Mann beim Einkaufen im Supermarkt
ORF.at/Lukas Krummholz
„Lebensmittelgipfel“

Reaktionen sehr kritisch

Die vagen Ergebnisse des „Lebensmittelgipfels“ haben am Montag für Kritik gesorgt. Die Opposition warf der Bundesregierung Versagen vor. Kritik wurde erneut auch an der vielzitierten „Gießkanne“ laut, ebenso die abermalige Forderung nach einem Eingriff in die Preise. Nach den Gesprächen Montagvormittag waren die Positionen von Handel und Bundesregierung teils sehr weit auseinandergeblieben.

Zu dem Treffen im Sozialministerium hatten Ressortchef Johannes Rauch, Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) Vertreter und Vertreterinnen von Handel und Industrie sowie Experten geladen. Die Gespräche dauerten nur knapp zwei Stunden, danach traten die drei Minister und der Geschäftsführer des Handelsverbandes, Rainer Will, für Statements vor die Presse. Die Reaktionen darauf waren zahlreich.

Für Rendi-Wagner ist es „fünf nach zwölf“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die aktuell um den Parteivorsitz kämpft, nahm den aus ihrer Sicht gescheiterten Gipfel im Sozialministerium zum Anlass, eine Nationalratssondersitzung samt Misstrauensantrag gegen die Regierung anzukündigen. „Es ist fünf nach zwölf“, so Rendi-Wagner in einer Aussendung.

„Wenn die Bundesregierung nicht fähig ist, endlich preissenkende Maßnahmen gegen die Rekordinflation in Österreich zu setzen, dann wird die SPÖ bei der Sondersitzung einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung einbringen.“ Die SPÖ-Chefin forderte etwa einen Mietpreisdeckel, die Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und die Einsetzung einer Antiteuerungskommission. Diese Maßnahmen könnten sofort umgesetzt werden. Ihr parteiinterner Gegenkandidat Andreas Babler hob die Kampagne „Jetzt eingreifen – Gierflation stoppen“ aus der Taufe.

Kickl: „Wer sich auf Regierung verlässt, ist verlassen“

„Diese Regierung lässt die heimische Bevölkerung auch bei den Lebensmittelpreisen weiterhin eiskalt im Stich“, so FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung. „Wer sich auf diese Bundesregierung verlässt, der ist verlassen.“

Der Lebensmitteleinkauf werde bei vielen Menschen zu einem finanziellen Balanceakt. „Und was macht die Regierung? Sie präsentiert keine Konzepte, sondern erklärt uns heute nur, was alles nicht geht – garniert mit der geradezu skandalösen Aussage des grünen Sozialministers Rauch, dass man nicht erwarten kann, dass ‚übermorgen die Lebensmittelpreise um zwanzig Prozent sinken werden‘“, so Kickl. Freiwillige Preisbremsen und eine Senkung der Mehrwertsteuer seien zwar offenbar diskutiert worden, „das war’s dann aber auch“.

NEOS vermutet „noch 700 Sesselkreise“

„Als es darum ging, Geld mit der Gießkanne zu verteilen und die Inflation damit nur zu befeuern, konnte es der Regierung nicht schnell genug gehen“, schrieb NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker in einer Presseaussendung. „Jetzt, da es ums Löschen des von ihr angefachten Brandes geht, haben ÖVP und Grüne plötzlich die Ruhe weg.“

Die Bundesregierung müsse endlich handeln, „und zwar rasch, nicht nach noch 700 Sesselkreisen“. Die Lösung sei „aber sicher nicht, weitere Milliarden an Steuergeld ziellos auszuschütten“. Die Lösung sei ganz einfach: „ÖVP und Grüne müssen nur damit aufhören, den Leuten so viel Geld wegzunehmen“, so Loacker.

AK spricht von „massiven Übergewinnen“

Andere hegen einen anderen Verdacht hinter der hohen Teuerung, unter ihnen die Arbeiterkammer (AK). Mittlerweile werde „immer klarer: Die Preiskrise geht mit massiven Übergewinnen einher. Viele Unternehmen erhöhen ihre Preise deutlich mehr, als es die gestiegenen Kosten rechtfertigen würden“, so der AK-Bereichsleiter für Wirtschaft, Tobias Schweitzer. „Ist das wirklich der freie Markt, den es zu schützen gilt?“

Es sei nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung die Menschen „seit mehr als einem Jahr hinhält“. Die Regierung sollte längst erkannt haben, „dass der freie Markt nicht funktioniert und ein aktives Eingreifen in die Preise notwendig ist“. Darüber hinaus müsse es effektive Preiskontrollen und ein wirksames Preisgesetz geben, außerdem „einen Wärmepreisdeckel, eine Mietpreisbremse und die Abschöpfung der Übergewinne durch eine wirksame Übergewinnsteuer“, forderte die AK in einer Aussendung am Montag.

Ruf nach Mietpreisbremse und „Energiegrundsicherung“

„Ärmere entlasten, Preise dämpfen“, forderte das Netzwerk Armutskonferenz in einer Aussendung und sprach sich für eine Preisdatenbank mit evidenzbasierten Zahlen, eine Verbesserung des Kartellrechts, eine „in der Krise funktionierende“ Sozialhilfe, eine Mietpreisbremse und eine „Energiegrundsicherung“ aus.

Alle diese Maßnahmen würden einkommensschwache Haushalte entlasten und gleichzeitig dämpfend auf die Inflation wirken. „Die drei Hauptposten in finanziell knappen Haushalten sind Wohnen, Energie und Lebensmittel“, wobei den größten Anteil die Wohnkosten ausmachten. Aus diesem Grund sollten Mieterhöhungen vom Verbraucherpreisindex (VPI) entkoppelt werden.

Handel bietet „gerne Gespräche an“

„Als Handel treten wir gerne in Gespräche mit der Regierung, um Rezepte gegen die hohe Inflation zu finden“, bot in einer weiteren Reaktion Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), an.

Aber: „Die gesamte Lebensmittelkette“ sei stark „von der Kostenexplosion des vergangenen Jahres insbesondere im Energiebereich, aber auch bei Rohstoffen, Verpackungsmaterialien, Logistik und Lohnkosten betroffen“, schrieb er in einer Aussendung. Der Handel sei „somit nicht Verursacher, sondern selbst Betroffener der aktuellen Teuerungswelle“.

Industrie sorgt sich um Wirtschaftsstandort

Die Industriellenvereinigung (IV) sorgt sich wegen der hohen Teuerungsrate um den Wirtschaftsstandort. „Die hohe Inflation in Österreich wird zunehmend zur Herausforderung für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen. Steigende Kosten können nur in beschränktem Ausmaß weitergegeben werden, um die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie auf internationalen Märkten nicht zu gefährden“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Presseaussendung.

Der starke Preisauftrieb treibe wiederum die Lohnkosten und damit in weiterer Folge auch die Produktionskosten in die Höhe, „in einem Hochsteuerland wie Österreich wird die Lage für die Investitionstätigkeit international aktiver Unternehmen sukzessive prekär“. Um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, brauche es „rasch inflationsdämpfende Maßnahmen“, so Neumayer. Die öffentliche Hand könnte dazu einen Beitrag leisten, indem sie etwa auf Gebührenerhöhungen verzichte.