und Teile der Gesellschaft immer wieder mit scharfer Rhetorik an. Er äußerte sich etwa wiederholt LGBT-feindlich und machte Teilen der Opposition den Vorwurf, sich für die Rechte von homosexuellen, bisexuellen und Transmenschen auszusprechen.

Die Teilnehmerzahl bei seiner Veranstaltung in Istanbul gab Erdogan mit 1,7 Millionen an. Kilicdaroglu war am Samstag bei einer Großveranstaltung ebenfalls vor zahlreichen Anhängern in Istanbul aufgetreten – eine offizielle Teilnehmerzahl wurde nicht genannt.